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Internationale Satnmler-Zeitung
Nr. 4
erschienene Führer durch sein Museum, der zugleich
ein ausgezeichnetes Handbuch der Geschichte des Kunst
gewerbes darstellt.
Die persönliche Erscheinung Brinckmanns ist den
Kunstfreunden durch Max Lieber in anns großes Bild
in der Hamburger Kunsthalle vertraut, den Profes
sorenkonvent, in dem Justus Brinckmann als Sprecher
dargestellt ist. *
S*C *
Brinckmann und die Gudewerth-Truhe.
Brinckmann pflegte unter den vielen Auktionen, die
er besucht hatte, die Versteigerung der Sammlung Froh ne,
die im Jahre 1908 in Kopenhagen stattfand, als die seltsamste
zu bezeichnen. Die Sammlung an sich war wenig bedeutend,
von besonderem Wert war jedoch eine Truhe, die von
dem von Brinckmann zuerst festgestellten und als
Meister der flötespielenden Hasen eingeführten Holzschnitzer
Gudewerth herrührte, und die Brinckmann für sein Museum
erwerben wollte. Um zu verhindern, daß die Truhe außer
Landes gehe, hatte man schon Wochen vorher in Dänemark
Gelder gesammelt, die jedoch die erforderliche Höhe nicht er
reichten. Damals trat auch die ,,Kippe“, der Ring von Kunst
händlern, der bei fast allen Versteigerungen hinter den Kulissen
zu arbeiten pflegt, öffentlich auf; die Zeitungen brachten
regelrechte Berichte über die Nachversteigerungen der Kippe,
die sich bei dieser Versteigerung auch mit den Museumsleitern
glänzend vertrug, die sich übrigens auch über ihre Wünsche
vorher verständigt hatten. Am letzten Tage der Auktion sollte
die Truhe versteigert werden. Die Spannung in Kopenhagen,
ob das Stück dem Lande erhalten bleibe, war aufs höchste
gestiegen. Kurz vorher begab sich der Leiter des Kopenhagener
Kunstindustriemuseums, Emil Hannover, zu Brinckmann
und bat ihn, von dem Kauf Abstand zu nehmen. Brinckmann
sagte zu und erschien nicht bei der Versteigerung. Dort glaubte
man an eine Verspätung und schob den Verkauf Stunde um
Stunde hinaus, bis schließlich das Stück doch ausgeboten werden
mußte und dem Kopenhagener Museum zufiel.
Zum Dank dafür bekam Brinckmann vom Kopenhagener
Museum und von der Kippe, die bei dieser Gelegenheit die
Hochachtung der Kunsthändler vor dem Senior der Museums
leiter zum Ausdruck bringen wollte, wertvolle Geschenke für
sein Museum, dabei ein frühes Stück Straßburger Porzellan
und einen Steinzeugkrug mit dem Metternichschen Wappen,
der aus der Werkstatt der nach Höhr ausgewanderten Sieg-
burger Töpferfamilie Knutther stammte, so daß er trotzdem
mit Neuerwerbungen nach Hamburg zurückkehrte.
L
Die Kriegstechnik im Museum.
Der jetzige Völkerkrieg steht im Zeichen von Wissen
schaft und Technik. Wie in keinem Kriege der Ver
gangenheit wendet jedermann allen Fragen der Kriegs
technik die regste Aufmerksamkeit zu und versucht
selbst, noch im Fluß befindliche Probleme auf ihre Aus
nutzbarkeit als Kampfmittel zu prüfen. Im kleinen
zeigt sich diese Erscheinung auch im Deutschen
Museum in München. Der Krieg hat, wie wir den
„Münchener Neuesten Nachrichten“ entnehmen, die
Besucherziffer vermindert, dafür aber das Interesse
der Besucher auf Dinge gelenkt, an denen sie in Friedens
zeiten achtloser vorüber gingen. Früher waren es die Ab
teilungen: Bergbau, Akustik, Optik, Astronomie usw.,
die die höchste Besuchsziffer auf wiesen. Jetzt wenden
sich die meisten Besucher in die Säle, in denen an
Originalen, Modellen und Demonstrationseinrichtungen
die Entwicklung der Panzerplatten, die Herstellung der
Granaten gezeigt wird. Die Verkehrsabteilung findet
erhöhte Beachtung, besonders aber die Säle, in denen die
Kriegsschiffe, die Torpedos und Minen nebst den
Unterseebooten ausgestellt sind.
Die Entwicklung der modernen Schlachtflotten ist
auf das engste verquickt mit dem Werdegang der
Panzerplatten. In Raum IV wird das Urmaterial
veranschaulicht, dem wir fast ausschließlich die Fort
schritte im Bau der Schutz- und Trutzwaffen zu danken
haben und das dem 19. Jahrhundert zu dem Namen
„Eisernes Zeitalter“ verhalf. Am Eisen knüpft sich der
Name Friedrich Krupp; er war es, der dem Metall seine
Geheimnisse erlauschte, der es umwandelte zu jenem
Stahl, der den Bau der 42 cm-Mörser ermöglichte.
Die ausgestellten Objekte beantworten uns die gar
nicht einfache Frage: „Was ist Eisen, was ist Stahl?“
Eisen als solches ist ein Grundstoff, ein reiner Körper,
frei von allen Verunreinigungen. Das chemisch reine
Eisen spielt in der Technik keine Rolle; sie versteht unter
„Eisen“ keinen Grundstoff (Element), sondern eine
Legierung, eine Verschmelzung, deren Hauptbestandteil
zwar der Grundstoff Eisen bildet, neben dem aber viele
sogenannte Verunreinigungen, zum Beispiel Kohlen
stoff, Mangan, Phosphor (vergleiche in Saal 41 bis 43)
Vorkommen. Dieses technische Eisen zerfällt in unzäh
lige Arten; zunächst in Guß- und Schmiedeeisen. Letzte
res bildet das Hauptkonstruktionsmaterial der Waffen
technik; es wird durch mehr oder minder verwickelte
Prozesse, über die vielen Objekte in Saal 4 — Flamm
öfen zum Puddelverfahren, Bessemerbirne zum Bes
semerprozeß — orientieren, gewonnen.
Ausschlaggebend für die Verwendung des Eisens,
beziehungsweise Stallles zu Geschützrohren, Panzer
platten ist sozusagen der innere Aufbau, das durch das
Mikroskop sichtbare Kleingefüge des Materials. Be
trachten wir die einzelnen Eisenstücke an ihren B uch-
flächen usw., so ist zu bemerken, daß wir es nicht mit
einer einheitlichen gleichmäßigen Masse, sondern mit
einem wirren Durcheinander von mehr oder minder
feinen Körnchen (Kristallen) zu tun haben. Durch man
nigfache Verfahren kann der körnige Zustand erheblich
verändert werden. Und auf einer solchen Veränderung
basiert die Erfindung Krupps, die im Zeitenlauf ver
bessert, zur Fabrikation der 42 cm-Geschütze führte.
Das Geheimnis des Stahles liegt in der Mikroskopie des
Materials und diesen Wissenszweig der Eisentechnik,
der unter dem Namen „Metallographie“ bekannt ist,
veranschaulichen die ausgestellten Originale, Zeichnun
gen usw.
In Saal 5 sind die Panzerplatten. Die Entwicklung
des Panzers setzte nach dem Krimkriege ein; die zuerst
aufgekommenen einfachen, schmiedeeisernen Platten
tauschte man nach einigen Übergängen durch die
Kompoundpanzer aus. Wir sehen bei den ausgestellten
„Kompounds ', wie eine Stahlplatte mit einer weichen
Walzeisenplatte fest verbunden ist. Den Sieg in der
Herstellung der Panzer trug wieder Krupp davon;
im Nickelstahlpanzer, der eine außerordentlich harte
Oberfläche, große Festigkeit und doch hohe Elastizität
aufweist, scheint vorläufig das Beste geschaffen zu sein.
Ein Blick auf die Beschußproben ergibt den Grad