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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 2. Jahrgang 1905/06

Altbelgisches Kastell (Bruges) und Normannenschloß. 
Altbelgische Bauweise. 
MODERNE KUNST. 
D ie einzige im guten Sinne moderne Kunstausstellung, 
die wir jetzt in Wien haben, befindet sich in dem 
neueröffneten Lokal Graben Nr. 17 der Galerie 
Miethke. Was künstlerische Qualität ist, kann man 
dort kennen lernen. Neben der Wiener Werkstätte mit 
ihrem bekannten künstlerischen Stab tauchen für die Alk 
gemeinheit neue ungeläufige Namen auf mit ungewöhnlichen 
Arbeiten. C. A. Reichel mit farbigen Holzschnitten, Minia^ 
turen, Bildnissen. Ein kunstempfängliches Auge wird ohne' 
weiters die seltene künstlerische Kultur erkennen, die im 
Hintergrund dieser Schöpfungen steht. Die empfundenen 
und gestimmten Farbenwerte, die einfache und sehr edle 
Konzeption, noch mehr aber der verinnerlichte Ausdruck, 
hier mehr, dort weniger, als die greifbaren bildmäßigen 
Elemente, bilden die verwirrende Schönheit dieser Arbeiten. 
Bei ihnen fühlt man sich dem Feinsten nahe; man kann 
an Giotto denken, an erlesene altchinesische und japanische 
Bildnisse, aber man wird bei Reichel nicht die leise Am 
deutung an Vorbilder finden; er behauptet sich ganz selb' 
ständig als Künstler, der auf intuitivem Wege zu seinem 
Schaffen gelangt, darin er eben mit dem Besten, das die Kunst 
hervorgebracht, verwandt erscheint. Wer daraus auf einen 
eigentümlichen Entwicklungsgang schließt, hat recht; der 
junge Künstler unterscheidet sich von vielen dadurch, daß 
er weniger das Fremde, als vielmehr das Eigene gesucht 
hat; sein Schaffen ist im weitesten Sinne SELBSTDAR' 
STELLUNG, also eigentlich das, was im höchsten Begriffe 
Kunst ist. Als Suchender war er auf dem Wege nach dem 
Außerordentlichen; es ist natürlich, daß dieses nun zu seinem 
Wesen gehört und sich in seinem Schaffen darstellt. Das 
Gesagte behandelt Dinge, die nur von willigen und gut' 
gesinnten Menschen ergriffen werden können. Andere glauben, 
der Kritiker müsse auch da, wo seine Überzeugung warm 
für eine Sache spricht, dennoch ein kritisches Wort übrig 
haben. Diese Gemütvollen! Nun denn! Der Künstler wird 
den Umfang seines zeichnerischen Könnens noch erweitern 
und vielleicht den Kreis seiner Darstellungen; mit der 
Intensität seiner Kunst hat das aber gar nichts zu tun. Zum 
Beweis: das Mittelbild ober dem Gaskamin, ein Frauenwesen 
mit gefalteten Händen, übt eine gnadenvolle Wirkung aus. 
eine Ausstrahlung, die mächtig ist und glauben macht, daß 
das Bild eine Seele hat. Die Frau mit dem Kinde, in unserer 
Kunstbeilage gezeigt, einige Miniaturen gehören gewiß auch 
mit zu dem Kostbarsten; aber in einer gewissen Hinsicht 
besonders interessant ist das Bild einer Mannesfigur mit dem 
bedeutsam herausgebildeten Schädel. Jedes ursprüngliche Werk 
trägt die mehr oder weniger sichtbare Wesenheit des Zeugers; 
das Köstliche an dem Bild liegt besonders in dem auffallend 
starken, wenn auch unbewußten Hervorheben persönlicher 
Züge, wobei natürlich an nichts weniger als an ein Selbst' 
porträt zu denken ist. Reichel wird sein Publikum finden oder 
vielmehr wird das Publikum, wenn auch nur ein ganz er' 
lesenes, zu dem Künstler finden. Mit pfründnerhafter Nörgelei 
wird man seinen Schöpfungen nicht nahe kommen; sie 
wollen nicht mit dem platten Verstand, sondern mit der 
Seele ergriffen sein. Das Kunstwerk ist nur mit der Seele 
zu erfassen. Bei dem ganz jungen Maler Zuelow, der in 
dieser Ausstellung zum erstenmal in die Öffentlichkeit 
tritt, haben es die Leute wohl viel leichter. Was der junge 
Mensch als sein Eigenes gibt, ist durch die bäuerlich primi' 
tive Art seiner Malweise vielen aus dem Begriff Volkskunst 
geläufig. 
Seine naive Darstellungsweise ergötzt jedes kindliche Am 
schauungsvermögen. Wandbilder für Schule und Haus, 
Bilderbücher, Kunst fürs Kind oder für das unverbildete 
Volk — keiner könnte es besser darin als der junge Zuelow. 
Auch Frau ELENE LUKSCH MAKOVSKA, FANNY 
ZAKUCKA und Professor MOSER haben buntbemalte 
Schränke ausgestellt. Es gibt Leute, die auch hier das Schlag' 
wort imitierte Bauernmalerei bei der Hand haben. Es sind 
eben bemalte Schränke, basta. Keine Spur von Bauernmalerei, 
daher noch weniger von einer imitierten! Mosers Schrank ist von 
ausgesuchter Noblesse, eine schöne Arbeit, Frau Luksch hat 
ihren Schrank auf sehr geistvolle Art bemalt, reich an lustigen 
Einfällen und an Farbenfreude. Es ist durchaus folgerichtig, 
daß, wie daran gezeigt, die Künstler den Kreis ihrer Aufgaben 
erweitern; alles, was gut gemacht ist, hat Berechtigung; alles ist 
zweckvoll und notwendig, wenn es um der Schönheit willen 
geschieht! Auch das Spielzeug aus gedrechselten Formen, 
von den Künstlerinnen ZAKUCKA und PODHAYSKA 
erdacht, ist sehr ergötzlich; es will durchaus nicht Bauern' 
Spielzeug sein, sondern einfach die Form, in der sich derartige 
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