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Internationale Sainm 1 er-Zeitung,
riummer 22
flutographen.
(Eine flutographensteuer.) Die Breslauer Ortsgruppe
der „Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“ hat den Ent-
schluf3 gefallt, die Autogramme zu besteuern, welche theater
schwärmende Backfische oon ihren Bühnenlieblingen zu erbitten
pflegen. Der „Breslauer Generalanzeiger“ plaudert darüber: Unseren
lieben jungen Damen oder uielmehr ihren manchmal nicht allzu
reichlich gespickten Geldbörsen droht ein schweres Unheil, das die
böse Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger auf sie herab-
bcschmoren hot. ln der weisen Erkenntnis, daß die einträglichsten
Steuern stets solche sind, die man auf die unentbehrlichen Ilof-
mendigkeiten des Eebens legt — eine Erkenntnis, die uns oon den
Finanzministerien der oerschiedenen Eänder freundlichst zur Ver
fügung gestellt wurde - , hat die Ortsgruppe Breslau dieser Ge
nossenschaft die Verfügung getroffen, dafj die lltitglieder der Ver
einigten Theater unserer Stadt nur auf solche eingesandte Bilder
und Photographien ihren heiß begehrten Damen setzen dürfen, die
in einem „flutographensfeuer-Couoert“ der Genossenschaft
eingesandt werden. Solche Eouuerfs sind gegen ein Opfer oon
80 Pfennig in einer hiesigen Buchhandlung zu haben, fleh, so
werden die idealsten Bestrebungen der deutschen weiblichen Jugend
zu Geschäftszwecken ausgeniißt! Es ist kaum auszudenken, was
geschehen soll, wenn die jungen Damen gegen Ende des Itlonats
dringend des Damenszuges eines ihrer Eieblinge bedürfen, — zu
einer Zeit also, wo die Backfische gewöhnlich ebenso auf dem
Trockenen sitzen wie ihre männlichen Altersgenossen. Er ist dann
einfach nicht zu haben, und leise weinend mu(3 sie sich ent
schließen, bis zum nächsten Ersten die schwerste aller Künste, die
Geduld, zu üben. Oder wird es am Ende oorkommen, daß der
heiße Wunsch stärker ist als die gute Erziehung und daß Schulden
gemacht werden, um ihn zu befriedigen? Er ist geradezu gefähr
lich, dieser oerhängnisoolle Beschluß. Daß der Ertrag der Steuer
den Wahlfahrtskassen der Genossenschaft zufließf, ist zwar ein
Trost, nimmt der Sache aber nichts oon ihrer Schärfe. Wenn es
so weiter geht, wird eine Künstlerhaarlocke demnächst nur mehr
für ITtillionärstöchter zu erschwingen sein. Wäre es übrigens nicht
angezeigt, oon nun an eine ITlark für die Erlaubnis zu oerlangen,
einem großen Sänger die Pferde aus- und sich selbst dafür ein
spannen zu dürfen? Dieses Vergnügen ist doch wahrhaftig eine
solche Summe reichlich wert!
Bilder.
(Das erste authentische Porträt der Eucrezia
Borgia.) Unter den Frauengestalfen der Weltgeschichte, deren
leidenschaftliche Schönheit und dämonische macht uns als Symbol
eines ganzen Zeitalters erscheint, uerkörpert Eucrezia Borgia
für uns Heutige das Wesen der Renaissance. Diese oerführerische
Gentildonna, oon deren Gewalt über die lllännerherzen Historiker
und Dichter uns berichtet haben, die die würdige Schwester ihres
Bruders, des oon lließsche oerherrlichten Cesare war, ist so recht
das Symbol einer zur Freiheit der Persönlichkeit durchgedrungenen
ITtensdiheit, die im stolzen Hochgefühl des eigenen Willens bacchan
tisch rast und sich über alle Schranken der Dafür hinwegseßen
möchte, fluch ihr Charakterbild schwankt in der Geschichte Ulan
hat aus ihr „ein liebenswürdiges und sanftmütiges, ein leichtsin
niges und unglückliches Weib“ machen wollen, das, wie ihre Briefe
bekunden, sogar „Seele und Gemüt“, aber „keine geistige Tiefe“
besaß. Doch diese „Rettung“, wie sie Gregorooius oersuchte,
scheitert an den nackten Tatsachen; sie bleibt die göttlich schöne
Teufelin einer riesenhaft gearteten Zeit, der wir mit unseren lllnß-
stäben nicht nahen dürfen. Soniel wir aber auch oon Eucrezia
wissen, wir besaßen kein authentisches Bild oon ihr, und gerade
ihr Porträt mußte man besonders ersehnen, denn es konnte uns
vielleicht einen Abglanz jenes Eiebreizes oorspiegeln, der die Herzen
so uieler entzündet. Das erste authentische Porträt der Eucrezia
aufzufinden, ist nun dem Kunsthistoriker Dr. Emil Schaeffer ge
glückt; er oeröffentlicht das Werk, eine Kopie aus dem 16. Jahr
hundert, nach dem oerlorenen Original, zum ersten Iflal in der
schönen Ausgabe oon Gobineaus „Renaissance“ im tnseloerlag
und widmet dem Gemälde zugleich eine ausführliche Besprechung
im Jnselalmanach. Alle Bildnisse, die man bisher als Porträts
der Eucrezia in Anspruch genommen hatte, so zwei Werke im
Ferraresischen Priuatbesiß, eins im Dluseum zu llimes u. a.
stammten aus so später Zeit und zeigten so armselig matte Züge,
daß ihnen die Forschung mit zweifelndem mißtrauen begegnete.
Wie sollte man mit solchen Darstellungen das Zeugnis eines flriost
oereinigon, der da singt:
„Eucrezia Borgia, die mit jeder Stunde
An Schönheit wuchs . . .“
wie die Eobeshymnen der beiden Sfrozzi und all der anderen
Poeten, die die strahlende Herzogin oon Ferrara bald mit Juno,
bald mit Pallas, meistens aber mit der Eiebesgöttin Venus selber
oerglichen? Das aufgefundene Werk gewährt uns dach immerhin
eine Vorstellung oon ihrer Schönheit und ist oor allem ganz
zweifellos ein Bild der Fürstin, wie die Arbeit selbst und ihre
Herkunft beweisen. Das lebensgroße ITtedaillonporträt wird oon
einer gemalten Sfeinarchitekfur umrahmt, in deren Sockel, wie bei
antiken Grabmälern, mit prachtooll großen Eettern Damen und
Titel Eucrezias eingegraben scheinen. Und diese Inschrift ist keine
Zutat oon fremder Hand, wie etwa bei dem Porträt in Dimes, das
oielleicht auf das nämliche Porträt zurückgeht, sondern sie ent
stand gleichzeitig mit dem Gemälde, dessen Wirkung ja gerade
auf dem Kontrast zwischen dem farbenfrohen Prunk des Kostüms
und der grauen Strenge dieser Umrahmung, auf dem Gegensaß
der frauenhaften Anmut Eucrezias und der ITlonumentalität des
Sockels beruht Überdies stammt jenes Porträt aus dem „museo“
des Paolo Giooio, einer berühmten Sammlung oon Bildnissen, die
der große Historiker in seiner Vaterstadt Como angelegt hatte.
Dort befindet es sich noch heute, es gehört einem Dachkommen
Giooios, der zu den intimen des Gatten der Eucrezia, Alfonsos
oon Ferrara, gehörte und nach der Tradition das Bildnis oon
diesem selbst zum Geschenk erhielt. Dieser Umstand bürgt für
die Treue der Darstellung, denn der oielgelesene Geschichtsschreiber
nahm in sein „museo“ nur authentische und ganz ähnliche Porträts
auf. Und was zeigt uns nun dies echte Bildnis der zauberischen
Verführerin? Eine Frau oon reifer Schönheit und edelstolzer Hal
tung, ein charakteroolles, interessantes Gesicht, aber doch nichts
oon jenen Wundern der flnmuf, die wir uns erträumt. Der Blick
des lAalers, der oielleicht Dosso Dossi oder ein anderer berühm
ter Ifleister der Zeit war, war schärfer als das geblendete Auge
der Poeten; er befreit uns auch oon einer kleinen „Geschichtslüge“,
die bisher das Haupt der Eucrezia umgoldete. Wieoiel hat man
gefabelt oon der höllenfeurigen Glut und der gleißenden blonden
Eockenpracht dieses Hauptes, und nun ist es ganz deutlich:
Eucrezia hatte hellbraunes Haar. Die goldschimmernde Eocke, die
noch heute die flmbrosianische Bibliothek in HJailand mit neun
Schreiben Eucrezias an ihren Geliebten Pietro Bembo bewahrt,
dies zarte Eiebespfand, das oon allen Reisenden so oiel bewundert
wird, es stammt oon einem anderen Kopfe. Wir müssen den
Glauben aufgeben, eine Flechte oon Eucrezias Haar zu besißen,
dafür ist uns aber nun etwas Wichtigeres geschenkt worden: das
erste authentische Porträt dieser berühmtesten Frau der Renaissance.
numismatik.
(Das Bartgeld oon Tahiti.) Der französischen llational-
sammlung oon Dlünzen und Aledaillen ist oon einem Prioafen oor
kurzem eine ganz eigenartige Sammlung geschenkt worden. Sie
umfaßt 400 Geldstücke, die unter Eudwig XIV. für die französi
schen Kolonien in Ostindien und Dordamerika und für die
Insel IDartinique geprägt wurden. Die wertoollsten Stücke der
Sammlung sind einige der seltenen „Bartmünzen“ oon Tahiti. Als
die Franzosen auf die Insel kamen, fiel ihnen die besondere Ver
ehrung des Volkes gegenüber alten Eeufen auf. Es wurde dort
den Greisen nach dem Tode der Bart abgenommen und als Reliquie
sorgfältig aufbemahrf. Die Franzosen stellten nun, als sie für
Tahiti Illünzen prägten, auf ihnen Haarbüschel dar, um dem
neu eingeführten Geld etwas Feierliches zu sichern.