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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Sonderheft Europäisches Denkmalschutzjahr 1975) (1975)

bereits Stadtbaumeister Franz Wagner im Jahre 
1937 anläßlich einer Fassadenerneuerung ent- 
deckt hat: kleinere und größere spitzbogige 
Fensteräffnungen, eine Fenstergruppe unter 
einem großen Entlastungsbogen und den ab- 
schließenden Zinnenkronz dieses Gebäudes. An 
eine Generalsanierung des schon um 1930 deso- 
laten Obiektes war aber damals in einer Zeit 
großer Not nicht zu denken. Heute wäre dage- 
gen (vielleicht tür nicht mehr allzu lange Zeit?) 
die Chance gegeben, eine Generalsanierung 
durchzuführen und diese Problemzone wieder 
zu regenerieren. 
Zielführend ist diese Maßnahme allerdings nur, 
wenn zumindest das Obiekt Rudalfskai Nr. 4 in 
die Sanierungsmaßnahmen einbezogen wird. Do- 
bei wurden folgende Zielvorstellungen entwik- 
keltt: ' 
1. Ausräumung des Zwischenbereiches zwischen 
Obiekt Kranzlmarkt Nr. 3 und dem Rathaus. 
2. Völlige Freilegung des Hofraumes mit den 
Arkaden aus dem 16. Jahrhundert. 
3. Einrichtung einer Ladenpassage zwischen 
Kranzlmarkt (Getreidegasse) und Rudolfskai. 
4. Verlegung des Stiegenhauses und Einbau 
moderner Wohnungen in beiden Obiekten. 
5. Sinnvolle Einbeziehung der Reste der Bau- 
epoche des 14. Jahrhunderts in die Neuplanung. 
Allein die Reihenfolge des Maßnahmenkataloges 
beweist hier schon zur Genüge, daß die Heraus- 
arbeitung der historischen Substanz nicht A-us- 
gangspunkt, sondern Folgeerscheinung der Sa- 
nierung ist. Sie würde das Stadtbild am Kranzl- 
markt (Getreidegasse) nicht „stören", sondern nur 
in dem kleinen Bereich der Passage und des 
Hofes - hier allerdings sehr dominant - wirk- 
sam werden. 
Hinter einer relativ unbedeutenden Fassade aus 
dem 19. Jahrhundert würde man einen höchst 
instruktiven Einblick in einen im Original fast 
völlig erhaltenen zentralen Bereich von Salzburg 
um 1400 gewinnen. 
Eine Ergänzung wäre nur im Bereiche der gro- 
ßen Fensterbogennische im 2. Obergeschoß des 
Hofraumes nötig, wo von den ehemaligen drei 
Fenstern nur noch eines erhalten ist. Da die an- 
deren beiden Fenster zwingend nachgewiesen 
werden können, dürfte die Rekonstruktion keine 
Schwierigkeiten bereiten. Dreifenstergruppen wa- 
ren bei bedeutenderen Patrizierhäusern des Mit- 
telalters durchaus üblich, wie Beispiele in Regens- 
burg (ln der Grieben 8) und Budapests beweisen. 
Mit der teilweisen Öffnung der neun heute noch 
vorhandenen gotischen Fenster an der West- 
und der Nordseite des „Bürgermeisterhauses", 
der Wiederherstellung des ursprünglichen Zu- 
standes der Dreifensternische an der Nordseite 
und der Freilegung des unter Putz noch vorhan- 
denen Zinnenkranzesf an der Nord- und West- 
seite könnte das Erscheinungsbild eines der äl- 
testen und wichtigsten Salzburger Häuser ohne 
viel Mühe wiedergewonnen werden. 
Bei dem „Hofchargenhaus" istdie Wiedergewin- 
nung des ursprünglichen Erscheinungsbildes in- 
sofern noch leichter möglich, als hier sämtliche 
spätgotische Stabwerkfenster, die Stadtbaumei- 
ster Franz Wagner im Jahre 1921 nicht sichtbar 
gelassen, sondern wieder verputzt hat, leicht 
wiedergiewonnen werden könnten. Eine Total- 
sanierung dieser Obiekte (Residenzplatz 2lAlter 
Markt 8 und Brodgasse 13) wäre nicht einmal 
dringend erforderlich, da ihr Bauzustand relativ 
gut und die innere Verbauung weit geringer ist 
als beim „Bürgermeisterhaus". Dringend ände- 
rungsbedürftig ist hier allerdings der Laden- 
einbau im Eckhaus Residenzplatz 2lAlter Markt B, 
einer iammervollen „Tischlerarchitektur" der Zeit 
um 1900, wie man sie leider in Salzburg auch 
noch an anderen Stellen finden kann. Die tri- 
10 
sten Schaufenstereinbauten kosten diesem schö- 
nen und städtebaulich enorm wichtigen Baukör- 
per an der Ecke des Alten Marktes und des Re- 
sidenzplatzes die Basis, genauer gesagt: Die 
Baden-Ständigkeitl Bei einer allfälligen Sanie- 
rung braucht auf die Schaufenster keineswegs 
verzichtet zu werden. Diese könnten sogar groß- 
zügiger ausgebaut werden, als sie sich zur Zeit 
präsentieren. Hinter dem scheinbar „einheitli- 
chen" Schaufenstereinbau verbergen sich näm- 
lich heute teilweise nur Schaukasten vor den 
tragenden Mauerpfeilern. Diese Mauerpfeiler 
müßten wieder sichtbar gemacht, als tragende 
Funktion gezeigt und mit demselben Konglo- 
meratstein verkleidet werden, wie sie der monu- 
mentale Eckpfeiler des ganzen Hauses besitzt. 
Nach der Durchführung dieser Maßnahmen wäre 
für Salzburg ohne große Kosten eines der schön- 
sten und markantesten spätgotischen Häuser 
nicht nur der Stadt Salzburg, sondern ganz 
Österreichs, wiedergewonnen: Ein neuer Fix- 
punkt im Stadtgetüge und ein Glanzstück im 
Stadtbild! Die Vorschläge wurden bereits 1972 
so rechtzeitig der Öffentlichkeit und den zustän- 
digen Stellen unterbreitet, daß sich dieses Haus 
1975 - im europäischen Jahr der Denkmalpflege, 
in dem Salzburg zu einer der österreichischen 
Modellstädte auserkoren wurde - im neuen 
Glanz präsentiert hätte. 
Die augenblicklichen Schwierigkeiten 
und deren Behebung 
Gerade aber gegen die Wiederaufdeckung der 
ursprünglich wertvollen Bausubstanz dieses Hau- 
ses hat es aus Gründen, die dem Verfasser und 
zahlreichen profilierten Vertretern der Fachwis- 
senschaft aus mehreren Ländern ganz unver- 
ständlich sind, stärkste Widerstände gegeben: 
1. Die „Sachverständigenkammissian" unter ih- 
rem derzeitigen Vorsitzenden, Landesbaudirek- 
tor Hofrat Willomitzer, hat schon 1970 den 
bekannten Grundsatz zementiert, daß eine Frei- 
legung älterer Bausubstanz als der barocken 
eine Störung des Salzburger Stadtbildes dar- 
stelle, das aus dem 16. und 19. Jahrhundert 
stammeÄ 
2. Bereits kurz nach der Freilegung der goti- 
schen Fenster durch Stadtbaumeister Franz Wag- 
ner im Jahre 1921 gab es eine Publikation", 
nach der die Anordnung der Fenster in der 
Form, wie sie sich heute präsentieren, aus kom- 
positorischen Gründen beabsichtigt gewesen sei. 
Diese etwas an den Haaren herbeigezogene und 
völlig unwahrscheinlich klingende Theorie kann 
allein schon durch die Tatsache widerlegt wer- 
den, daß in Presseberichten" aus der Zeit der 
Freilegung im Jahre 1921 ganz klar gesagt wur- 
de, daß diese spätgotischen Gewände an fast 
allen Fenstern zutage getreten seien. Doß man 
manche dieser Gewände am Ende wieder ver- 
putzt hat, liegt einzig und allein in der Tat- 
sache begründet, daß einzelne Fenster mehr oder 
weniger starke Beschädigungen aufwiesen. 
3. Nach einer 1972 durchgeführten Bauanalyse 
des Verfassers und einer umfassenden Bestands- 
aufnahme des Instituts für Baukunst und Bau- 
aufnahmen an der Technischen Hochschule zu 
Wien konnte fast problemlos der Zustand des 
Hauses mit seinen 19 vorhandenen und minde- 
stens elf derzeitig noch unter Putz liegenden Fen- 
stergewänden gezeichnet werden "Ä 
4. Gegen den Freilegungsvarschlag wandte sich 
der Journalist Franz Wagner" in einem Artikel 
der Salzburger Nachrichten". Hierin wird dem 
Verfasser unterstellt, er wolle im Endeffekt auch 
das Erdgeschoß regotisieren, gotischen Verputz 
„basteln" und die Grobendächer wiederherstel- 
len, was dieser als irreal und anachronistisch 
gar nicht erst in Erwägung gezogen hatte. Ohne 
auf die vorliegenden, wissenschaftlich stich 
gen Argumente überhaupt einzugehen, ldt 
zierte sich der Vorsitzende der Sachverst 
genkommission sofort unter diesem von 
unrichtigen Folgerungen ausgehenden Wa 
Artikel". 
Infolge der grundsätzlichen Wichtigkeit 4 
Problemstellung hat der Verfasser nun 
international anerkannte Kapazitäten in 
Ländern und in Berlin angeschrieben, ihne 
Unterlagen über die angeschnittene Proble 
zur Verfügung gestellt und sie um allf 
Stellungnahmen gebeten ". 
Die Antworten waren sämtliche positiv im 
der Auffassungen des Verfassers, zum Teil 
indigniert, weil man in Salzburg eine de 
einfache Frage in dieser Form problematisie 
Vor allem herrschte die Auffassung vor, 
eine Freilegung einer früheren als der bari 
Bauepoche nicht nur -kein „Schaden", so 
direkt ein Gewinn für das Stadtbild wärr 
daß man eine derartige Freilegung unbc 
erwarte. Das Vorgehen der Salzburger 
verständigen erinnere fatal an die längst 
holten Vorstellungen der Stilpuristen de 
Jahrhunderts, die nur einen Einheitsstil g 
ließen und Elemente, die nicht zu dem dorr 
ten Stil „passen" würden, einfach nich 
Kenntnis nehmen wollten. '5 
Die Gutachten wurden auch in einer gutbs 
ten Veranstaltung des Salzburger Stadtvei 
vorgetragen, wobei in der eingehenden D 
sion nur eine in der Thematik längst überh- 
Gegenstimme" zu hören war. 
Als im MailJuni 1973 die Jahrestogung 
Kaldewey-Gesellschaft in Salzburg abget 
wurde, ergab sich auch vor der gesamten 
senschaftlichen Prominenz aus zahlreichen 
dern die Möglichkeit, schon beim Eröffn 
vortrag des Verfassers in der Alten Unive 
auf diese Problematik hinzuweisen und 
Frage später auch vor dem Obiekt selbst : 
ärtern. Dabei stellte sich heraus, daß das 
gehen des Vorsitzenden der Salzburger 
verständigenkommission auf diesem Sektor 
nur nicht verstanden, sondern allgemein bi 
ert wurde. 
Schon längst vor diesen Vorgängen, die I 
mein Aufsehen erregt hatten, war aber ii 
Salzburger Presse mehrfach die Sachkomp 
der Sachverständigenkommission zur Diski 
gestellt worden. Eine Zeitung" stellte ihre 
ten für Namen und Lebensläufe der Koi 
sionsmitglieder zur Verfügung, die selbst in 
wohlinformierten Kreisen Salzburgs weithi 
bekannt waren. Nachdem die Kontroversen 
wegen anderer Probleme (AVA-Haus, E 
mäum-Mirabellgarten) im April 1974 einer 
dramatischen Höhepunkt erreicht hatten, m 
die führende Salzburger Tageszeitung den 
schlag, in eigener Regie einen „wissenschc 
kompetenten Dienst" für Fragen der Alt. 
erhaltung zu etablieren". 
Eine Bereinigung dieser leidigen Angelege 
die letztlich bewirkt hat, daß Salzburg im 
der Denkmalpflege 1975 - etwa vergliche 
der zweiten österreichischen Madellstadt (K 
- fast mit leeren Händen dasteht, wäre nur 
eine Novellierung des Salzburger Altstadt: 
tungsgesetzes 1967, das sich auch in am 
Punkten als nicht effektiv erwiesen hat, den 
Vor allem wären die Rolle und die Zusarr 
setzung der Sachverständigenkammission n 
überdenken. Bei dem am 12. September 
beschlossenen Grazer Altstadterhaltungsg 
das weitgehend auf den in Salzburg gema 
Erfahrungen basiert, können wir feststellen 
hier der Vorsitzende der Kommission nicht 
ex lege der Landesbaudirektor ist.
	        
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