Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
7. Jahrgang. Wien, 1. Mai 1915. Nr. 8.
Braunes Alt-Wiener Porzellan.
Von Professor Dr. Berthold König (Göding)
Die im Jahre 1717 durch den gelehrten Nieder
länder Claudius Innocentius Du Paquier in Wien
gegründete Porzellanfabrik war bis zum Jahre 1744
ein Privatunternehmen geblieben und hatte als solches
niemandem Rechnung zu legen oder Berichte zu er
statten, so daß wir nur sehr wenige Aufzeichnungen
über die Erstprodukte Alt-Wiener Porzellans vorfinden.
Schreibt doch schon Sorgenthal, der Direktor der
Wiener Porzellan-Manufaktur (1784—1805) mit inni
gem Bedauern, daß keinerlei Nachrichten von Du
Paquier über das künstlerische und technische Personal
und ihre Arbeiten vorhanden seien. Eine aus dem
Jahre 1724 stammende Liste von Wiener Porzellan-
Erzeugnissen ist uns doch erhalten, in welcher jene
nummern 7 und 11, die nach den Forschungein von
Folnesics und Braun etwa in das Jahr 1775 weisen.
Zugleich mit dieser Schokoladetasse zeigt die
Abbildung (Fig.l) links und rechts je eine braune
Teeschale, die zufolge ihrer Masse und ihres Dekors
als alte chinesische Originale und Vorlagemuster für
den in der Mitte abgt bildeten Schokoladebecher gelten
müssen.
Schokoladebecher und Untertasse ist ganz so wie
die beiden Musterschalen nur an der ganzen Außenseite
einfärbig schokoladebraun glasiert, die Unter- und
Innenseite der Gefäße besitzt die gewöhnliche weiße
Porzellanglasur, die bei dem Alt-Wiener Stück nur durch
unterglasur blaue chinesische Muster geziert ist, während
Fig
Musterstücke näher bezeichnet sind, die der Stadt
Nürnberg, wo sich Du Paquier mit einer Filialfabrik
niederlassen wollte, übersandt wurden.
In dieser Aufstellung finden sich „ein paar braune
Teeschalen mit Silber und Blau“. Wie diese „braunen“
Porzellane aussahen, darüber kann man bisher noch
nichts Bestimmtes aussagen. Herr Direktor Dr. E. W.
Braun in Troppau, der anerkannt größte Forscher
auf diesem Gebiete der Frühzeit der Alt-Wiener-Manu-
faktur, erwähnt die Möglichkeit, daß diese braune
Ware vielleicht in der Art der braunen Böttcher-Stcin-
zeuge auch in Wien gemacht wurde. Da uns aus dieser
Frühzeit kein braunes Stück erhalten ist, kann man
diesbezüglich für das erste Dezennium keine Ent
scheidung fällen. Aber in meiner Sammlung befindet
sich ein brauner Schokoladebecher samt Untertasse
mit Bindenschild in. Unterglasur blau und den Maler-
1.
die ostasiatischen Vorlagen neben diesem Blau auch
noch eisenroten Dekor zeigen. Die Ähnlichkeit zwischen
dem Alt-Wiener Produkt und den zur Seite stehenden
asiatischen Porzellan-Schalen ist sehr weitgehend. Der
Schokoladebecher macht den Eindruck, daß er im
Jahre 1775 als ein Ersatzstück für ein zerbrochenes
Becherl eines älteren Services erzeugt wurde.
Ich glaube aus dem Vorhandensein dieser braunen
Alt-Wiener Produkte mit einem gewissen Grade von
Wahrscheinlickeit darauf schließen zu können, daß die
im Nürnberger Brief vom Jahre 1724 erwähnten braunen
Porzellane nicht in ihrer ganzen Masse gefärbte
'Stücke nach dem Muster des Böttcher-Steinzeirges
waren, sondern nur an ihrer Außenseite braun glasiert,
im Innern blau und silbern und vielleicht auch außen
mit Silber verziert wurden. Tatsächlich konnte bisher
kein Steinzeug „Alt-Wiener“ Herkunft aufgefunden