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Seite 210 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 14 
Kastilien« allein zwei Bände, und der kritische Apparat 
zu denselben zeigt von tiefster Sachkenntnis und 
wahrem Bienenfleiße. 
Von Raimund sind die Einlagen in fremde Stücke 
naturgemäß von höchster Wichtigkeit. Sie bilden ja die 
Vorstufe zu seinem ersten Drama. Leider sind uns nur 
wenige erhalten zur »Hamlet«-!’arodie, zum »Ver 
wunschenen Prinzen«, zum »Gespenst auf der Bastei«. 
Man findet sie in der trefflichen Ausgabe von G 1 o s s y 
und Sauer abgedruckt. Neu auftauchen wird wohl 
nichts mehr. Näheres hierüber wird in meiner Ausgabe 
der Raimundschen Liebesbriefe zu finden sein, die im 
Herbste erscheint. 
Ich komme zu Nestroy, und nun muß ich, um 
auf besagten Rommel zurückzukommen, von einen; 
»Funde« sprechen, der vor einigen Jahren Aufsehen er 
regte, und mit dem sich Rommel seither in der aufdring 
lichsten Weise brüstet. Es hieß nämlich, Rommel hätte 
zwei Nestroy-Stücke, »Genius Schuster und Markör«, 
eine interessante Vorarbeit zum »Lumpazi«, und »Nur 
keck«, eine schwache Verwandlungskomödie aus 
Nestroys Spätzeit, entdeckt. Als einer der wenigen 
»Wissenden« will ich diese »Entdeckung« beleuchten. 
Im Jahre 1890 haben Ganghofer und Chiavacci 
in zwölf Bänden an die sechzig Komödien des großen 
Satirikers mitgeteilt, und zwar auf Grund der Hand 
schriften, die ihnen die Schwiegertochter Nestroys zur 
Verfügung stellte. Dabei haben sie naturgemäß auch die 
beiden genannten Stücke gesehen, aber als niemals auf 
geführt zurückgelegt, da sie durchaus nicht jede er 
haltene Zeile mitteilen wollten, und ihre Ausgabe daher 
auch bescheiden »gesammelte Werke« nannten. Bei der 
genannten Dame hat sie nun auch Rommel gesehen. An 
der »Entdeckung« der beiden Stücke, von denen ich das 
erstgenannte in meine bei Hesse erschienene Ausgabe 
aufgenommen habe, ist also trotz Rommels Marktschreierei 
kein Sterbenswörtchen wahr. Mit demselben Rechte 
könnte Saue r, der jetzt die reichen Schätze des Grill- 
parzer-Archives mitteilt, von »Entdeckungen« sprechen. 
Dem Schreiber dieser Zeilen sind allerdings zwei 
Nestroy- Funde geglückt. In den WaJ|jshaj§§ er 
sehen Theaterbeständen fand ich unter zahllosem wert 
losen Materiale Nestroys in Graz 1827 aufgeführten 
und seither verschollenen Erstling, den »Zettelträger 
Papp«, und als ich einige Reste der Karajanschcn Biblio 
thek durchmusterte, entdeckte ich das Manuskript von 
»Moppels Abenteuer«. Beide Funde habe ich in einer 
kleineren Arbeit zugänglich gemacht. 
Bauern feld hat seinen dramatischen Erstling, 
den lustigen »Magnetiseur«, bereits 1821 gedichtet. Er 
ist in der »Cikade« abgedruckt, einer Zeitschrift, von 
welcher die Hofbibliothek das einzige erhaltene 
Exemplar besitzt. 
Noch einige Worte über die Frühwerke des letzten 
großen Dramatikers Oesterreichs (und ich darf wohl 
auch sagen Deutschlands). 
Ludwig Anzengruber hat, bevor er mit seinem 
»Pfarrer von Kirchfeld« mit einem Schlage berühmt 
wurde, eine Menge Stücke geschrieben, und die meisten 
derselben in den Wiener Theaterkanzleien erfolglos ein 
gereicht. Fast alle diese Werke sind verloren, und durch 
Druck ist meines Wissens lediglich eine kleine satirische 
Tiefkomödie im Stile von Bauernfelds »Republik der 
Tiere« bekannt geworden, die Otto Erich Deutsch in 
der »Neuen Freien Presse« mitgeteilt hat. Ein anderes 
erhaltenes Frühwerk Anzengrubers führt den Titel 
»Schurzfell und Glacehandschuh«; und behandelt bereits 
tiefgehende soziale Konflikte. 
Gemälde aus der Kollektion Guggenheim. 
Von Dr. Georg Lill (München). 
Den umfangreichsten und wertvollsten Teil der Be 
stände des Signor Guggenheim im Palazzo Balbi, die 
im Erühherbst unter der Leitung von Hugo H e 1 b i n g 
(München) in Venedig zur Versteigerung gelangen, 
machen unstreitig die alten Oelgcmäide aus. Fast aus 
schließlich den italienischen Schulen angehörend, 
dominiert selbstverständlich unter ihnen die venetianische 
Schule. In den nachfolgenden Zeilen sollen die haupt 
sächlichsten Gemälde hervorgehoben werden, deren Zu 
schreibung nach den Angaben des in der italienischen 
Kunstgeschichte sehr kenntnisreichen Herrn Guggen 
heim geschieht. 
Beginnen wir der Bedeutung entsprechend mit der 
venetianischen Schule. Abgesehen von einigen 
kleinerep Werken der Schulen von Venedig und Murano 
aus dem Trecento und dem Quatrocento, ist das früheste 
wertvollere Bild von Bart. Vivarini (1425—1499, 
Fig. 1). Es zeigt nicht mehr die etwas herbere Art der 
Mnranesen, sondern ist schon aus der späteren Zeit des 
Meisters, in der er sich mehr und mehr an die alles über 
ragende Kunst Gianbellinis angeschlossen. Jene fried 
volle, beseligende Kirchenstille, vom Lärm und Streit 
der Straße unberührt, ruht auf dieser Madonna, die so 
heiter und glücklich vor dem grünen Teppich ihr gött 
liches Kind anbetet. 
Aus der folgenden Generation ist an erster Stelle 
Tizian (1477—1576) zu nennen. Ihm wird ein stillvor 
nehmes Biid eines Gelehrten, eines Arztes Antonio 
Caprian aus Mantua, zugeschrieben (vgl. Eig. 2). Er sitzt 
in einem Lehnstuhl und blättert im Hippokrates. Es ist 
ein sehr qualitätvolles Bild. Tizians Vetter, Cesare 
V e c e 11 i o (1521-1601), ist mit einem tüchtigen Porträt 
eines ernstblickenden, schwarzbärtigen Mannes ver 
treten. Bedeutender noch ist Paris Bordoiies (1500 
bis 1571) Porträt Papst Gregors XII., jenes Papstes, der 
nur einen Monat regierte (Fig. 3). Müde sitzt der alte 
Mann in seinem Lehnstuhl. Trotz alledem hat das Bild 
jene wundervolle, repräsentative Haltung, die den Staats 
bildern des Tizian-Kreises eigen ist. Das prachtvolle 
Purpurrot des Schultermantels klingt vortrefflich mit 
dem grünblauen Ton des Vorhanges zusammen, und 
einen ganz eigenartigen Gegensatz zu dem lebenswahr 
erfaßten Mann bildet die stille Landschaft an der Wand. 
Gehen wir ein Lebensalter weiter. Von den beiden 
großen Meistern dieser Zeit finden wir Paolo 
Veronese (1528—1588) mit einer eindrucksvollen Be 
weinung Christi, der Leichnam von zwei Engeln ge 
halten. Sehr dekorativ repräsentiert sich sein Porträt 
einer vornehmen, älteren Venetianerin in grünem Seiden 
kleid. Der große Tmtoretto (1538—1594) bringt das
	        
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