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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 171)

pfeiler, die Gurtbogen tragen - wovon die äuße- 
ren Halbbögen, die vier inneren Ganzbögen sind 
-, in fünf Felder geteilt. Die beiden äußeren 
Wandfelder enthalten jederseits zwei rechteckige 
Breitfenster in tiefer, abgeschrägter Segmentbo- 
gennische, während das mittlere Joch zu beiden 
Seiten drei solche Fenster hat. Zwischen den 
Gurtböden sind Tonnenwölbungen gespannt, mit 
einschneidenden Stichkappen über den Fen- 
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Bestimmend für den Gesamtraum aber sind die 
ihn über und über bedeckenden Freskomalereien 
mit einem ebenso reichen wie kompliziert lesba- 
ren Programm. Den Raum beherrscht eine er- 
staunliche Bilderwelt, in der Gedanken aus den 
herkömmlichen Totentanzen in sehr persönlicher 
Umsetzung neben solchen, die dem Triumph des 
Todes zugeordnet werden könnten, ebenso ste- 
hen, als Spekulation über Vergänglichkeit und Er- 
lösung, dargestellt an antiken Metaphern und 
christlichen Symbolen. 
Große gemalte Totentanz-Zyklen, die ihre Verbrei- 
tung in Kupferstichwerken fanden, gab es seit 
dem 15. bzw. 16. Jahrhundert, so etwa in den Stad- 
enger Beziehung stand. Versammlungsort dieser 
Gemeinde war die Georgikapelle neben dem 
AugustIner-Eremitenkloster. Geistlicher Vater der 
Totenbruderschaft war der jeweilige Prior der Au- 
gustiner-Barfüßer. Zur Aufgabe hatte sich die Bru- 
derschaft die Bestattung von hingerichteten Ver- 
brechern auf dem Armensündergottesacker ge- 
setzt, später das Bestatten der Leichen von Ar- 
men und Verlassenen und besondere Gebete und 
Andachtsübungen um deren Seelenruhe. Die Mit- 
glieder dieser Totenbruderschaft kamen ebenso 
aus den vornehmsten Adels- und Bürgerfamilien 
wie auch aus einfachen Kreisen. Totenamter für 
die verstorbenen Mitglieder singen zu lassen wur- 
de bald Hauptaufgabe der Gemeinschaft, und 
mehr und mehr wurde Abraham a Sancta Clara 
aufgefordert, bei den Festämtern, bei denen häu- 
fig auch die kaiserlichen Majestäten anwesend 
waren, zu predigen. Aufgrund dieser engen Verbin- 
dung mit der Totenbruderschaft entstand in Pater 
Abraham der Wunsch, "die geliebte Totenkapelle 
zieren zu lassen mit einem Totentanz nach seiner 
Artui. Als Anleitung dazu schrieb er in seinem To- 
desjahr das Büchlein "Besonders meublirt und ge- 
freundschaftlicher Verbindung und widmete Pater 
Abraham manche seiner Schriften dem Freund. 
So ist anzunehmen, daß der Abt das letzte Werk 
des Freundes, das ein Jahr nach dessen Tod er- 
schienen war, erwarb und vielleicht schon er an 
eine Realisierung des Programms in einem der 
Stiftsräume dachte. Möglicherweise sprach er mit 
seinem späteren Nachfolger Placidus Much, der 
1704 in das Kloster eingetreten war, darüber. 
Gemessen an der tiefen Geistigkeit des Pro- 
gramms der übrigen Räume des Stiftes, die alle 
auf Abt Placidus zurückzuführen sind, wird wohl 
auch das lneinanderverweben von Totentanz und 
antiker Todesvorstellung, gegenreformatorischen 
Gedankengutes und der Verheißung der Erlösung 
durch die alleinseligmachende Kirche von ihm 
ausgegangen und weitergegeben seln. Klar und 
streng ist die Bilderfolge aufgebaut, den ganzen 
Reichtum barocken und universalen Denkens wi- 
derspiegelnd; vom Betrachter Kenntnis der tief- 
gründigen Symbolik und Bereitschaft zur Medita- 
tion fordernd. Acht auf die Pfeiler gemalten Atlan- 
ten, die gleichsam die 4 Inneren Gurtbögen auf ih- 
ren Schultern tragen, bestimmen die Gliederung 
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ten Basel, Dresden oder Lübeck. Allen voran steht 
der Baseler Totentanz, der einmal von Matthäus 
Merian als wTodtentanz. Wie derselbe in der löbli- 
chen und weltberühmten Stadt Basel abgemahlet 
und zu sehen istu 1649 herausgegeben wurde, zum 
anderen von J.W. Valvasor als llTheatrum mortis 
humanaeu mit Kupferstichen von Hans Holbein, 
anno 1682. Zweifellos war die Kenntnis dieser To- 
tentänze eine der Voraussetzungen für die nlnven- 
tionlt des Programms von Altenburg, das aber dar- 
über hinaus noch sehr viel mehr Quellen und Ge- 
danken aufgreift. Daraus erhebt sich die Frage 
nach dem lnventor einerseits, den ausführenden 
Künstlern andererseits. 
Die über der Krypta gelegene, an Prunk und Har- 
monie reiche, in ihren Dimensionen alle anderen 
derartigen Räume übertreifende Bibliothek wurde 
zu Beginn der 40er Jahre des 18. Jahrhunderts von 
Paul Troger und seinem Freund Johann Jakob 
Zeiller mit Fresken geschmückt. Es ist anzuneh- 
men, daß Schüler der beiden Meister mit der Aus- 
maiung der Krypta nach einem vorliegenden, 
streng und bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten 
Programm beauftragt wurden. 
Der lnventor des Programms aber wird wohl nie- 
mand anders als Abt Placldus Much (1715 - 1756) 
selbst sein, denn er allein konnte von der Toten- 
Schematische Gesamtübersicht der Krypta des Stiites 
Altenburg 
Anmerkungen 1- 7 (Anm. 4- 7 s. Text S. 10) 
' Vgl. Ösierr. Kunsttopograpnie Bd. 5, Bez. Horn, Wien 190, 
S. 316117 
Zu den weiteren Auslührungen vgl. auch mein entsprechendes 
Kapitel im Rahmen der ikonographie des Stilles Aitenburg des 
dz. in Druck befindlichen guches: Slllt Altenhurg und seine 
Kunslschätze, St. Pölten, NCJ. Pressehaus. Dült auch weitere Ll- 
ieraturangaben 
1 Die Totenkapelle von Abraham a Sancta Clara. hg. von Karl Bert- 
sche, Gladbach 1921, S. 25. sowie mein Kapitel über die Krypta 
in: Sll1i Altenburg und seine Kunstschätze. St. Pblten, NÜ. Pres- 
seheus; Im Druck 
' AD. 2D, 1 und 20,13. Vgl. dazu auch Flper Ferdinand, Mythologie 
der christlichen Kunst, 2. ADL, Weimar 1557, s. 112 
4 Tntsnkepelle, 5.0. s. 201 il. nquisi aquae dlliblmul In ieirsm- 
ß ebenda, s. 211 
I Isaias, 40,55 
' lsaias, 40. 15 
der Bildzonen. Sie stehen im Abgrund und tragen 
das Fleich der irdischen Todesgroteske. 
Den Eingang zur Krypta bewachen außen Hades 
und König Minos - der Herr und der Richter des 
Totenreiches. innen sind zu Seiten des Einganges 
wasserspeiende Löwen dargestellt, wohl gleicher- 
maßen Zeichen der Macht und der absoluten Herr- 
schaft als auch Erinnerung an den Höllenhund 
Kerberos, der die Pforten zur Unterweit bewacht, 
um alle Seelen einzulassen, aber keiner die Flnck- 
kehr gestattet. Die Unterweit ist antiker Vorstel- 
lung gemäß umgeben von Gewässern, durch die 
Charon, der Totenfährmann, die Seelen übersetzt. 
Dieser antiken Unterweitsvorsteiiung setzt die 
christliche Lehre die Vorstellung des Abgrundes 
entgegen, der die Tiefen der Erde und des Meeres 
gleichermaßen mit einbezieht: wund ich sah einen 
Engel vom Himmel herabsteigen, der hatte den 
Schlüssel des Abgrundes... Und das Meer gab die 
Toten heraus, die in Ihm waren, auch der Tod und 
die Unterweit gaben die Toten heraus, die in ihnen 
waren-t heißt es in der Apokalypseß. 
Die Verbindung des Bereiches unter der Erde mit 
dem Wasser als Quelle des Todes ist auch einer 
der Leitgedanken von Abraham a Sancta Claras 
Totencapelle: nWEiI die Menschen die Sünde wie 
Wasser in sich hinein saufen, so werden sie auch 
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