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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 5)

vornehmen Künstlern ihre Kenntnis der Geisteswelt und der Lebensformen vergangener 
Zeiten vertiefen wollen. Zugleich wird sie allen jenen wertvoll werden, die geschichtliche 
Studien treiben, sei es nun auf dem Gebiete der Kultur, der Politik oder der Entwicklung 
künstlerischer Kräfte. Für die einen gewinnen Namen und Ereignis neue Gestalten und 
Verkörperungen, für die andern tauchen Erscheinungen von Bedeutung aus dem Meere der 
Vergessenheit, runden sich Bilder und Formen von bisher mangelhaft oder nicht bekannten 
künstlerischen Persönlichkeiten in unerwarteter Vollständigkeit. l-Iartwig Fischel 
CHVVÄBISCHE GLASMALEREI." Rasch ist dem ersten Bande der beschreiben- 
den Fachkataloge der prächtigen Stuttgarter Altertümersammlung, der das Ludwigs- 
burger Porzellan behandelt, ein zweiter Band, „Schwäbische Glasmalerei" gefolgt. Auch 
dieser ist eine Arbeit des bewährten Forschers auf kunstgewerblichem Gebiete Leo Balet. 
Dem eigentlichen Kataloge, der die stattliche Zahl von x26 Nummern aufweist, die sämtlich 
entweder in Textillustrationen oder in farbigen Tafeln reproduziert sind, geht eine kunst- 
geschichtliche Einleitung voraus, die vermutlich für lange Zeit die einzige kunstgeschichtliche 
Darstellung der schwäbischen Glasmalerei überhaupt sein wird. Sie beschränkt sich 
keineswegs auf die im Museum befindlichen Objekte, sondern umfaßt die schwäbischen 
Glasrnalereien in ganz Württemberg. Auf diese Weise hat Balet die Grundlage für einen 
klaren und übersichtlichen geschichtlichen Umriß gewonnen, innerhalb dessen alles noch 
Vorhandene seinen richtigen Platz findet. Für die gotische Periode ergibt sich die Gliede- 
rung in drei große Schulen: eine oberschwäbische, die uns in der Heiligkreuzer Kloster- 
kirche, der Ravensburger Stadtkirche und im Ulmer Münster am besten veranschaulicht 
wird, eine Eßlinger Schule, für die wohl ein französischer Einfiuß angenommen werden 
darf, und für die das Museum ein vorzügliches Stück aufweist, und die württembergisch- 
fränkische Schule, deren ältestes Werk, eine Biblia pauperum, sich in der Liebfrauenkirche 
zu Eßlingen befindet und die auch im Museum in den fünf Stöckenburger Fenstern mit 
Stifterfiguren gut vertreten ist. 
Die spätere schwäbische Glasmalerei seit der Mitte des XV. Jahrhunderts schließt 
hauptsächlich an die Ulmer Schule an. der berühmteste unter einer Anzahl bekannter 
Meisternamen ist der des Hans Wild, von dem das Museum zwei Figurenscheiben besitzt. 
Andere hervorragende Arbeiten dieser Periode sind die des Hausbuchmeisters, der, 
obwohl er nicht zu den schwäbischen Meistern zu zählen ist, doch viel in Schwaben 
gearbeitet hat, ferner des Meisters von Meßkirch, von dem das Museum sechs 
prächtige Wappenfenster aufzuweisen hat. Eine Anzahl bisher unbekannter Künstlernamen 
wurde durch Balets archivalische Forschungen in die Geschichte der Glasmalerei einge- 
führt. Selbstverständlich fehlen auch nicht für diese und die folgende Zeit die Nachweise 
der von den Glasmalem verwendeten Stiche und Holzschnitte. 
Eingehend bespricht der Verfasser die Biblia Pauperum-Fenster im Kreuzgang des 
Hirsauer Klosters, deren Geschichte sich bis zur Mitte des XIX. jahrhunderts verfolgen 
läßt, während gegenwärtig nur mehr ein kümmerliches Bruchstück davon erhalten ist. Vom 
XVI. Jahrhundert an werden die Beziehungen der schwäbischen zur Schweizer Glasmalerei 
immer lebhafter und dauern fort bis zum allmählichen Erlöschen dieser Kunst im 
XVII. Jahrhundert. Besondere Anerkennung verdienen die Illustrationen dieses prächtigen 
Kataloges. Die acht farbigen Tafeln suchen mit allen Hilfsmitteln der modernen Technik jene 
Leuchtkraft der Farben zu erreichen, die den Originalen eigen ist, während die x26 Textillu- 
strationen sich durch großes Format und dementsprechende Klarheit und feine Abtonung 
auszeichnen. Vervollständigt durch eine umfassende Literaturangabe sowie ein Meister- und 
Ortsverzeichnis, reicht die Bedeutung dieses Kataloges weit über den Kreis der schwäbi- 
schen Heimat hinaus und wird zum unentbehrlichen Ratgeber und Wegweiser auf dem 
gesamten Gebiete der Glasmalerei. J. Folnesics 
' Kataloge der Königlichen Altertümersammlung in Stuttgart. Band ll, Schwäbische Glasmalerei von Leo 
Balet. Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1912. M. 36.
	        
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