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dass wir zweierlei Stylrichtungen auf dies hin in einem und demselben
Werke zusammenstellen dürften.
Dafür verdient vor Allem die schon rühmlichst bekannte Tiroler
Glasmalerei-Anstalt von A. Neuhauser in Innsbruck die wärmste
Anerkennung. Ihre ausgestellten Malereien sind (nebst einigen geätzten
Ornamentmustertafeln nach französischen Vorlagen) durchweg mit der
genauesten Beobachtung alter Muster, ja mit wahrer Selbstverleugnung
ausgeführt. Mit Selbstverleugnung, denn es gehört eine hohe Einsicht
und eine sehr schätzenswerthe Kenntniss der geschichtlichen Entwicklung
in den Künsten dazu, wenn ein Künstler heutzutage, wo das allgemeine
Vorurtheil gegen die alte heimische Kunst geht und die Modehaftigkeit
der Renaissancenachfälschung allenthalben den Geschmack auf eine gewisse
Banalität geschniegelter Formen eindressirt hat, welcher das Markige,
Geistvolle, aber etwas echt deutsch Unbeholfene dieses Styles ein Gräuel
ist. Wir schätzen dieses hoch, weil es so unendlich leichter ist, unbewusst
in jenem breiten Gleise einherzutraben, als entschieden einer Ueberzeugung
zu folgen, wenn deren Consequenzen auch nicht hoffen dürfen, bei dem
Tagesgeschmacke grossen Anklang zu finden. Das einem gothischen Glas
gemälde der Kirche von Nonnberg bei Salzburg nachgebildete Stück,
St. Petrus und Paulus, ist allerdings eine strenge Copie, beweist aber,
dass eine Anstalt wie die, aus welcher es hervorgegangen ist, durchaus,
in artistischer wie in technischer Hinsicht befähigt ist, eine neue Kirche
im Style des Mittelalters mit Glasmalereien auszustatten, welche der im
alten Geiste erdachten Architektur nicht wie ein fremdartiger Lappen aus
dem Harlequinkleide des 19. Jahrhunderts störend und unharmonisch
eingeflickt wären. Ein zweites Bild, auch nach altem Vorbilde, doch, wie
uns bedünken will, nach einem Tafelgemälde entworfen, zeichnet sich durch
tiefes Colorit und schöne Zeichnung sehr vortheilhaft aus. Was das
Tiroler Glasmalerei-Institut zu leisten im Stande sein wird, wenn auch die
Entwürfe zu den Arbeiten den Händen hervorragender Künstler ihren
Ursprung verdanken, das zeigt in eminentem Grade das Stiegenhausfenster
des Museums, welches in Innsbruck nach Zeichnung Prof, von Ferstel’s
ausgeführt wurde.
Ganz ornamental gehalten übt die leichte Malerei in den Formen
der Renaissance, und zwar mehr derjenigen, wie sie die spätere, an italie
nischen Mustern gebildete Schule der Niederländer des 16. Jahrhunderts
pflegte, eine reizende Wirkung aus und liefert den Beweis, dass die An
stalt auch diesem wälschen Genre trefflich gerecht zu werden vermag.
Wir erwarten die beiden andern Fenster für dieses Local mit erneutem
Vertrauen auf die gut geleitete Anstalt. In denselben werden grau in
grau Medaillonsporträts vorzüglicher österr. Kunstgönner, Stifter und
Ordner von Sammlungen des Kunstfaches in Ornamenten angebracht sein.
Die Verleugnung des Modernen und der Vortheile, welche dasselbe
zum Theil der alten Weise gegenüber im Gefolge hat, spricht sich in den