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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1868 / 31)

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II uns zu kämpfen, nämlich mit der Verschiedenheit des Materielles. Die Originale sind 
Seidcnpliisch und die Copien sind Plüschteppiche von gewöhnlicher Wolle. In der Seide 
kann man kühn die derbsten Contraste sich erlauben, die in der WVolle ahscheulich wirken, 
weil sie stumpfe Farben und nicht das Lichtspiel der Farbenbrechung besitzt. Dieselbe 
Schwierigkeit wie die Copie in Wolle, sollte ich in der Farbencopie kennen lernen, als 
rnir der Herr Director R. von Eitelberger, welcher die Wichtigkeit dieser Muster längst 
erkannt hatte, dieselbe als eine eben so angenehme wie schwere Aufgabe stellte. 
Wir haben nur in der Deckfarhen-Malerei das Mittel, so grosse Flächen bequem 
in der gehörigen Wärme und Tiefe der Farben zu behandeln. Die geometrisch treue Wie- 
dergabe der Couturen und Farben und die Ausschliessung jeder perspectivischen Zeichnung 
verhindert die Anwendung der wunderbaren Lichtreiiexe und Farbenspiele, welche der Seide 
oigenthümlieh sind, und mit den einfachen Mitteln der Deckfarben-Malerei sah ich mich 
in der Wirkung noch mehr beeinträchtigt wie die Plüschwoherei der Wolle, die in diesem 
organischen Steife eine grössere Wärme und Leuchtkraft wie die Erdfarbe besitzt. Indem 
ich begann, die Farben iu derselben Kraft, wie ich sie als neu verrnuthete, wiederzu- 
geben, stellte sich bald heraus, dass sie zu einer harmonischen Wirkung fast alle zu hell 
und zu schreiend gewählt waren, denn was der Lichtschimmer der Seide vermittelt, bildete 
in stumpfer Farbe den unangenehrnsteu Contrast. Ds. wahrscheinlich in den nlichsten Jahr- 
hunderten unsere Luxusindustrie mit der Wolle für Teppiche sich begnügt und die Seide 
für andere Zwecke verwendet, so hielt ich es als die zugleich mögliche und praktische 
Aufgabe, diejenigen Farben zu finden. die harmonisch zusammenwirken und in Wolle 
möglichst nahe der Wirkung der Seidenteppiche kommen. 
ls kamen aber noch andere Schwierigkeiten hinzu, nämlich das Changireu der Ori- 
ginalfarben, die durch Feuchtigkeit, durch das Licht etc. solche Variationen zeigten, dass 
z. B. dunkelblau nicht nur hellblau und grau, sondern auch alle Schattirnngen der Cho- 
colaxle-Farben zeigte. Carmoisiurother Sammt erscheint orange und in allen braunen Schat- 
tiruugen. Da nun zweierlei blau als indigoschwnrz mit einem grünlichen Stich, ferner 
zweierlei rnth, carmoisindunkelroth und hellcarminrotb, ferner orange und dunkelgrün und 
helles gelbgrün nebst perlgrnu die Farbenscala bildete, so ist es wohl begreiflich, dass 
' die verschossenen Farben durch ihre Aehnlichkeit mit anderen leicht zu Verwechslungen 
führen konnten. Ein Glück war, dass siimmtliche Ornamente conturirt sind und zwnr mit 
stark contmstirenden Farben, wodurch ein kleiner Anhaltspunkt gegeben ist. Indern ich 
nach dem ersten Ermessen die Ausführung versuchte, stellten sich die Fehler bald heraus, 
du es ,in den Farben ebenso strenge Stylgesetze wie in der Form gibt. Ich versuchte 
nach früheren Beispielen die Wahl der Farben bei schwierigen und zweifelhaften Fällen 
nach Eli-wen durch das Copiren der ehemaligen Bocl-Cschen Stoifsammlung erkannten Prin- 
cipien und fand in der Regel bei näherer Prüfung des Originals, dass Probireu über 
Studiren oder dass das Gefühl meistens richtiger als der Cnlcul geht. 
Ich nahm die Seidenfurben an, wie sie im Schatten wirken, und indem ich alle zu 
derben Farben milderte, glaube ich diejenige Weichheit, Wärme und Harmonie der Far- 
ben getrolien zu haben, welche die orientalischen Muster auszeichnet ü). Wie die Copien 
als ltigentlnum des Museums vorliegen, dürften sie sich direct zur Nachahmung in der 
Technik der Kniipfteppiche eignen. Für den Jnqirardstuhl müsste die Farhenscala um drei 
Farben vermindert nerden, wenn der gewohnte Preis den Ausschlag gibt. - Die Technik 
der Originale ist eine überaus glänzende, die Centuren sind tadellos und die Gleichmäs- 
sigkeit und Festigkeit des Gewebes, des Schnittes, des Pliisches etc. uniibertrelflich. Meh- 
rere 'I'eppiche haben Gold- und Silherfiiden. die derart mit Seide überspannen sind, dass 
das Metall blitzende Funken über die Flüche streut. Hieraus allein kann man auf den 
Luxus jener Zeiten schliessen, zumal wenn man bedenkt, dass solche Prachtstiickc für 
ein grösseres Zimmer in einem Stück gevrelst sind. Peter der Grosse schenkte diese Tep- 
piche, deren sieben Stück jetzt im k. k. Museum sind, dem Kaiser Leopold I. Ob er sie 
als Beute den Türken oder asiatischen Völkern abnahm, oder sie als Tribut oder Ge- 
schenk erhielt, vermögen wir nicht zu sagen. Ihr Aussehen ist derart. dass sie auf die 
Strapatzen eines Feldzuges schlicssen lassen, als seien sie als Teppiche in Zelten ver- 
wendet worden, Jedenfalls sind sie trotz der Kostbarkeit des bisterinles wegen der vcr- 
schosseueu Farben kaum mehr zum Gebrauch in k. k. Schlössern geeignet. Für Farben- 
chcmiker bieten sie ein höchst interessantes Material, und wünschen wir sehr, dass Che- 
miker wie Professor Brücke uns erklären, wie es kommt, dass wie mit dem Messer 
getrennt, dieselbe Farbe hier brillant wie früher leuchtet, dort aschgrau zerstört ist. Da 
 
') Wir begnügen uns lnil dem Vornuslehsnden die Ansicht des Herrn Ifischlmch als solche wieder- 
zugeben, ohnl i'll! die Richtigkeit derselben, die Vüu manchem Fachuuuue bestrinen wird. einstehen zu können. 
Die Bcdlctiou.
	        
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