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Nr. 6
Internationale Sammler- Zeitung
Industrie in Wien, 50.000 Zinnsoldaten aus der
Privatsammlung des Finanzrates Dr. Heinrich Werner
zu sehen sein; die Zinnsoldaten werden unter Verwendung
von entsprechenden, in der Kunstgewerbeschule hergestellten
Terraindarstellungen zu Schlachtszenen aus dem Altertum,
dem Mittelalter, der neuen und neuesten Zeit gruppiert
sein. Auf diese Weise werden unter anderem dargestellt
sein: Trojanischer Krieg, Hunnenschlacht auf den kata
lanischen Feldern, Kreuzzugkämpfe, Entsatz Wien 1683,
Schlachten aus dem Siebenjährigen Krieg und den napo-
leonisclien Feldzügen, aus dem Deutsch-Französischen Krieg
1870/71, aus der bosnischen Okkupation und von den gegen
wärtigen Kriegsschauplätzen. Um dem heimischen Zinn
gießergewerbe künstlerische. Anregung zu geben, wurden
ferner in der Bildhauerschule des Professors Josef Brei tn er
(Kunstgewerbeschule) auf Grund photographischer Aufnahmen
aus dem Weltkriege 1914/15 eine Reihe von Soldatentypen
und Kriegsszenen geschaffen, die mit den Herstellungsmitteln
zur Ausstellung kommen. Der Eintrittspreis wurde mit
40 Hellern für Erwachsene und 20 Hellern für Kinder fest
gesetzt. Am Eröffnungstage und am 24. d. wird ein Ein
trittsgeld von 1 Krone eingehoben. Es ist zu erwarten, daß
nicht nur die Wiener Schuljugend, sondern alle Kreise der
Bevölkerung diese interessante Ausstellung besichtigen werden,
die in Wien ohne früheres Beispiel ist. Sie wird täglich von
9 bis 12 Uhr und von 3 bis 6 Uhr geöffnet sein.
(Ausstellung graphischer Werke von Karl Brocky.)
Der ,,Pester Lloyd“ schreibt: Die graphische Abteilung des
Museums der Schönen Künste hat das von Baron Franz Hat-
vany als Geschenk erhaltene, aus Aquarellen, Feder-, Kreide-
und Bleistiftzeichnungen bestehende, etwa hundertundfünfzig
Stück umfassende graphische Werk Karl Brockys nunmehr
der öffentlichen Besichtigung preisgegeben. Der Künstler, der
von 1807 bis 1855 gelebt, in Wien und England gewirkt und es in
Londoner aristokratischen Kreisen zu hohem Ansehen gebracht
hat, kommt jetzt mit einem Teil seines nicht allzu umfang
reichen Werkes in die früh verlassene Heimat zurück. Wir
haben Grund, uns des späten Wiederfindcns zu freuen, obwohl
es ein Fremder, nicht ungarisch Fühlender und Sehender ist,
den wir wiedergeflinden haben. Die Aquarelle Brockys (sie sind
das Wichtige an der Sammlung) sind so sehr englisch, daß
manche geradezu wie Farbenstiche nach englischen Meistern
des achtzehnten Jahrhunderts wirken. Landschaft, Figuren
und Tracht, Komposition und Koloristik einzelner Blätter
(29 a, 31 a) zeigen die charakteristischen Züge des fürs Pastorale
eingenommenen englischen Dixhuitieme. Wenn uns gerade
diese Blätter als die reizvollsten erscheinen, so haben wir damit
innerlich dem Künstler bereits Stelle und Rang innerhalb
seiner malenden Generation angewiesen. Starke Eigenart,
eine ausgeprägte Künstlerphysiognomie vermochten wir auch
in den Federskizzen, die in dieser Hinsicht sicheren Aufschluß
zu erteilen pflegen, nicht wahrzunehmen; dafür lernten wir
einen technisch sehr weit gekommenen, mit der Farbe und dem
kleinen Pinsel sinnvoll hantierenden Liebhaber intimer kolo
ristischer Effekte kennen. Der aus kleiner Distanz edelstein
artig glühende Farbenakkord Weiß-Rot-Schwarz (Mädchen
und Blumen, Nr. 20) mit dem Kontrapunkt Grün zeigt nicht
nur den virtuosen Techniker; er gibt eine Probe auch von dem
romantischen Lyriker. Andere Blätter, das sympathische
Selbstporträt Nr. 18, die Bildnisse 32 a, 32 b, besonders aber
die Kopien nach Rembrandt, die den nach gedunkelten Goldton
Rembrandtscher Porträts und Gruppenbilder erfolgreich in die
V asserfarbe übersetzen, sind wieder mehr minder Spiel mit
den Möglichkeiten der Technik. Den Zeichner Brocky lernen
wir am besten an den Kreidezeichnungen (88 bis 97) kennen.
Leichte Hand, Schwung und Grazie ist auch hier eher zu finden
als Selbständigkeit. Ein Kinderbildnis in Öl (Nr. 1) zeigt, ohne
irgendwie zu interessieren, gute Qualitäten.
(Die bestohlenen Kirchen in Ostpreußen.) Das
Königliche Konsistorium in Königsberg hat jetzt ein Ver
zeichnis der kirchlichen Wertgegenstände zusammengestellt,
die bisher im Kriegsgebiet geraubt worden sind. Unter den
Gegenständen sind mehrere wertvolle Goldschmiedearbeiten
alter Zeit. So wurde in der Kirchengemeinde Molthainen
aus der Diözese Gerdauen außer zwei kleinen Leuchtern eine
kleine Patene aus dem 15. Jahrhundert geraubt, in der Kirchen-
gemeinde Lamgarben, Diözese Rastenburg, ein silber-ver-
goldeter Abendmahlskelch aus dem 16. Jahrhundert und ein
Kranken-Kommunionsbesteck. In Gr. Engelau, Diözese
Wehlau, verschwanden gleich sämtliche Abendmahls- und
Taufgeräte. Besonders schlecht weggekommen ist auch Schwen-
tainen in der Diözese Orteisburg. Hier wurden gestohlen:
zwei Paar silberne Armleuchter, ein silberner Kelch, eine
Hostiendose, eine Patene, eine Weinkanne, Kranken-Kom-
munionsgeräte, zwei Altarkruzifixe. Tn Orteisburg selbst
sind die Abendmahlsgeräte und ein Krankem Kommunions-
besteck fortgekommen. Insgesamt handelt es sich um 21 Kir-
chengcmcinden, die beraubt worden sind. Man hat genommen,
was man kriegen konnte: Taufkannen, gestickte Velen,
Abendmalilskannen, Hostiendosen, Kruzifixe, Oblatenteller
und -büchsen, versilberte Ziborien, kurz das ganze wertvolle
Ausstattungsgerät der Kirchen. Meist handelt es sich um
kleinere Gemeinden. In den größeren war es natürlich eher
möglich, die Gegenstände zu schützen oder in. Sicherheit zu
bringen.
(Schweizerkunst und Kunstgewerbe.) In der letzten
Sitzung des Vereines für Deutsches Kunstgewerbe in Berlin
sprach, wie uns von dort berichtet wird, Dr. Rudolf Bernoulli
vom Berliner Kunstgewerbemuseum über den gegenwärtigen
Stand der bildenden Kunst in der Schweiz. Der Vortragende
führte aus: Das politische Staatengebilde der Schweiz umfaßt
drei sprachliche Bestandte le, das Deutsche, darnach das
Französische und endlich das Italienische, ohne daß diese
drei sich gegenseitig befehden. Sie ergänzen sich zum National
schweizerischen. das über jedes dieser drei Bestandteile hinaus
eine grundsätzliche Einheit bildet. So ist die Schweiz als Einheit
nationa'istisch und als Mehrheit international. Dieses Verhältnis
spiegelt sich auch in der gegenwärtigen Kunst der Schweiz.
Der Sinn für das Schlichte, Nüchterne zum Beispiel zeichnet
die gesamte Schweizer Architektur von jeher aus; daher fand
die neudeutsche Baukunst, deren Streben auf Klarheit und
Zweckdienlichkeit ausgeht, in der Schweiz so ungehemmten
Widerhall. Ein Gleiches gilt für das Kunstgewerbe. In der
Plastik fehlt es der Schweiz an einer besonderen Tradition,
und es zeigt sich auf diesem Gebiet am deutlichsten die Mehrheit
der schweizerischen Nation. Rodin und Maillol wirken aus
Paris herüber; die Münchener beherrschen die dekorative
Skulptur; und merklich macht sich auch der Klassizismus
der italienisch-römischen Schulung geltend. Die Malerei
hinwieder neigt in der Schweiz weder ausgesprochen nach
Deutschland hin, noch nach Paris oder Italien, ln der Malerei
war die Schweiz immer originell; ihre großen Meister der Neuzeit
waren Einzelne, die wohl Schüler hatten, die aber zusammen
hie recht eine einzige Schule bildeten. Neben dem ,,Schweizer
Manett Frank Buchser stand Böcklin, der phantasievolle
Erzähler; und neben Segantini, dem Darsteller der durchsich
tigen Alpenluft, steht Hodler. Kodier verdankt seine Stellung
seiner Schweizer Eigenart sowohl wie seiner Internationalität.
Deutsch mutet seine Vorliebe für plastischen Gesichtsausdruck
an. Pariseriscli ist seine farbige Schulung, germanisch dagegen
wieder sein Symbolismus, romanisch die logische Schärfe,
mit dei er seine Lehren zum Ausdruck bringt, wie zum Beispiel
den Gedanken des Parallelismus, der den Vortragende mit
Wagners Lehre vom Leitmotiv verglich, der den Referenten
abei mehr noch an den Präraffaelitismus des Engländers
Burne-Jones erinnert.