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kurzweg behaupten, diese Tendenz ist so alt wie die reproducirenderi
Künste selbst. Die einfache Bildwirkung von Weiß und Schwarz beim
Holzschnitt, Kupferstich, bei der Radirung und Lithographie genügte
nicht den farbenfreudigen Generationen der Neuzeit, deren Kunstschalfen
entschieden unter der Vorherrschaft des malerischen Principes steht, und
darum können wir nach dem Aufkommen jeder neuen Vervielfältigungs-
art, welchen Namen immer dieselbe führen mag, alsbald die Versuche
wahrnehmen, die Wirkung von Schwarz und Weiß durch Buntfarbigkeit
zu steigern und dem Effecte eines eigentlichen Gemäldes so viel als
möglich nahe zu bringen. Daher wurden sofort im 15. Jahrhunderte,
welches wir als die Geburtszeit des Holzschnittes und des Kupferstichs
anzusehen haben, die Holzschnitte in den Büchern und noch mehr die
Einzelblätter mit bunten Farben patronirt oder mit der Hand bemalt,
um das Farbenbedürfniss der ärmeren Classen zu befriedigen, welche sich
keine mit Miniaturen gezierten Bücher und keine Gemälde kaufen konnten.
Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts schritt die Holzschnitttechnik zum
buntfarbigen Drucke vor, zu dem sogenannten Clairobscur, bei welchem,
allerdings mit Beschränkung auf wenige Farbentöne, jede dieser Farben
von einem besonderen Holzstocke über die schwarzen Umrisse der Zeich-
nung gedruckt wird. Burgkmaifs Kaiser Maximilian zu Pferde vom
Jahre 1508 zeigt uns gleich eine hohe Stufe von Vollendung im Clair-
obscur, auf welcher sich dann Blätter von Dürer, Cranach, Altdorfer,
Baldung Grün, Hans Wechtlin von Straßburg und noch anderen deut-
schen Künstlern anschließen. Die Italiener, bei denen Hugo da Carpi
lange als der Erfinder des Clairobscur überhaupt galt, folgten seit Rafael's
Zeiten in großer Anzahl nach und auch bei den Niederländern, Eng-
ländern und Franzosen wurden das 17. Jahrhundert hindurch bis in die
zweite Hälfte des 18. einzelne Blätter dieser Technik mit großer Meister-
schaft producirt. Ja gerade um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden
von den Engländern Pond und Knapton (ca. 1735) und dem Franzosen
Nicolas Lesueur zur Nachahmung von getuschten Zeichnungen aus-
gezeichnete Clairobscurblätter gemacht, indem sie auf radirten Contour-
zeichnungen die Schattirung in verschiedenen Tönen von Holzschnitt-
platten aufdruckten. Es erscheint dies wie eine letzte Kraftanstrengung
der alten Holzschnitttechnik gegenüber dem neu auftretenden gefährlichen
Concurrenten„ welcher gerade damals in dem farbigen Kupferdrucke
erstand und dessen Schilderung eben die besondere Aufgabe meines
Vortrages bildet.
Die Versuche in farbigem Kupferdruck beginnen schon im
17. Jahrhundert, und zwar bezeichnend genug in den Niederlanden, deren
Malerei gerade damals ihre Ruhmeslaufbahn auf coloristischem Gebiete
durchmaB. Es waren dies der Antwerpener Franz van den Wyn-
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