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EINFÜHRUNG
Um auch in dieser Epoche die Eigenart des Donauländischen zu erkennen, ist der
Vergleich mit dem großartigen Schnitzaltar dienlich, der in den gleichen Jahren in
Wien von einem aus Bayern gekommenen Meister geschaffen worden ist. Die derbe,
vielfach karikierende und brutale Wildheit seiner Darstellungen hebt sich von den
gleichzeitigen bodenständigen Schöpfungen, unter denen ein Jakob Kaschauer nahe
stehender Petrus als Papst hervorragt, deutlich ab.
Die folgende Epoche der deutschen Malerei wird auch im Donauland durch den fast
überwältigenden Eindruck der Niederländer bezeichnet, deren Figurenkompositionen
und deren Technik von den führenden Malern erstaunlich getreu übernommen werden.
Zu dem Meister des Marienlebens in Köln und den Nürnberger Malern Pleydenwurff
und Wolgemut gesellt sich die Werkstatt des Wiener Schottenaltars. Freilich — so
ähnlich für den ersten Blick ihre Bilder denen des Rogier van der Weyden und seiner
Schule sind — enthüllt sich doch bald das typisch Deutsche und darüber hinaus das
Wienerische an ihnen. Die eigentümliche Liebe, mit der gerade hier die Heimatstadt
und ihre Umgebung in den Hintergrundslandschaften erscheint, spiegelt einen Zug
wieder, der bis in die Gegenwart herauf für unserem Stamm bezeichnend ist. Keine
andere Malerschule von damals hat uns so treue Bilder des mittelalterlichen Gesichts
einer deutsdien Stadt bewahrt.
Die folgende Epoche des ausgehenden 15. Jahrhunderts, deren Kunst man unter dem
Begriff der „letzten Gotik“ zusammenfassen kann, hat auf unserem Boden ebenso wie
in ganz Süddeutschland vor allem in der Plastik Unsterbliches geschaffen. Es ist die
Zeit der großen Schnitzaltäre von St. Wolfgang und Krakau, von Blaubeuren und
Kefermarkt. Das Donauland hat an ihr einen besonders großen Anteil. In unserer Aus
stellung vertritt der Meister der Wiener-Neustädter Domapostel, Lorenz Luchsperger,
diese Zeit am großartigsten. Man wird seinen in Ausdruck und Charakterzeichnung
gleich monumentalen Figuren richtig gerecht, wenn man sich vorstellt, daß sie nicht für
die Nahsicht bestimmt, sondern in einer das Barock vorwegnehmenden Art auf ihren
Standpunkt hoch oben an den Kirchenpfcilern berechnet sind.
Der schöne Reliefschrein des Marientodes aus Herzogenburg steht Luchspergers
Figuren am nächsten.
Um 1500 sieht das Donauland einige der größten deutschen Maler der Dürer-Zeit
als seine Gäste. Lukas Cranach hat in Wien seine erstaunlichen Frühwerke geschaffen.
Der Augsburger Jörg Breu schuf als Gesell in einer Kremser Werkstatt Altargemälde,
die sich heute in Zwettl, Melk und Herzogenburg befinden. Wenig später ist der in
Passau ansässige Maler Wolf Huber im Land gewesen und hat in seinen Zeichnungen
als erster Landschaften des Salzkammergutes und des Donaugebietes festgehalten. Und
endlich hat gleich ihm Albrecht Altdorfer für die Stifte des oberen Donaugaues, für
St. Florian, gearbeitet. Der prächtige Altar des Regensburger Meisters, der schon bei
der Altdorfer-Ausstellung in München den Höhepunkt bildete, ist für die Wiener Schau
von dem künstlichen Braunfirnis des 19. Jahrhunderts befreit worden und strahlt erst
jetzt in der ganzen Schönheit seiner zauberhaften Farben. Zu diesen Fremden gesellt
sich als Bodenständiger der wohl in Wien ansässige Maler des Pulkauer Altars, ein
Schüler Albrecht Altdorfers, doch von sehr bezeichnender, für seine Heimat charakte
ristischen Eigenart.
Auch in der Skulptur ist in dieser Zeit auffällig, daß die bedeutendsten Werke von
Gästen geschaffen werden. Die Schutzmantelmadonna des großen südschwäbischen
Meisters Gregor Erhärt aus Frauenstein in Oberdonau und das Falknerfigürchen des