Nr. 1
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 7
Kriegstrophäen.
Man berichtet uns aus München:
Das Armeemuseum, das am zweiten Weihnachts
tage wieder eröffnet wurde, bietet eine interessante
Ausbeute an Kriegstrophäen, die von den wackeren
bayrischen Truppen auf dem westlichen Kriegsschau
plätze erbeutet wurden.
Da ist ein automatisches Maschinengewehr
(System des amerikanischen Obersten Levis), das
hauptsächlich zur Verwendung gegen und in Luft
zeugen geeignet erscheint. Es stellt ein leichteres,
für den Handgebrauch konstruiertes selbsttätiges Ge
wehr mit 50 Patronen auf einer Trommel dar.
Durch den Major Roser des 4. Reserve-Infanterie
regiments wurde ein von seiner Kompagnie am 25. Au
gust im Gefecht am Col de Sainte Marie in den Vogesen
eroberter französischer Heliographe deCampagne
M. 09 dem Museum überwiesen. Eine weitere Sehens
würdigkeit bietet ein vom 15. Infanterieregiment er
beuteter französischer Infanteriebrustschild. 50 mit
solchen Harnischen ausgerüstete Franzosen versuchten
am 11. November einen Überfall beim Wäldchen bei
Herbecourt. Der Brustschild zeigt den auf 150 Meter
abgegebenen tödlichen Brustschuß, beiderseits die
Spuren abgeglittener Einschüsse. Ebenfalls vom I. A.-K.
stammt ein von Major v. Weinreich selbst abgerissenes
Stück der Kapitulationsflagge vom Fort Manon-
villers. Das 3. Bataillon des Reserve-Infanterie
regiments Nr. 12 hat eine Sammlung von Amuletten
der Senegalschützen eingesandt, welche am
24. Oktober auf die 9. Kompagnie in der Stärke von
800 Mann einen Angriff unternommen hatten. Bei den
200 vor der Front tot liegen gebliebenen Schützen
fanden sich allerlei wunderliche Gegenstände von
religiöser Bedeutung, wie Armringe, Kaurimuscheln,
Säckchen in der Art unserer Brustbeutel mit geweihter
Erde usw.
In einem Glaskasten dürfte das englische kurze
Lee-Enfield-Gewehr M./1903 mit Seitengewehr und
Munition ein besonderes Interesse erregen. Es hat
Zylinderdrehverschluß und Mittelschaftsmagazin mit
abnehmbarem Kasten für 10 Patronen. An der rechts
in der Hülse angebrachten Sperre (Einrichtung für
Einzelfeuer) befindet sich in dem Röhrchen die Vor
richtung zum Herstellen von Dum-D um-Geschossen
durch Abbrechen der Spitzen). Die Visiereinrichtung
besteht aus einem Nahvisier (Gleitkurvenvisier von
180 bis 1800 Meter) und einem seitlichen Fern visier
(Diopter) von 1400 bis 2600 Meter. Die Kimme ist durch
Schrauben zum Ausgleich des Windeinflusses verstellbar.
Kaliber 7'71 Millimeter, ganzer Handschutz. Es ist
die kürzeste der modernen Infanteriehandfeuerwaffen,
L13 Meter (gegen L25 Meter deutsches Infanterie
gewehr M. 98), mit der Bestimmung als Einheitswaffe
für alle Waffengattungen zu dienen.
In den Nischen der Kuppelhalle fallen zwei mächtige
und sehr geschmackvolle Wanddekorationen, her
gestellt aus einzelnen Teilen des französischen
Gewehres sowie ein gleichartiger Stern auf. Diese
Stücke sowie die im Erdgeschoß befindliche englische
Feldkanone M. 1904 (18 Pfund) mit Protze und die
an den Pfeilern der Kuppelhalle aufgebauten franzö
sischen Artilleriegeschosse, Kaliber 31—63 Zentimeter,
wurden vom Generalkommando 1. b. Res.-A. K. dem
Museum überwiesen.
Von den Säulen der durch Entfernung der Fenster
blenden an der Westseite lichtgewordenen Kuppelhalle
wehen neben den im gegenwärtigen Kriege eroberten
Fahnen vier vom 6. bayrischen Infanterieregiment
erbeutete alte französische Fahnen, in denen
die Regimentsgeschichte der französischen Jäger zu
Fuß verkörpert ist. Die Trophäen wurden in der Kaserne
der Chasseurs ä Pied in Chauvoncourt (St. Mihiel)
erbeutet und an das Armeemuseum abgeliefert. Am
rechten Flügel hängt das älteste Stück aus der Zeit
Ludwigs XVIII. Das Blatt zeigt ein weiß eingefaßtes
schwarzes Kreuz auf rotem Grunde und goldenen Lilien;
die Inschrift lautet: aut vincere aut mori. (Entweder
siegen oder sterben.)
Es folgt eine Streifenfahne in den französischen
Farben mit dem Namenszuge Louis Philipps. Als
Spitze dient der gallische Hahn, auf der das Wort
„France“ tragenden Kugel. Inschrift der Vorderseite:
Le Roi des Francais aux Chasseurs ä Pied; der Rückseite:
Honneur et Patrie.
Die dritte Fahne hat in den Ecken das L. N. und
als Spitze den Adler. Die Vorderseite lautet: Louis
Napoleon, die Rückseite: R. F„ darunter die Schlachten
namen in Algier und Italien: Monzaia 1840, Isly 1844,
Fedjenna 1845, Rome 1849, Zaatcha 184':.
Die letzte Fahne stammt aus der Kaiserzeit. Die
Widmung lautet: L’empereur Napoleon; auf der Rück
seite liest man die Worte: „Valeur et Diseipline“.
Haager Porzellan.
In der letzten, am 14. Dezember v. J. abgehaltenen
Sitzung der Archäologischen Gesellschaft in Amster
dam hielt der Museumsdirektor Dr. H. E. van Gelde einen
interessanten Vortrag über die Geschichte des Haager Por
zellans, die bekanntlich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts
zurückreicht.
Der Gelehrte führte aus: Die im Haag im Jahre 1776
errichtete Porzellanfabrik war nicht die erste im Lande; älter
als sie ist die von und für Amsterdamer Regenten 1764 im
Weesp bei Amsterdam gegründete. Es gehörte im 18. Jahr
hundert zu dem notwendigen Dekorum eines Hofes, eine
Porzellanfabrik zu unterhalten; der Hof im Haag durfte natür
lich nicht zurückstehen, zumal da ihm die Amsterdamer Patri
ziergeschlechter, zu denen man im Haag immer in einem ge
wissen Gegensatz stand, schon zuvor gekommen waren. Außer
dem versprach man sich auch finanzielle Vorteile von einer
solchen Unternehmung. Nun ist die Gründ ung der Haager Manu
faktur nicht direkt vom Hofe ausgegangen, aber der Statt
halter Wilhelm V. und seine Familie waren doch daran be
teiligt. Er zeichnete selbst als erster verschiedene Anteile und
die Herren, die den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft der
Haager Fabrik bildeten, standen dem Hofe sehr nahe. Unter
den Bestimmungen, die auf den noch erhaltenen Obligationen
abgedruckt sind, ist eine sehr merkwürdige, nämlich die, daß
die Erzeugnisse der Fabrik um 33 Prozent, also ein Drittel
billiger, verkauft werden mußten, als die Meißener Fabrikate;
den praktischen Zweck, dem deutschen Porzellan Konkurrenz
zu machen, verlor man also nicht aus dem Auge.