Buohgchmuek
für V. S. gez. v.
Rud. Bacher.
WAHRHEIT UND SCHÖNHEIT IN
DER MODERNEN MALEREI.
Von Max Morold.
„Die Hälfte uns’res Thuns ist nicht Natur,
Nachahmend tappen wir auf And’rer Spur,
Vernunft und Herz, sie kommen schwer zu Wort,
Und jeder, wer es sei, schleppt fort und fort
Am Wahne, den der langen Zeiten Lauf
Allmählich riesengross gethiirmt zu Häuf.
W ie gut lässt sich, dieses Wort Stephan Milows auf Kunst und Kunst
gefühl anwenden! Vielfach ist noch die Meinung verbreitet, dass die
Kunst als „Darstellung des Schönen“ gewissen ewigen Gesetzen unter
liege, denen man durch Studium beikommen könne; dass der Begriff der Schön
heit unwandelbar sei und dass sich das rechte Urtheil in künstlerischen Dingen
somit eigentlich erlernen lasse. Einschränkungen werden freilich auch von jenen
gemacht, die diese Meinung noch hegen. Zunächst wird der Begriff der Kunst
eingeschränkt. Von der Dichtkunst kann in diesem Zusammenhänge überhaupt
nicht die Rede sein. Die ist zu abhängig von unserer sonstigen Begriffswelt, zu
bedingt durch tausend und abertausend ausserkünstlerische Gedanken und Ur-
theile, zu sehr beeinflusst von allen unseren intimsten subjectiven Vorstellungen
und Gefühlen, als dass hier jemals ein ganz strenger Codex, eine einzig giltige
Norm aufgestellt werden könnte. Aber auch die Musik, die scheinbar dem Leben
abgekehrte, ätherische, selbstgenügsame, durch nichts bedingte, hat sich bisher
noch nicht in eine feste Formel bringen, noch nicht auf wenige, leicht fassliche
Grundregeln zurückführen lassen. Freilich, unbedingt und absolut ist die Musi
nur scheinbar. Doch ich will mich hier nicht auf theoretische Untersuchungen
einlassen. Ich begnüge mich mit dem historischen Beweis und erinnere nur kurz
an die grossen und kleinen Blamagen, die das Publicum und die Kunstric ter
beinahe ausnahmslos vor jeder bedeutenden musikalischen Erscheinung erlitten
haben. Wäre auch nur EINE solche Blamage möglich gewesen, wenn es ein
feststehendes Urtheil in musikalischen Dingen gäbe? Die ärgsten Enttäuschungen
und die gröbsten Berichtigungen hat gerade die Musikästhetik erfahren. Blei
also nur die bildende Kunst. Aber in der — heisst es — sei doch für den Fein
fühligen und künstlerisch Gebildeten kaum ein Irrthum möglich. Aue _ er
schlichte „gesunde Menschenverstand“ und das einfache, unverdorbene Ge u
seien hier bald im Reinen. Zwei Augen habe schliesslich doch jeder, un as
sei hier die Hauptsache. Zwei Ohren — die hat allerdings auch ein jeder. er
es gibt bekanntlich „musikalische“ und „unmusikalische“ Menschen, un fe
einen haben nur Ohren für diese, die anderen für jene Gattung Musik. Sc auen
hingegen, das können alle; das sei eine Thätigkeit, die in jedem Berufe un