Nr. 18
Internationale Sa m mler-Zeit ung
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Partie der berühmten Autographenkollektur des Alois
Fuchs mit den bedetrtendsten Musikerbriefen und
Musikmanuskripten (Bach, Beethoven, Chopin,
Gluck, Haydn, Mozart, Rousseau, Schubert
und andere) an. Nicht weniger bedeutend war die
Sammlung des im Jahre 1886 verstorbenen Kapell
meisters am Theater an der Wien, Adolf Müller sen ,
mit einer großen Anzahl von Briefen und Handschriften
von Beethoven, Haydn, Liszt, Mozart, Schu
bert, Wagner, Goethe, Grillparzer, Körner,
Raimund, Therese Krones und anderen. Von eben
solcher Wichtigkeit waren die in den späteren Jahren
von der genannten Firma veranstalteten Autographen-
versteigerungen, wie die der an Redakteur Bernard
gerichteten Briefe Beethovens aus der tragischesten
Zeit des großen Meisters.
Im Jahre 1918 brachte ich eine Sammlung zur
Versteigerung, die wegen ihrer literarischen Bedeutung
berechtigtes Aufsehen erregte, zumal sie weder in ihrer
Gänze noch im einzelnen bekannt und literarisch noch
unbenützt war. Aus dem Besitze einer bekannten Alt-
Wiener Patrizierfamilie stammend, umfaßte die Samm
lung die Bestände aus den Kollektionen der Schrift
steller J. F. Weigel (1794 bis 1865) und K. E. Bauern-
schmid (1801 bis 1875), an die sich die Sammlung
der Frau Helene Sueß-Rath (1840 bis 1915) anschloß.
Die Sammlungen Weigel-Bauernschmid enthielt eine
große Serie von für die Alt-Wiener Literatur- und
Theatergeschichte wuchtigen Autographen, die auch
den damaligen Verhältnissen entsprechende hohe
Preise erzielten. So brachten Briefe Beethovens 700,
820, 960 K ein, Musikmanuskripte von demselben
K 3200, ein Gedicht von Goethe K 880, eine Jugend
arbeit von Grillparzer K 1150, ein Brief von Haydn
K 530, ein Brief von Andreas Hofer K 1150, ein Brief
der Therese Krones K 300, ein Stammbuchblatt von
Lenau IC590, ein Gedicht desselben K 1250, ein kleines
Billett von Mozart K 520, ein Gedicht von Raimund
K 910, ein Brief von Schiller K 1400, ein Brief von
Schubert K 920, ein Brief Goethes an Grüner,
K 530, ein Brief Wallcnsteins K 750, ein Musik
manuskript von Schubert K 3300 usw. Wie auf allen
Sammelgebieten haben die Verhältnisse, der Mangel
an Objekten, ihre Verteuerung, den Universalsammlern
ein Halt zugerufen; es trat allmählich eine Spezialisie
rung ein, die es Händlern und Sammlern möglich ge
macht hat, ihr Augenmerk auf einzelne Hauptstücke
zu werfen, was gleichzeitig dazu beigetragen hat, Ge
schmack und Verständnis für bedeutende Piecen zu
läutern. Das Autograph oder, wenn man lieber will,
das Autogramm, ist der einzige Sammelgegenstand,
der, als an eine bestimmte Person gerichtet, eigentlich
immer ein Unikum, ein Objekt sui generis darstellt.
(Selbst ein Bild muß nicht immer die „Originalhand
schrift" des Künstlers zeigen; wir wissen, daß Maler
von geschätzten Bildern zahlreiche eigenhändige Kopien
anfertigen, von denen man nicht immer feststellen kann,
welches das wirkliche Original ist.) Die Bedeutung
dieses Unikums an sich erhöht sich durch die Wichtig
keit seines Inhaltes, von allen anderen Nebenumständen
wie Erhaltung, Vollständigkeit, Adressat usw. abge
sehen. Ihrem Inhalte nach unbekannte Stücke sind
selbstverständlich wertvoller. Für Autographen gibt
es in der Regel keinen sogenannten Marktpreis; eine
Schätzung an der Hand analoger Stücke wird niemals
das Richtige treffen, da sich der Wert, wie schon be
merkt, nach Inhalt, Erhaltung usw. richtet.
*
Man nennt die Botanik eine, „scientia amabilis“.
Die Beschäftigung mit Autographen verdient wohl
mit Recht auch diese Bezeichnung und eine ebensolche
liebevolle Behandlung. Was beinhaltet nicht ein solcher
Brief! Freud und Leid, Hoffnungen und Pläne, welt-
und menschenbewegende Projekte und Tatsachen,
aber auch ränkevolle Anschläge, durchgehends er
gänzende Züge zur Charakterisierung des Briefschrei
bers. Und erst die Handschriften berühmter Männer!
Sie gewähren uns Einblick in ihre geistige Werkstatt
und geben uns ein Bild von der Eigenart ihres Schaffens.
Die Wiener Messe.
Programmgemäß ist am Abend des 17. September
die Mustermesse geschlossen worden; die Theater-,
Konzert- und Kinomesse, w r elche die sehenswerte Aus
stellung der Altkunsthändler, die- Buchmesse, die
Expositionen von Graphik, Briefmarken und Notgeld
birgt, bleibt noch bis zum 25. September geöffnet. Ist
es also noch zu einem Epilog verfrüht, so kann doch
schon jetzt festgestellt werden, daß die Erwartungen,
die an die erste Wiener Mesce geknüpft wurden, im
großen und ganzen erfüllt worden sind. Einzelne
Branchen, so die Maschinen- und elektrotechnische
Industrie, die lederverarbeitenden Gewerbe, die Textil
branche, die Parfümerie- und Seifenfabrikation haben
geradezu glänzend abgeschnitten; die Abschlüsse, die
getätigt wurden, gehen in die Hunderte von Millionen.
Wien hat mit seinen industriellen Erzeugnissen bei den
vielen tausenden von Messebesuchern Ehre eingelegt,
und wir sind überzeugt, daß sein Lob, eine Stadt der
soliden Arbeit, des Geschmackes zu sein, bis in die
fernsten Zonen der Erde hinausklingen wird. Denn di$
ganze Welt war bei.der ersten Wiener Messe vertreten:
nicht als ob man hier Japaner, Inder oder Brasilianer
oder auch nur mehr als einzelne Engländer, Franzosen
und Nordamerikaner gesehen hätte, aber deutsche,
holländische und schweizer Vertreter von überseeischen
Firmen waren erschienen, um große Bestellungen für
ihre Auftraggeber auszuführen. Freilich, in der Tatsache,
daß der erste Werberuf Wiens nicht stark genug war,
die Altausländer nach Wien zu locken, lag ein
Nachteil für viele Ausstellungszweige: sie gibt aueb
den Schlüssel für die befremdende, Erscheinung, daß
der Kunst- und Antiquitätenhandel nicht jene Wertung
erfahren hat, auf die er ein volles Anrecht hat. Wären
Amerikaner, Engländer, Franzosen, w’e man erwartet
hatte, in hellen Scharen nach Wien gekommen, sie
hätten gewiß den Weg in unsere Kunst- und Antiqui
tätenhandlungen gefunden, von denen jede für sich eine
Messe im kleinen darstellte, die Ausstellung der Alt
kunsthändler im St. Lukassaale des Künstlerhauses
wäre für sie zu einem Anziehungspunkte geworden,
ihre Agenten konnten naturgemäß nicht über die fest
umschriebene Aufgabe hinausgehen, die sich auf die
Besorgung von Industrieartikeln erstreckte. Kunst- und
Antiquitätenhandel waren durch diesen Ausfall schließ
lich aber nur insoweit betroffen, als Kunstgegenstände
von ganz besonderer Qualität nicht die entsprechenden
Interessenten fanden, billigere Objekte dagegen stießen'
bei den Teilnehmern aus den Nachfolgestaaten und den
Balkanländern, die das Hauptkontingent der Messe
besucher stellten, auf willige Abnehmer.
Einen Pegel für den Geschäftsgang bieten die Auk
tionen, die das Dorotheum in der ersten Messewoche
abhielt. Die Brillantenauktion ergab zehn Millionen
Kronen, die Versteigerung der Luxusdrucke zirka