MAK
Nr. 12 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 183 
hob als Gruß den Zeigefinger zur Schläie und berichtete über 
die Pferde. Er erhielt seine Instruktionen für den nächsten 
Morgen und dann kam die letzte Audienz des Tages — der 
Nachtwächter wurde hereingelassen. Seit dem Einbruch in 
seinem Hause hatte Charles Wertheimer einen Mann ange 
stellt, der die ganze Nacht zu wachen hatte. Es war ein alter, 
ausgedienter Matrose, und bevor er seinen Dienst antrat, war 
es seine Pflicht, jeden Abend zu seinem Herrn zu kommen und 
ihm zehn Minuten lang auf sonderbare Weise die Zeit zu ver 
treiben. Er brachte nämlich stets einige Stücke Bindfaden und 
dünne Taue mit und begann nun nach Matrosenart kunstvoll 
Knoten zu knüpfen und zu lösen. Das ist eine faszinierende 
Arbeit, der sich Charles Wertheimer in der Stille der Nacht, 
neben seinem alten Matrosen stehend, gerne hingab. Aber 
auch der Wächter wurde verabschiedet und Wertheimer blieb 
inmitten seiner Schätze allein. Er lehnte sich an das Kamin- 
gesims — so hat ihn das stärkste Talent unter den jungen 
Stempelbögen der 
Von Karl Mienzil, k. u. 
Die Märzhefte der »Internationalen Sammler- 
Zeitung« brachten eine äußerst interessante und lehr 
reiche Abhandlung von Dr. Julius Krueg über den neuen 
Sammelsport von Stempelmarken. In dem Artikel wird 
unter anderem angeführt, daß von Venedig keine 
Stempel bekannt sind. Um zu weiteren Forschungen an 
zuregen, möchte ich mitteilcn, daß ich, ohne selbst 
Sammler von Stempeimarken zu sein, im Besitze 
zweier Stempelbögen der Republik Vcnc- 
d i g bin, die aus dem 17. Jahrhundert stammen. Der eine 
Bogen, welcher leider etwas beschnitten ist, zeigt oben 
in der Mitte den Markuslöwen; links davon steht der 
Name >Del. N. H. Antonio Priuli de Ahnte«, rechts davon 
dessen Titel: »Capitan citta ordinaris dclle Calcazze.« 
Das Ganze ist mit einem Metallstempel in grünlich- 
brauner Farbe gedruckt, die sich möglicherweise im 
Laufe der Jahre verändert haben könnte. Unterhalb da 
von befinden sich mit Finte geschriebene Vormerkun 
gen in der alten charakteristischen Schnörkelschrift, mit 
vielen schwer entzifferbaren Abkürzungen, die auf eine 
Rechnung oder Buchführung hinweisen. Im ganzen sind 
auf der vorderen Seite nur fünf Zeilen, auf der Rück 
seite, die keinen Stempeldruck hat, sechs Zeilen. Außer 
dem ist ein Rubrum ausgeworfen, welches jedoch schwer 
zu entziffern ist, da das Papier an dieser Stelle be 
schnitten wurde. 
Auf der ersten Zeile finden wir zuerst die Jahres 
zahl »1664 genuaru«, dann den Namen »Paullo Zan grandi 
di Vicenza« und »Camillo« mit Abkürzungen, die auf 
Arini currcntis hinweisen. Die zweite Zeile bringt das 
Datum 1663 — 14 Aprille dal Romany« und ausgeworfen 
die Zahl 4 mit Abkürzungen, die vielleicht Ducati und 
Lire bedeuten. Die dritte Zeile führt einen Anonymus 
N. N. mit den Titel »della Twehle« an und noch schwer 
Entzifferbares. Die vierte Zeile beginnt mit dem Datum 
1664—8 July und zeigt den Namen »ExellentisSimo de 
Magente« und gleichfalls noch einige schwer lesbare 
Worte. Die fünfte Zeile hat nur kurz die Worte »esi 
conore« und ausgeworfen einige Abkürzungen, die 
schwer zu deuten sind. 
Die zweite Seite enthält Aehnliches; die Vormerkun 
gen beginnen hier mit dem Datum 1663—6 Jeyno. Man 
bemerkt weiters Namen, wie »Ziasio Baidissera«, einen 
Conte oder Commissario »Movcsiai Pogadovic«, auch 
englischen Malern, der Ire William Orpen, für die Royal Aca 
demy gemalt — rauchte und rauchte und dachte nach. Lieber 
seine Geschäfte natürlich. Im Geiste holte er aus einem 
obskuren schottischen Landhause ein bisher unbekanntes Bild 
und versetzte es — ohne daß der eine oder der andere noch 
irgend etwas von der Transaktion ahnte — in ein Milliardär 
schloß jenseits des großen Wassers. Eine halbe Stunde vor 
dem Schlafengehen hielt er so Kriegsrat mit sich; einsam 
grübelte er und kalkulierte, bot und feilschte, spielte auf 
einem unsichtbaren Schachbrett, erwog, ein Napoleon seines 
Metiers, seinen nächsten Feldzugsplan. 
Es ist nur recht und sinnig, daß der Epilog eines reichen 
Lebens, dessen Meilensteine große Auktionen bedeuten, bei 
Christie gesprochen wurde. Dort ist Charles Wertheimer jetzt 
eine Erinnerung. Aus dem Romane London, mit seinen selt 
samen Karrieren und unbegrenzten Möglichkeiten, ist mit ihm 
eine interessante Figur verschwunden. »N. Fr. Pr.« 
Republik Venedig. 
:. Oberstleutnant (Wien). 
noch eine Exzellenz und die Jahreszahl 1664—8 July, 
ferner noch einige ausgeworfene Zahlen. 
Das Papier ist ein lederartiges, nicht zu dickes, je 
doch sehr festes, geschöpftes Handpapier ohne Wasser 
zeichen. Auf demselben wurde ein alter Kupferstich auf 
gespannt und bei dieser Gelegenheit der Bogen leider 
an den Rändern beschnitten. Seine Größe ist Folio. 
Auf dem zweiten Stcmpelbogen befindet sich auch 
oben in der Mitte der Stempelabdruck des Markuslöwen, 
jedoch in roter Farbe; ober demselben steht mit Tinte 
der Name »Orotoglio Solare« — also nicht gedruckt, wie 
der Name am erstbeschriebenen Bogeri. 
Rechts oben in der Ecke ist mit derselben roten 
Farbe die Seitenzahl 25 eingedruckt. Das Blatt mit dem 
Stempcldruck ist tadellos erhalten und nicht beschrieben. 
Das Papier ist ein starkes, kräftiges, lederartiges ge 
schöpftes Handpapier und hat als Wasserzeichen drei 
immer kleiner werdende Halbmonde. Das Format ist 
Großfolio. 
Daß dies Stempelbögen sind und nicht vielleicht nur 
mit den Wappen von Venedig verzierte Papiere, be 
weisen die verschiedenen Privatnamen; auf dem einen 
ein Kapitän der Galeeren, der nebenbei irgend eine Ver 
rechnung führte, auf dem anderen der Name eines ge 
wöhnlichen Bürgers (Kaufmann). Ohne Zweifel sind die 
Aufzeichnungen auf den ersten Bogen Rechnungsführun 
gen, die also schon damals durch den Stempel, wie heut 
zutage, ihren besonderen Rechtsschutz erlangten. 
Es wäre auch verwunderlich, daß die auf ihren Vor 
teil so bedachte Republik, die doch zu dieser Zeit schon 
ein wohldurchdachtes Zollgesetz mit allem, was darum 
und dran ist, besaß, es den schlauen Holländern nicht 
nachgeahmt hätte; es wäre sogar zu erwägen, ob den 
Venetianern darin nicht der Vorrang gebührt. 
Es dürfte, da kein Wertzeichen angegeben erscheint, 
der Stempelbogen in eine m Werte ausgegeben wor 
den sein, wenn nicht die verschiedenen Farben rot 
und grün — andere Werte bedeuten. Doch konnte im 
Laufe der Zeit mit den Farben auch gewechselt wor 
den sein. 
Ich besaß auch den nächstfolgenden gestempelten 
Bogen mit der Nr. 26, welcher, nach unserem Begriff, 
sich auf der dritten Bogenseite befand; aus dem ist zu 
ersehen, daß je zwei Seiten einen Stempel hatten.
	        
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