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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 5)

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Aufschwung. Aber schon die 
Zeit der Kreuzzüge bedeutet 
für die byzantinische Kunst 
die Periode des Verfalles; mit 
der Eroberung Konstantino- 
pels durch die Türken (1453) 
ist der byzantinischen Kunst 
völlig der heimische Boden 
entrissen. Aus jener Renais- 
sancezeit der byzantini- 
schen Miniaturmalerei, die 
wir etwa in das X. bis XII. 
Jahrhundert setzen dürfen, 
hat sich eine stattliche An- 
zahl merkwürdiger und für 
die Bücherillustration auf- 
schlussreicher Denkmäler 
erhalten. 
Was zunächst auffällt, 
ist der Umstand, dass die 
Initiale lange nicht jene Be- 
deutung besitzt, die sie in den 
okzidentalen Schulen innehat. Einfache Mittel, eine Umrisszeichnung, manch- 
mal ein massiver, grösserer Buchstabe, kennzeichnen den Abschnittsanfang. 
Daneben finden wir Initialen, die verschlungen aus Bildern lebender Wesen 
_ Menschen und Tiere - zusammengesetzt sind (so ein ll aus zwei 
stehenden Männern); immer sind bescheidene Proportionen eingehalten, das 
mächtige Übergreifen der Initiale auf den Rand und deren Ausgestaltung zur 
Leiste fehlt. Einen charakteristischen Ersatz hiefür bietet die reichoma- 
mentierte Kopfleiste vor den Textabschnitten; sie ist meist oblong, in der 
Mitte oder rahmenförmig nach unten zur Aufnahme des Titels geöffnet. Man 
könnte diese Kopfstücke Initialornamente nennen, weil sie gar häufig in 
räumlichem, auch in stilistischem Zusammenhange mit dem Anfangsbuch- 
staben stehen. Die für die byzantinische Schule charakteristische Gold- 
behandlung feiert hier Triumphe. Aber auch die farbige Ornamentierung, 
wiederholt in Medaillonform, sucht an zarter Zeichnung und Farbenabtönung 
ihresgleichen. Zweifellos waren byzantinische Goldzellenemails hier hervor- 
ragende Vorbilder. (Proben aus den Evangeliaren des X. und XI. Jahrhun- 
derts, theol. gr. 240 und 154.) Kein Wunder, dass gelehrige Schüler der 
Byzantiner sich diese Vorbilder, wie wir noch sehen werden, zu eigen 
machten. 
Ausser diesen charakteristischen Initialornamenten gelangten andere 
Text- oder Kolumnenaufsätze zu hoher Entwicklung, für die gleichfalls die 
Wiener Handschriften bemerkenswerte Belege bieten. So beispielsweise die 
 
Evangeliar (Theol. gr. x54)
	        
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