In ihnen liegt unleugbar ein architektonisches Element. Wir wollen damit
keineswegs sagen, dass Schrank oder Kasten ein kleines Haus sein solle,
es tritt aber doch bei ihnen in ähnlicher Weise Gliederung, Verhältniss
räumlicher Theile, Beziehungen von tragenden und getragenen, stützenden
und lastenden Theilen zur Erscheinung, und ebenso bieten sich Flächen,
umfassende Binder, vertretende Glieder, krönende Gesimse zur Ornamen-
tation dar. Es fragt sich nun, wo und wann ist diesen künstlerischen An-
forderungen zugleich mit voller Wahrung des Zweckes und des Dienstes
am besten Rechnung getragen? Wo haben wir uns nach Vorbildern um-
zusehen, die uns heute zum gleichen Ziele leiten könnten?
So weit wir die Kunst des Alterthutns kennen, so war damals gerade
das in Rede stehende Geräth sehr wenig gebraucht und daher auch wohl
künstlerisch und praktisch sehr wenig ausgebildet. Es würden uns daher
völlig die Vorbilder fehlen, wollten wir etwa auf Grundlage antiker Kunst
unser Hausgeräth dieser Art zu erneuern trachten. In Wirklichkeit ist das
Genre der Kasten und Schränke eine Arbeit des Mittelalters, das an ihnen
herutngemodelt, geformt und ornamentirt hat, bis etwa das geworden ist,
was noch heute, aber mit verändertem Kunststil, in unserem Gebrauche
existirt. Folgen wir dem Gange dieser Veränderungen, so werden wir sie
bis zum iöJahrhundert als eine stete, wenn auch nicht ununterbrochene,
oder zuweilen vom rechten Wege abgelenkte Vervollkommnung betrachten
müssen. Die vorromanische Periode war plump und ungefüge in diesem
Geräth, die romanische Periode, die allerdings auch schon vortreffliche
Arbeiten, namentlich für die Kirche geschaien hat, legte zu grosses Ge-
wicht auf gemalte Verzierung und hielt darum das Aeussere mit zu wenig
plastisch-architektonischer Gliederung. Die Gothik bildete das structive
Element aus und erwarb sich in dieser Beziehung unleugbare Verdienste,
so dass die uns erhaltenen gothischen Möbel in jedem Falle des Studiums
würdig sind, auch dann , wenn wir diesen Stil nicht als Vorbild für die
moderne Kunst aufstellen und es uns nicht darum zu thun ist, erneuerte
gothische Möbel zu schaEen. Es leiden aber die gothischen Möbel gemein-
Sßhäffliih im einem Hauptfehler, und das um so mehr, je kunstgerechter
oder anspruchsvoller sie gehalten sind: verbunden mit der Wandtäfelnng,
sind sie zu sehr festes Wandgeräth und verleugnen den ihnen angehörigen
Charakter des Mobilen. Auch sind die späteren gothischen Möbel, nicht
ausschliesslich, aber vielfach, zu sehr überladen mit freistehendem und
durchbrochenem Ornament, das sich vom Geräth loslöset und mit seiner
Leichtigkeit der Massivität des Kastens widerspricht.
In allen solchen künstlerischen Beziehungen, in der Feinheit des
architektonischen Baues, in der plastischen Gestaltung der Oberflächen, zso
dass sich die richtige Wirkung von Schatten und Licht ergibt, in der an-
gemessenen Vertheilung und richtigen Haltung der geschnitzten Verzierung,
Fortsetqxzrxg auf der Beilage.