bereits Stadtbaumeister Franz Wagner im Jahre
1937 anläßlich einer Fassadenerneuerung ent-
deckt hat: kleinere und größere spitzbogige
Fensteräffnungen, eine Fenstergruppe unter
einem großen Entlastungsbogen und den ab-
schließenden Zinnenkronz dieses Gebäudes. An
eine Generalsanierung des schon um 1930 deso-
laten Obiektes war aber damals in einer Zeit
großer Not nicht zu denken. Heute wäre dage-
gen (vielleicht tür nicht mehr allzu lange Zeit?)
die Chance gegeben, eine Generalsanierung
durchzuführen und diese Problemzone wieder
zu regenerieren.
Zielführend ist diese Maßnahme allerdings nur,
wenn zumindest das Obiekt Rudalfskai Nr. 4 in
die Sanierungsmaßnahmen einbezogen wird. Do-
bei wurden folgende Zielvorstellungen entwik-
keltt: '
1. Ausräumung des Zwischenbereiches zwischen
Obiekt Kranzlmarkt Nr. 3 und dem Rathaus.
2. Völlige Freilegung des Hofraumes mit den
Arkaden aus dem 16. Jahrhundert.
3. Einrichtung einer Ladenpassage zwischen
Kranzlmarkt (Getreidegasse) und Rudolfskai.
4. Verlegung des Stiegenhauses und Einbau
moderner Wohnungen in beiden Obiekten.
5. Sinnvolle Einbeziehung der Reste der Bau-
epoche des 14. Jahrhunderts in die Neuplanung.
Allein die Reihenfolge des Maßnahmenkataloges
beweist hier schon zur Genüge, daß die Heraus-
arbeitung der historischen Substanz nicht A-us-
gangspunkt, sondern Folgeerscheinung der Sa-
nierung ist. Sie würde das Stadtbild am Kranzl-
markt (Getreidegasse) nicht „stören", sondern nur
in dem kleinen Bereich der Passage und des
Hofes - hier allerdings sehr dominant - wirk-
sam werden.
Hinter einer relativ unbedeutenden Fassade aus
dem 19. Jahrhundert würde man einen höchst
instruktiven Einblick in einen im Original fast
völlig erhaltenen zentralen Bereich von Salzburg
um 1400 gewinnen.
Eine Ergänzung wäre nur im Bereiche der gro-
ßen Fensterbogennische im 2. Obergeschoß des
Hofraumes nötig, wo von den ehemaligen drei
Fenstern nur noch eines erhalten ist. Da die an-
deren beiden Fenster zwingend nachgewiesen
werden können, dürfte die Rekonstruktion keine
Schwierigkeiten bereiten. Dreifenstergruppen wa-
ren bei bedeutenderen Patrizierhäusern des Mit-
telalters durchaus üblich, wie Beispiele in Regens-
burg (ln der Grieben 8) und Budapests beweisen.
Mit der teilweisen Öffnung der neun heute noch
vorhandenen gotischen Fenster an der West-
und der Nordseite des „Bürgermeisterhauses",
der Wiederherstellung des ursprünglichen Zu-
standes der Dreifensternische an der Nordseite
und der Freilegung des unter Putz noch vorhan-
denen Zinnenkranzesf an der Nord- und West-
seite könnte das Erscheinungsbild eines der äl-
testen und wichtigsten Salzburger Häuser ohne
viel Mühe wiedergewonnen werden.
Bei dem „Hofchargenhaus" istdie Wiedergewin-
nung des ursprünglichen Erscheinungsbildes in-
sofern noch leichter möglich, als hier sämtliche
spätgotische Stabwerkfenster, die Stadtbaumei-
ster Franz Wagner im Jahre 1921 nicht sichtbar
gelassen, sondern wieder verputzt hat, leicht
wiedergiewonnen werden könnten. Eine Total-
sanierung dieser Obiekte (Residenzplatz 2lAlter
Markt 8 und Brodgasse 13) wäre nicht einmal
dringend erforderlich, da ihr Bauzustand relativ
gut und die innere Verbauung weit geringer ist
als beim „Bürgermeisterhaus". Dringend ände-
rungsbedürftig ist hier allerdings der Laden-
einbau im Eckhaus Residenzplatz 2lAlter Markt B,
einer iammervollen „Tischlerarchitektur" der Zeit
um 1900, wie man sie leider in Salzburg auch
noch an anderen Stellen finden kann. Die tri-
10
sten Schaufenstereinbauten kosten diesem schö-
nen und städtebaulich enorm wichtigen Baukör-
per an der Ecke des Alten Marktes und des Re-
sidenzplatzes die Basis, genauer gesagt: Die
Baden-Ständigkeitl Bei einer allfälligen Sanie-
rung braucht auf die Schaufenster keineswegs
verzichtet zu werden. Diese könnten sogar groß-
zügiger ausgebaut werden, als sie sich zur Zeit
präsentieren. Hinter dem scheinbar „einheitli-
chen" Schaufenstereinbau verbergen sich näm-
lich heute teilweise nur Schaukasten vor den
tragenden Mauerpfeilern. Diese Mauerpfeiler
müßten wieder sichtbar gemacht, als tragende
Funktion gezeigt und mit demselben Konglo-
meratstein verkleidet werden, wie sie der monu-
mentale Eckpfeiler des ganzen Hauses besitzt.
Nach der Durchführung dieser Maßnahmen wäre
für Salzburg ohne große Kosten eines der schön-
sten und markantesten spätgotischen Häuser
nicht nur der Stadt Salzburg, sondern ganz
Österreichs, wiedergewonnen: Ein neuer Fix-
punkt im Stadtgetüge und ein Glanzstück im
Stadtbild! Die Vorschläge wurden bereits 1972
so rechtzeitig der Öffentlichkeit und den zustän-
digen Stellen unterbreitet, daß sich dieses Haus
1975 - im europäischen Jahr der Denkmalpflege,
in dem Salzburg zu einer der österreichischen
Modellstädte auserkoren wurde - im neuen
Glanz präsentiert hätte.
Die augenblicklichen Schwierigkeiten
und deren Behebung
Gerade aber gegen die Wiederaufdeckung der
ursprünglich wertvollen Bausubstanz dieses Hau-
ses hat es aus Gründen, die dem Verfasser und
zahlreichen profilierten Vertretern der Fachwis-
senschaft aus mehreren Ländern ganz unver-
ständlich sind, stärkste Widerstände gegeben:
1. Die „Sachverständigenkammissian" unter ih-
rem derzeitigen Vorsitzenden, Landesbaudirek-
tor Hofrat Willomitzer, hat schon 1970 den
bekannten Grundsatz zementiert, daß eine Frei-
legung älterer Bausubstanz als der barocken
eine Störung des Salzburger Stadtbildes dar-
stelle, das aus dem 16. und 19. Jahrhundert
stammeÄ
2. Bereits kurz nach der Freilegung der goti-
schen Fenster durch Stadtbaumeister Franz Wag-
ner im Jahre 1921 gab es eine Publikation",
nach der die Anordnung der Fenster in der
Form, wie sie sich heute präsentieren, aus kom-
positorischen Gründen beabsichtigt gewesen sei.
Diese etwas an den Haaren herbeigezogene und
völlig unwahrscheinlich klingende Theorie kann
allein schon durch die Tatsache widerlegt wer-
den, daß in Presseberichten" aus der Zeit der
Freilegung im Jahre 1921 ganz klar gesagt wur-
de, daß diese spätgotischen Gewände an fast
allen Fenstern zutage getreten seien. Doß man
manche dieser Gewände am Ende wieder ver-
putzt hat, liegt einzig und allein in der Tat-
sache begründet, daß einzelne Fenster mehr oder
weniger starke Beschädigungen aufwiesen.
3. Nach einer 1972 durchgeführten Bauanalyse
des Verfassers und einer umfassenden Bestands-
aufnahme des Instituts für Baukunst und Bau-
aufnahmen an der Technischen Hochschule zu
Wien konnte fast problemlos der Zustand des
Hauses mit seinen 19 vorhandenen und minde-
stens elf derzeitig noch unter Putz liegenden Fen-
stergewänden gezeichnet werden "Ä
4. Gegen den Freilegungsvarschlag wandte sich
der Journalist Franz Wagner" in einem Artikel
der Salzburger Nachrichten". Hierin wird dem
Verfasser unterstellt, er wolle im Endeffekt auch
das Erdgeschoß regotisieren, gotischen Verputz
„basteln" und die Grobendächer wiederherstel-
len, was dieser als irreal und anachronistisch
gar nicht erst in Erwägung gezogen hatte. Ohne
auf die vorliegenden, wissenschaftlich stich
gen Argumente überhaupt einzugehen, ldt
zierte sich der Vorsitzende der Sachverst
genkommission sofort unter diesem von
unrichtigen Folgerungen ausgehenden Wa
Artikel".
Infolge der grundsätzlichen Wichtigkeit 4
Problemstellung hat der Verfasser nun
international anerkannte Kapazitäten in
Ländern und in Berlin angeschrieben, ihne
Unterlagen über die angeschnittene Proble
zur Verfügung gestellt und sie um allf
Stellungnahmen gebeten ".
Die Antworten waren sämtliche positiv im
der Auffassungen des Verfassers, zum Teil
indigniert, weil man in Salzburg eine de
einfache Frage in dieser Form problematisie
Vor allem herrschte die Auffassung vor,
eine Freilegung einer früheren als der bari
Bauepoche nicht nur -kein „Schaden", so
direkt ein Gewinn für das Stadtbild wärr
daß man eine derartige Freilegung unbc
erwarte. Das Vorgehen der Salzburger
verständigen erinnere fatal an die längst
holten Vorstellungen der Stilpuristen de
Jahrhunderts, die nur einen Einheitsstil g
ließen und Elemente, die nicht zu dem dorr
ten Stil „passen" würden, einfach nich
Kenntnis nehmen wollten. '5
Die Gutachten wurden auch in einer gutbs
ten Veranstaltung des Salzburger Stadtvei
vorgetragen, wobei in der eingehenden D
sion nur eine in der Thematik längst überh-
Gegenstimme" zu hören war.
Als im MailJuni 1973 die Jahrestogung
Kaldewey-Gesellschaft in Salzburg abget
wurde, ergab sich auch vor der gesamten
senschaftlichen Prominenz aus zahlreichen
dern die Möglichkeit, schon beim Eröffn
vortrag des Verfassers in der Alten Unive
auf diese Problematik hinzuweisen und
Frage später auch vor dem Obiekt selbst :
ärtern. Dabei stellte sich heraus, daß das
gehen des Vorsitzenden der Salzburger
verständigenkommission auf diesem Sektor
nur nicht verstanden, sondern allgemein bi
ert wurde.
Schon längst vor diesen Vorgängen, die I
mein Aufsehen erregt hatten, war aber ii
Salzburger Presse mehrfach die Sachkomp
der Sachverständigenkommission zur Diski
gestellt worden. Eine Zeitung" stellte ihre
ten für Namen und Lebensläufe der Koi
sionsmitglieder zur Verfügung, die selbst in
wohlinformierten Kreisen Salzburgs weithi
bekannt waren. Nachdem die Kontroversen
wegen anderer Probleme (AVA-Haus, E
mäum-Mirabellgarten) im April 1974 einer
dramatischen Höhepunkt erreicht hatten, m
die führende Salzburger Tageszeitung den
schlag, in eigener Regie einen „wissenschc
kompetenten Dienst" für Fragen der Alt.
erhaltung zu etablieren".
Eine Bereinigung dieser leidigen Angelege
die letztlich bewirkt hat, daß Salzburg im
der Denkmalpflege 1975 - etwa vergliche
der zweiten österreichischen Madellstadt (K
- fast mit leeren Händen dasteht, wäre nur
eine Novellierung des Salzburger Altstadt:
tungsgesetzes 1967, das sich auch in am
Punkten als nicht effektiv erwiesen hat, den
Vor allem wären die Rolle und die Zusarr
setzung der Sachverständigenkammission n
überdenken. Bei dem am 12. September
beschlossenen Grazer Altstadterhaltungsg
das weitgehend auf den in Salzburg gema
Erfahrungen basiert, können wir feststellen
hier der Vorsitzende der Kommission nicht
ex lege der Landesbaudirektor ist.