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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 151)

noch erschwingliches Schaustück für jeden Sarnrn- 
ler - heute. Vor dreihundert bis vierhundert 
Jahren waren es große Kostbarkeiten,zusammen 
mit den ebenfalls von Goldschmieden oft ver- 
wendeten Straußeneiern und Kokosnüssen. Ein 
„gefischter" „Nautilus pompilius", vom Meer 
direkt in den Handel gebracht, kann in Natura- 
liengeschöften für 30 bis 35 DM gekauft werden 
und zeigt dann einen geschwungenen scharfkan- 
tigen Rand". Die von Chinesen und anderen 
Eingeborenen auf den Markt gebrachten sind 
iedoch am Rande angesengt und auch sonst 
leicht schadhaft, weil sie vorher das Tier in seiner 
Schale mit Zusatz von Meerwasser am offenen 
Feuer als Leckerbissen gekocht haben. Sie sind 
dann allerdings so schlau, die Schale so weit 
am Rande herunterzuschleifen, bis die schlimm- 
sten Schäden verschwunden sind. 
Eine „Nautilus-pampilius"-Schale in Naturzu- 
stand wurde wohl in Nürnberg Ende des l6. 
Jahrhunderts einfach und originell montiert: auf 
der Bodenplatte schiebt sich eine griechische 
Landschildkröte vor, während eine Landschnecke 
über sie hinweggleitet. Ihr Gehäuse ist ein Ab- 
guß einer der im Mittelmeer vorkommenden Gat- 
tung „Astralium". Vier Bänder halten den „Nau- 
tilus", über dessen Buckel ein iugendlicher Nep- 
tun mit dem Dreizack auf einem Fisch reitet. 
Dieses Kleinkunstwerk befindet sich in der Colec- 
ciön Jose Lazaro Galdiano zu Madrid. Merk- 
würdigerweise bietet Hayward kein einziges Bei- 
spiel solcher Muscheln im Naturzustand". 
Als erste waren wohl die Chinesen auf den 
Gedanken gekommen, auch „Nautilus"-Schalen 
künstlerisch zu behandeln. Mit Lauge entfernten 
sie die Conchyolinschicht. Dann wurde die kalkig 
aussehende Prismenschicht vorsichtig bis auf die 
Perlmutterschicht abgeschliffen und poliert - die 
meist verwendete Form des Tiergehöuses als 
Pokale und Kannen. Einfallsreiche Künstler ver- 
standen es, die letzten beiden Schichten auszu- 
werten, indem man die Prismenschicht in Flach- 
relief über der Perlmutterschicht stehenließ, wie 
etwa an einem schönen Stück in Wien; eine 
Meerfrau in „Ronde-bosse"-Email balanciert die 
Schale auf dem Kopf, während darüber eine 
ebenso gearbeitete Fortuna auf einer silberver- 
goldeten „Pecten"-Muschel schwebt - als leben- 
der Mast hält sie sich selber das Segel hinterm 
Kopf - die Widersinnigkeit dieser Haltung beun- 
ruhigte nicht den Meister". 
In Florenz hat ein Stück aus dem Schatz des 
Erzstiftes Salzburg die Föhrnisse überstanden: 
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ein geschickter Meister hat hier gleich zwei so 
bearbeitete Schalen zu einem kuriosen Schau- 
geröt zusammengesetzt. ln differenziertem Schliff 
erscheinen belaubte Zweige und schwebende 
Vögel, zu denen Menschen aufblicken. Auf der ei- 
nen Schale ist dann der Perlmuttergrund mit einem 
Fischschuppenmuster graviert. Auf den anderen 
Stücken sind die Zeichnungen direkt in die unter- 
ste Schicht graviert: durchs Land reitende Krie- 
ger, Pagoden und Stadtmauern, mit Farben 
leicht aufgehöht, dann wieder kämpfende Dra- 
chen vor einem feinen Schuppenmuster, oder 
auch Blütenzweige mit Vögeln. 
Die am sorgfältigsten geschnittene und gravierte 
Schale ist die bereits erwähnte in Wiemwährend 
fast alle anderen Exemplare in Florenz in oft 
geradezu unverständlich grober Weise ausge- 
führt wurden - also schon im 17. Jahrhundert für 
„Europöer" flüchtig hergestellte Massenpr 
tionl Schon deshalb unverständlich, wenn 
berücksichtigt, daß kunstvoll, oft in fe 
Durchbrucharbeit geschnitzte, formvolle 
„Voluta"-Schalen heutzutage in Hongkong 
arbeitet werden und früher auch aus K 
preiswert geliefert wurden. Selbst die betri 
che Hörte der Muschelschalen berücksichti 
rechtfertigt dieser Umstand, meines EFO( 
wenigstens, keinesfalls diese rohe Zeiche 
nik - es sei denn, daß diese auch im „Reic 
Mitte" auch auf ein nicht allzu anspruchs 
Publikum rechnen konnte". 
Die Technik der Muschelgravierung griff i 
Jahrhundert nach Europa über und wurde 
sonders in den Niederlanden, eine verzv 
Housindustrie, die schon von damaligen 
haften Reiseschriftstellern und Gelehrten en 
chend angeprangert wurde: nicht nur x 
von den Muscheln die Oberhaut abge 
sondern man schliff sie mit Feile und Birn 
zurecht, beizte sie mit verschiedenen Fc 
um sie dann nachträglich auch noch zu ber 
- genauso wie heute am Golf von Neapel 
in Taormina die Schalen der riesigen, bis 
halben Meter langen „Pinna nobilis", ode 
fach „SchinkenmuscheV, verkauft werden, 
dem die reizvoll irisierende Schildpattfarb 
einem qualmenden Vesuv oder einer „B 
Grotte" bemalt worden ist - ein Beitrag 
unerschöpflichen Thema „Kitsch". 
Daß nicht alle „Nautilus"-Bemalungen 
Bord geworfen werden sollen, beweist ein 
hübsches Stück in den Staatlichen Kunstsam 
gen zu Kassel: in delikater Miniaturm. 
sind auf die freien Flächen üppige Blumen 
Fruchtgirlanden sowie feines Laubwerk, da 
metallenen Halteböndern zu entsprießen sc 
aufgebracht. 
Auf dem runden Sockel schleppt ein iugi 
cher Satyr mittels eines besonderen Geräte 
Nautilus, in den ein Gefäß mit vorgezog 
Lippe eingesetzt ist. Diesem zugewandt 
Ungeheuer rnit fletschenden Zähnen, hinter 
sen Ohren ein zweiter Satyr hockt. Die t 
Vorrichtungen sind reich ornamentiert. Das 
gerät findet seine unmittelbare Analogie in i 
der „Ambraser Tritonskanne II", so daß c 
wohl demselben Meister zugeschrieben W( 
könnte, dessen Zeichen bisher nicht identif 
werden konnten. Als Beschauzeichen ersc 
ienes von Antwerpen, das zwischen 1560 
1570 datierbar ist". 

	        
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