VER SACRU)
Decorativer
.Entwurf v.
Adolf Böhm
Zeichnung,demMangel anP erspectiv e u. dgl. Anstoss nahm.
DieLeute waren eben gewohnt, die Kunst mit anderen Augen
anzusehen als die Natur, und da die Kunst damals nur
religiösen Zwecken diente und bei derWiedergabe der rein
dogmatisch gefassten religiösen Vorstellungen eigentlich
nur symbolisch zu wirken hatte eine "Wirkung, die ihr
auch vollständig gelang —, so fiel es den Leuten, die vor
solchen Bildern ihre Andacht verrichteten, gar nicht ein, an
die unausgebildete Technik und die ungenügende Natur
beobachtung der Maler zu denken. Als Cimabue zum ersten-
male einen lebenswahren Zug in die byzantinische Ma
donna brachte, erschien
das den Leuten wie eine
Offenbarung. Heutzutage
wäre es Cimabue in einem
ähnlichen Falle vermuth-
lich übel ergangen. Da
mals aber wurde er be
jubelt und seine Madonna
geradezu wie ein wunder-
thätiges Bild verehrt. Sein
Schüler Giotto hat dann
das Leben in grösserer
Breite und Tiefe neu ent
deckt, und von ihm datiert
die erste grosse Epoche der
italienischen Malerei, nach
Überwindung des Byzan
tinismus. Diese Wendung
und insbesondere auch das freudige Mitfühlen des Volkes
mit denKünstlern, das allgemeineVerständnis für die neuen
Errungenschaften ist aber durchaus nicht auf eine rein
künstlerische Erkenntnis oder auf ein richtiges Gefühl von
dem, was der Kunst als solcher bisher gefehlt hatte, zurück
zuführen. Vielmehr war es die Neubelebung des religiösen
Geistes durch Franz von Assisi, welche im ganzen Cultur-
leben jener Zeit, und so auch in der Kunst, die der Religion
am nächsten stand, eine Umwälzung hervorrufen musste.
Aus dem starren Dogma war eine echt menschliche Lehre
voll lebendigen Christensinnes geworden, und so konnte
und musste auch aus der byzantinischen Madonna die
heilige FAMILIE und aus dem in einem Krönungsornat
gekleideten byzantinischen Christkind ein patschender und
strampelnder santo bambino werden. Die Reinheit der fran-
ciscanischen Lehre gieng freilich rasch genug wieder ver
loren. Aber die Starrheit des Dogmas kehrte nicht zurück
und das Leben liess sich nicht mehr aus der Kunst ver
bannen. In dem Masse, als das ganze Leben jener Zeit sich
freier und üppiger gestaltete und die Kirche selbst ihre
weltliche Macht immer sinnfälliger zum Ausdruck brachte,
drangen auch immer neue weltliche Motive in die Kunst
ein und entrückten sie dem Bannkreise kirchlicher Vor
stellungen. Die Entdeckung und Erforschung der Antike
war der grossartige Abschluss all dieser befruchtenden
Keime und fördernden Anregungen, die in der Zeit der
Renaissance in einer schier unabsehbaren Reihe von grossen
Geistern und genialen Naturen zu neuen Ausdrucksmitteln
und schöpferischen Ideen wurden. Da aber drohte die
Kunst auch stillzustehen; da gerieth sie vom Leben wieder
ins Studium, da entstand wieder eine Schablone, und all
die realistischen und naturalistischen Versuche der späteren
Italiener vermochten die Schablone nicht zu überwinden.
Eine neue herrliche Blüte der Kunst war nur dort
möglich, wo unabhängig von früheren Idealen eine ganz
andere Art und Weise zu
schauen und zu schaffen
sich entwickelt hatte und
auf demHöhepunktedieser
Entwickelung dann auch
der Einfluss Italiens und die
Kenntnis der Antike nicht
viel mehr nützen und noch
weniger schaden konnte.
Die holländische Malerei
hat der Welt geoffenbart,
dass mit den letzten grossen
Italienern die wahre Kunst
keineswegs gestorben ist.
Und wer nun — als ge
bildeter moderner Mensch
— auch Rembrandt ne
ben Raphael als grossen
Meister gelten lässt, der hat damit auch schon zuge
standen, dass es kein allgemein giltiges Schönheitsideal
und keine ewig giltigen Kunstnormen gibt, dass die Kunst
so reich und wechselvoll ist wie das Leben, dass aber zur
Hervorbringung echter and darum dauernder Kunstwerke
vor allem nothwendig ist: Race und Individualität; ein
kräftiges Volksthum, das der Kunst stets frische Lebens
nahrung zuführt, und eine eigenartige künstlerische Be
gabung, die auch das Leben wieder neu zu befruchten
vermag.
Das war im neunzehnten Jahrhundert vergessen wor
den. Als nach dem grossartigen Aufschwünge der Dicht
kunst und Musik auch die bildenden Künste zu neuem
Leben erwachten, da war es doch nur ein Scheinleben, eine
künstliche Neubelebung, kein organisches Werden, kein
Emporwachsen aus den Tiefen der Volksseele und des
Zeitgeistes. Die historisch-wissenschaftlich zum zweiten-
male entdeckte Antike und die ästhetisch-kritisch gewür
digte Kunst der Renaissance, das waren die Pathen und
Vormünder dieser neuen Kunst, von der wohl mit Rech
behauptet wurde, dass aus ihr kein Bild der Zeit zu ge^
winnen sei, in der sie entstanden ist und zur Geltung kam,
während die Kunstepochen der Vergangenheit gerade im
Spiegel reiner Kunstwerke ein getreues und lebensvo cs