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Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g.
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ich doch, daß diese aus höheren Volkskreisen, wenn man so
sagen darf, Hand in Hand mit der Festtagstracht zum Bauer
herabgestiegene und diesem so sehr zusagende und von ihm
oder eigentlich seinen Handwerkern noch mehr nach seinem
Qeschmacke weitergebildete Mode in der Wohnungseinrich
tung wenigstens im Böhme r w aide noch nicht gar so alt
ist. Der Datierung nach reichen wenige Gewandkasten — diese
haben sich am besten erhalten, weil sie meist auf den Dach
böden stehen — bis in die Zeiten Josefs II. zurück. Dieser An
gabe widersprechen auch die Nachrichten von der schreck
lichen Armut der Böhmerwaldbevölkerung zu jener Zeit, zu
der die Hungersnot von 1772 bloß eine Verschärfung des elen
den Zustandes brachte, gar nicht, denn erst von da an begann
sich der Wohlstand unseres Volkes, allerdings sehr langsam zu
heben.
Die Bemalung erstreckte sich auf sämtliche Stücke der
bäuerlichen Einrichtung, wie sie der Tischler für den »Kam
merwagen« zu liefern hatte, mit alleiniger Ausnahme von
Mehltruhe und Nudelbrett. Die neue Kunst, die gewiß vielfach
auch an Altes anknüpfte, hatte bis 1800 schon bei ailen Meistern
Eingang gefunden, wie sie ja auch beim Volke mit den Ge-
schbchterwechseln auf den einzelnen Bauernanwesen — und
nur bei Gelegenheit eines solchen wurde neue Einrichtung be
schafft — nur Schritt für Schritt Wurzel faßte, so verwandt
sie auch seinem Schönheitsideale war.
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Aber nur nach Jahrzehnten zählte ihre Blüte. Mit dem
Auftreten der wieder aus höherer Schichte herabdrängenden
Renaissancemöbel rückten junge Ehepaare die geblümten
Stücke in die Kammern oder stellten sie auf die Böden. Die
Bauernstuben haben damit ihren malerischen Reiz verloren
und die alte Malkunst unserer ländlichen Tischler hat sich seit
etwa vierzig Jahren buchstäblich auf das Totenbrett zu
rückgezogen.
Der Böhmerwald hat eine reiche Holz-Hausindu
strie; schon aus dem 14. Jahrhundert berichten alte Zoll
verzeichnisse von »Kasten und Truhen mit und ohne Schließ
vorrichtung«, mit denen neben anderen Holzgegenständen in
Südböhmen Handel getrieben wurde. Alt ist die Möbel
erzeugung in Wallern, in welchem Orte bis zur Errichtung
der Fachschule geschnitzte Einrichtung erzeugt wurde, die
ihren Absatz in Wien und in Bayern hatte. Heute zählt Wallern
nicht weniger als zwanzig Tischlermeister, welche eine stän
dige Ausstellung ihrer Arbeiten haben. Ebenso günstig hat die
Fachschule in Bergreichen stein gewirkt, wo ein völlig
neues Holz-Kunstgewerbe geschaffen wurde.
Von Südbayern her, wo 1'ü 1 z ein Hauptsitz alter
Bauernkunst ist, greift neuerer Zeit wieder die Erzeugung be
malter Hauseinrichtung um sich, von der die Ausstellungen
der letzten Jahre frohes Zeugnis gaben. Da ist es gut, daß auch
bei uns noch nicht alle Ueberlieferung verklungen.
Die Sammlung Oppler.
Von A. Brinckmann (Hannover).
* Die Kunstsammlung Oppler gehört in die Reihe
jener, deren Auflösung eine Lücke bedeutet, nicht allein
für die Stadt 11 a n nove r, in der sie Jahrzehnte ein vom
echten Kenner wohl gewürdigtes Dasein führte. Es ist ein
Verlust schlechthin, weil wieder eine Sammlung vom
alten Schlage sich in alle Winde zerstreut, die nicht
spekulatives Interesse noch eine Modelaune zusammen
brachte.
Eine Sammlung liegt hier vor, deren letztes Stück
vor mehr als 30 Jahren von einem in seinem Berufe auch
besonders kunstgewerblich tätigen Architekten er
worben wurde. Kein Wunder, wenn da Dinge ans Licht
der Oeffentlichkeit kommen, die erstaunliche Qualitäten
haben und die bei den naturgemäß im Laufe der Zeit vor
allem quantitativ sich mindernden Schätzen des Kunst
marktes eine angenehme Abwechslung bedeuten. Aller
dings nicht Gegenstände, die von der derzeitigen Mode
des Kunstmarktes am heißesten begehrt werden, wie zum
Beispiel Porzellan, Objekte des 18. Jahrhunderts,
sind es, die Baurat Oppler sammelte, sondern fast aus
schließlich Kunstwerke der Gotik und der Renaissance.
1831 zu Gels in Schlesien geboren, dann auf dem
Polytechnikum in Hannover unter dem Gotiker Haase
geschult, fand Oppler seine eigentliche Ausbildung in
Paris, wo er namentlich zu dem berühmten Violet-le-Duc
in nahe Beziehungen trat. Nicht nur die Hochschätzung
der Gotik wurde hier dem jungen Architekten für seine
künftige Tätigkeit in Hannover rnit auf den Weg gegeben,
sondern vor allem die Violet-le-Ducsche Lehre der
Wahrheit im Material gemäß den vom Bedürfnis auf
erlegten Bedingungen. Und hierin haben dem sich nach
seiner Niederlassung in Hannover bald eines besonderen
Rufes erfreuenden Architekten stets die sein Architektur-
bureau und später sein Heim schmückenden Kunstwerke
die beste Auskunft gegeben.
Man mag über die praktische Verwendbarkeit
gotischer Stilforrnen für die Innenarchitektur und das
Mobiliar eines Hauses heute anderer Meinung sein wie
Oppler, die Geschichte des deutschen Kunstgewerbes
wird seinen Namen stets in Ehren halten müssen. Durch
die nach seinen Entwürfen ausgeführten Arbeiten sowie
durch Wort und Schrift wirkte Oppler, dessen Leben
schon im Jahre 1880 ein allzu frühes Ende beschieden
ward, für die uns so modern anmutenden Bestrebungen
nach handwerklich gesunder und zweckentsprechender
Arbeit.
Die beiden umfangreichen Abteilungen der Holz
arbeiten sowie der Arbeiten in Schmiedeeise n,
die über 25 Jahre die Sammlungen im Leibniz-Haus zu
Hannover zierten, bezeugen, wie es ihrem Besitzer darauf
angekommen war, mit ihrer Hilfe den Handwerkern alter
Zeit die praktischen Kunstgriffe abzulauschen. Neben
schlichten Faltwerk- und Maßwerkfiillungcn von Stollen
schränken oder kleineren Detailstücken von Schränken
1 des 17. Jahrhunderts, die auch heute noch den Schülern
unserer Handwerker- und Kunstgewerbeschulen wert
volles Studienmaterial liefern, neben ebenso sachlichen
wie schlichten eisernen Tür- und Truhenbändern, Griffen,
Schloßblechen und Schlüsseln, die die Opplersche Samm
lung aufweist, sind ganz hervorragende Stücke darunter,
die jeden Kunstgewerbemuseum zur Zierde gereichen.
Neben den Details, denen sich beim Holz Trnhenvordcr-
wände mit trefflich geschnitzten Figurenszenen, bei
Eisen vollständige Schlösser sowie Gitter und
mancherlei anderes Gerät anreihen, sammelte Oppler auch
vollständige Möbel. Besonders hervorzuheben sind ein
französischer Schrank mit Maßwerkfüllungen und ein
Eichenholztisch sowie ein großer Schrank; beide mit
Schnitzereien im Geschmack der niederländischen
Frührenaissance.