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Internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 20
fin kleiner, unscheinbarer Zettel aus Büttenpapier führt
mich in das Stadthaus der berühmten Käsestadt fdam.
merkwürdig! am Schlüsse dieses lllenus gibt es keinen
— Käse!
Bin mit dem Wappen der Stadt Amsterdam geschmück
tes ITlenu, das verheißungsvoll mit „Seeländer-Austern“
beginnt, erinnert mich an den Tag des einzuges der jungen
Königin Wilhelmina in ihre Hauptstadt, ein Cunch im
Haag, zur Zeit der Haager Friedenskonferenz, tritt leib
haftig oor meine Augen; und hier erinnert mich ein fein
geprägter Karton an den freundlichen Oberstaatsanwalt
uon Rotterdam, der mir Pressemenschen sein Bedauern
ausdrückte, daß man in Holland den berühmten deutschen
Groben Unfug-Paragraphen nicht kenne, fr saß bei einem
herrlichen Bankett der Stadt Rotterdam neben mir, dessen
„zwölfter“ und lange nach nicht leßter Gang aus „Ostender
Hummern in Belleuue“ bestand.
Ich will nicht weiter ausgraben, der zurückge„gessene“
Weg führt noch weit, fr führt bis fissabon, non da nach
Drontheim in Aorwegen, um wieder am Vesuv zum Vor
schein zu kommen. Am Kapitol habe ich einst gefriih-
stückt, am fiffel-Turm zu mittag gegessen, und beim
Schlosse der ITlaria Stuart in Schottlands Hauptstadt habe
ich mein Abendessen eingenommen.
Von all diesen „Taten“ zeugt meine Rlenukarten-
Sammlung. Sie hat aber noch andere Reize, diese Samm
lung. So wie einen nämlich die flot zu gar seltsamen
Schlafgenossen bringt, bringt den Journalisten die Pflicht
zu sehr interessanten Tischgenossen. Und auch oon diesen
spricht meine Sammlung. Sie stehen zwar nicht auf dem
ITlenu oorgedruckt, aber als kluger Sammler lief] ich mir
sehr oft, die gehobene Stimmung des Pfahles benagend,
gewissermaßen wie der Student sein Kolleg, mein Fest
essen auch testieren. Die Tischnachbarn oder sonstige
Berühmtheiten der Tafel, wenigstens immer einige oan
ihnen, stehen mit unuerlöschlichem Graphit auf den lllenus
meiner Sammlung unterschrieben.
Rur einmal ist es mir schlecht ergangen, mit finem,
an dessen Unterschrift mir sehr oiel gelegen war: mit
Ibsen, fs war bei einem fmpfang beim Sfaatsminisfer
Steen in dessen Villa bei fhristiania. Des Gastgebers
Unterschrift hatte ich erjagt und dann auch die eines noch
größeren: Björnstjerne Björnson seßte, neun Gänge lang,
seinen Rainen auf mein Rlenu. fr reichte oon der „Potagc
a la Tortue vraie“ bis über die „Cafe, liqucurs, eignes,
cigarettes“ hinaus. Ich oersuchte es mit Ibsen, der eben
falls anwesend war. fs gelang mir zwar, ihn zu inter-
oiewen, aber nicht, seine Unterschrift zu erlangen. Ich
schickte eine liebreizende junge Dame oor, die sich sicht
lich seiner Huld erfreute. Aber die Unterschrift gab er
auch ihr nicht, frst später erfuhr ich, was ihn gestört
haben mochte, fr wollte nicht neben dem Björnson figurieren,
mit dem er zur Zeit in Feindschaft lebte.
fin anderes lila) ging es mir leichter. In Schevenigen,
damals, als mir die drei Rlalersterrte Hollands, Rlesdag,
Israels und Tarop, ihre Hamen unter das Riesenmenu
selten, das künstlerische Reproduktionen der drei Rlaler
aufwies. Der Rame oon Hermione o. Preuschen-Telmann
ist auf der Tischkarte oerewigt, die das ITlenu eines oon
Baccelli am Palatin veranstalteten Frühstücks enthielt.
„Jokai Rloriz, Brüssel 1895“ zeigen die mächtigen
Schriftzüge des ungarischen llationaldichters auf einem
dreizehngängigen Rlenu, das der belgische Senat der inter
parlamentarischen Konferenz zu fhren oeranstaltete. An
einen intimen Kreis bei Sacher in Wien erinnert ein kleines
lllenukärtchen, das die drei Hamen Rlark Twain, 111, o.
fgidy, Bertha o. Suttn er aufweist, fs war am 18, Okto
ber 1898. Wenige Wochen später weilte fgidy nicht mehr
unter den Hebenden. An die Tage der Haager Friedens
konferenz erinnert ein Rlenu eines im engeren Kreise
gegebenen Rlahles des oerstorbenen Staatsrats o. Bloch,
das dessen Ramenszüge trägt, die Unterschriften des
Sutfnerschen Paares und eine Anzahl anderer bekannter
Hamen der modernen Friedensbewegung. Die Seoerine
unterschrieb sich mir in Paris auf das Rlenu eines Banketts
in der Ausstellung des Jahres 1900, als sie, die Französin,
eben einen Toast auf das Andenken des preußischen Oberst
leutnants 111. o. fgidy gehalten. Aus den Krönungstagen
oon Holland stammt ein Illenu, auf dem mir Jules Claretie,
der Gewaltige oon der Comedie Framjaise, ein „Bon Sou
venir de Voyage“ aufschrieb, und ebenfalls auf einem nach
Holland weisenden Rlenu schrieb mir Hlars oom „Journal
Amüsant“ seinen gesamten deutschen Sprachschaß auf. fr
lautet: „llloabit; hier können Familien Kaffee kochen.“
Gewiß nicht oiel deutsch, aber immerhin etwas.
So könnte ich meine JTlenus noch oielfach reden lassen.
Rlan sieht, sie reden selbst oon lieben Tischgenossen und
ehrwürdigen Rlitgästen, sie rufen die frinnerung wach
an eine fßgemeinschaft, wie gemeinsame Schlachtenerinner
ungen die Waffenbrüderschaft wachrufen. Wie alte Sol
daten sich in stillen Stunden der frinnerung sagen können:
„Wir standen zusammen bei Vionoille, bei Rlars-la-Tour,
bei Pleuma, bei Krügersdorp und am folenso“, so kann
ich an der Hand meiner lllenus alte Gabelbrüderschaften
wachrufen: „Wir aßen zusammen am Tiber, in Bergen,
in Hissabon, in Konstantinopel und auf Frascati; weißt Du
noch . ..?“
Das ist die Geschichte meiner Rlenukarten-Sammlung.
Jch glaube, daß sie nicht uninteressant ist und hoffe, daß
ich sie noch erweitern werde.
flutographenschät^e.
Wahre Autographenschähe gelangen am 29. d. m. bei ITlarfin
Breslauer in Berlin zur Versteigerung. Die stolzesten Flamen der
Geschichte fehlen ebensowenig in der Sammlung, wie heroor-
ragende Gelehrte und Zierden der Citeratur. Da finden mir z. B.
einen Brief Kaiser Wilhelm I. aus derzeit, da er noch Prinz uon
Preufjen mar und sich mehr für Theater als für die Politik inte
ressierte. Der Brief, der das Datum 10. ITlärz 1847 trägt, bezieht
sich denn auch auf Angelegenheiten der königlichen Theater.
„Wenn Sie mich aber fragen,“ hei^t es da, „roas ich zu Ihrem
heutigen Erlafj sage, so ermiedere ich, dafj ich eine so unglaublich
kleine Beschränkung der Ausgaben für die königl. Casse uöllig
unpassend halte, . , . wogegen aber es eine ungemeine Härte ist,
Personen, die so schlecht an und für sich bezahlt sind, .... den
Cebensunferhalt auf solche Weise noch zu uerkiirzen.“ Zar Paul I.
uon Rufjland ist mit einer französischen Epistel nertrefen, die an
„man eher Prince“ adressiert ist.
Van 11a p o I ea n I. enthält die Sammlung mehrere Autogramme,
uon denen wir eines in figur I wiedergeben. Es ist eine Ordre
milifnire und an den Kommandanten der Artillerie uan Antibes
gerichtet.