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fabrik zu Grunde gehen könne, während die Meißener Manufactur immer
großartiger emporblühte, in bedrohende Schulden; als die verschiedent-
lichen Gläubiger der Fabrik, unter welchen Christoph von Gudenus
mit 12.000 Gulden der bedeutendste war, mit der Execution drohten,
wandte sich du Paquier in seiner Verzweiflung an den Kaiser um Hilfe;
aber Hoil und Staat hatten weder Geld noch tiefer gehendes Interesse
für industrielle Unternehmungen: der politische Himmel hatte sich seit
der Publication des kaiserlichen Patents vom Jahre 1717 bedrohlich
umwölkt, und ernste Sorge betreifs der Durchführung der pragmatischen
Sanction hemmten den schönen Anlauf, der zur Hebung von Handel
und Gewerbe genommen worden war. Doch that der Kaiser für die
Fabrik, was in seinen Kräften stand: er ließ den "Bürgermeister und
den Sladtrath von Wienn {u dero gehaimbe Haf-Canrlgß-Rath erfordern"
und ihnen hier eröffnen, dass es sein Wunsch sei, die Gemeinde solle
„der von dem Claudi Innocent du Paquier alhier eingeführt- und in
Schulden verfallenen Porcellanfabrik unter die Armb greifen, denen
vermittelst ger. executionem antringenden creditoren ihr Schuldposten
per cessionem ablösen und denenselben {u deren bedürftigen Nothwendig-
keiten rusammen 18.000 Gulden gegen real Versicherung auf dessen
Haus, Grundstückh, dermals vorhandenen und künftig weitheres fabri-
cierenden Porcellan-Vorrath uorschießen" 1"). - Die Stadtvertretung er-
klärte sich hierzu unter den nachfolgenden Bedingungen bereit: 1. müsse
du Paquier „das arcanum seiner Porcellanfabrie {u allergnädigst kays.
Händen erlegen" (damit im Falle seines Ablebens die Fabrik fort-
geführt werden könnte); 2. mlisse er zu dem gleichen Zwecke „ein und
anderen hiesigen Landeskindern sothane Arbeith mit bedingnuß der Ver-
schwiegenheit lehren"; 3. müsse er „dem Stadt-Rath dieses Darlehens
beykommende Obligation cum ceriioratione suae conjugis extrordieren";
4. sollte bestimmt werden, „dass auf sothane Fabric solange niemand
eine Execuiion führen möge, bis nicht ein Stadt-Ruth wegen anticipierten
18.000 Gulden in capitali und Interesse volständig wird befriedigel sein";
5. solle „dem Studt-Rath freystehen, wochentlich durch abgeordnete
Commissarien die Bücher bey der Fabric in Empfang und Ausgab {u
durchsuchen, und ob die gemainer Stadt bey ihrem Capital gesichert
sey? sowohl den wahren Bestand als auch den durfür erstandenen Werth
und weitheres anschafenden Porcellan-Vorrath {u durchsehen" (28. No-
vember 1727). .
Du Paquier und seine financiell an dem Unternehmen betheiligte
Gattin"), sowie der Bürgermeister und der Stadtrath von Wien wurden
W) Die betrelfenden Acten befinden sich im Archiv der Stadt Wien.
11) Du Paquier hatte eine Witwe geheiratet, die ihm mehrere Kinder mit in die
Ehe brachte. Sein ältester Stiefsohn Carl war in der Porzellanfabrik thätig; seine und
seiner Geschwister spätere Lebensschicksule lassen sich nicht verfolgen, weil ihr Name
in den Acten nicht genannt ist.