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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
8. Jahrgang. Wien, 1. Oktober 1916. Nr. 19.
Altes Edelglas.
Eine Auktion, die in den Kreisen der Glassammler
mit Freude begrüßt werden wird, kündigt die Galerie
Helbing in München an. Noch in diesem Monate
wird dort die Sammlung des Stuttgarter Architekten
Philipp Schwarz versteigert werden, die internatio
nalen Ruf genießt und mit Recht zu den Sehens
würdigkeiten der württembergischen Residenz gezählt
wurde.
Anläßlich dieser Versteigerung erschien ein sehr
beachtenswerter, vom Besitzer selbst mit ungewöhn
licher Beherrschung des einschlägigen Gebietes be
arbeiteter Katalog mit fünfzehn vortrefflichen Licht
drucktafeln und zahlreichen Textabbildungen, zu dem
einer der besten Kenner, Professor Pazaurek vom
Stuttgarter Gewerbemuseum das Vorwort geschrieben
hat.
Professor Pazaurek macht da über Philipp
Schwarz und dessen Sammlung folgende interessante
Angaben: Architekt Philipp Schwarz, der erst vor
nicht ganz einem Dezennium nach Stuttgart zog,
stammt aus Prag und in dieser Hauptstadt des seit
Jahrhunderten in der Glaserzeugung und Glasver
edlung besonders berühmten Landes, wo unter dem
Kunstsinn Kaiser Rudolfs II. der Glasschnitt durch
den westfälischen Edelsteinschneider Kaspar Lehmann
wiedererfunden wurde, laufen viele Fäden zusammen,
die die alte Tradition lebendig erhalten, abgesehen
davon, daß das Prager Kunstgewerbemuseum die
lehrreichste Gläsersammlung des Kontinentes besitzt.
Im Gegensatz zu Venedig, das die Glashüttentechnik
und Chemie zur höchsten Blüte gebracht, pflegte
Böhmen mit Vorliebe die Malerei und Vergoldung,
Schliff, Kugelung und Schnitt, also das Raffinieren
außerhalb der Glashütte, das noch heute seine Stärke
ausmacht. Und namentlich im Glasschnitt gehen alle
bemerkenswerten Gruppen unmittelbar oder mittelbar
seit drei Jahrhunderten auf Deutschböhmen, Iscr-
und Riesengebirge, wie den Böhmerwald — zurück,
wenn auch Nürnberg, Warmbrunn, Potsdam, wie
Bayern, Thüringen, Sachsen, Hessen, Braunschweig
bis nach Holland hinüber allmählich ihre besonderen
Spezialitäten und hervorragende Vertreter heraus
gebildet haben. So steht auch in obiger Sammlung
das geschnittene Glas in allen seinen Abarten im
Vordergründe. Einzelne Arbeiten stehen Kaspar Leh
mann und seinem später nach Nürnberg rückgekehrten
Schüler G. Schwanhar sehr nahe, anderes stammt
vom ersten bekannten, noch in die ersten Jahre des
18. Jahrhunderts reichenden Isergebirgler J. Chr.
Kahl. Die ersten Potsdamer Glasschneider Spiller
und Winter fehlen ebensowenig, wie anderes mit dem
Nürnberger H. Schwiner und G. E. Kunkel oder
dem schlesischen Hauptmeister Ch. G. Schneider
zusammenhängt. Neben solchen Hauptstücken gibt es
aber eine ganze Reihe von ebenfalls guten, charakte
ristischen Beispielen aus diesem und anderen Glas
produktionsgebieten, die auch vielen kleineren Museen
zur Zierde gereichen könnten, meist in tadelloser Er
haltung und was sonst leider nicht der Fall ist, ge
wöhnlich mit den dazugehörigen alten Deckeln.
Aber die Sammlung Schwarz ist nicht einseitig.
Auf verschiedenen Reisen, die der Besitzer bis nach
Spanien und nach dem Orient führten, wie durch
ausgedehnte Privatverbindungen, ist es ihm gelungen,
Gläser aller Art (die weniger durch vorausgegangene
Auktionen bekannt sind) zu erwerben, so daß kein
wichtiges Produktionsgebiet und kaum eine nennens
werte Technik fehlt. Die Antike ist durch einige im
Orient gekaufte Gläser vertreten. Unter den orientali
schen Arbeiten zählen verschiedene Schnupftabak
fläschchen zu den besten ihrer Art. Aus Venedig,
der besten Renaissancezeit, wie aus dem 17. und
18. Jahrhundert sind zarte Flügelgläser, gute Faden
glasarbeiten und dergl. vorhanden, desgleichen Alt-
cassler Stücke nach Venetianer Art rmd Diamant
gerissenes, vor allem ein schöner Pokal aus Hall in Tirol.
Das deutsche Waldglas des ausgehenden Mittel
alters repräsentiert sich ebenso gut, wie einige cha
rakteristische Proben deutscher Email- und Lack
malerei aus der besten Zeit sowie der Schaper- und
Preusslerschule. An Farbengläsern ist auch kein Mangel,
auch Ivunkels Goldrubin ist vorhanden. Eine be
sondere Gruppe bildet das Bein- und Opalglas,
zum Teil Imitation von frühem Porzellan und vielfach
auch Arbeiten deutscher Porzellan-Hausmaler der
„Fernergruppe“, die man erst später zu würdigen
wissen wird. Verschiedene Gläser mit radierter Außen-
und Zwischenvergoldung leiten hinüber zur Gruppe
der Hinterglasmalereien, schließlich zu den Glas
silhouetten.
Das 19. Jahrhundert hat man nun auch in seiner
staunenswe ten Vielseitigkeit besser zu schätzen gelernt.
Von den Steingläsern (Hyalith vom Grafen Bouquoi
in Gratzen und Lithyalin von F. Eggermann,