das Motiv des ersten Penelope-Bildes der Pariser Handschrift jedoch für
das erste kleine Bild auf dem Phyllis-Blatte, und ferner, wie wir noch
hinzufügen wollen, auch auf dem vierten Hauptbilde verwertetf"
Auf dem unteren Teile der Umrahmung der Bilder in der Wiener
Handschrift liest man IL CE FERA, darunter auf einem geschwungenen
Spruchbande POC A POC; rechts auf dem Spruchbande ein den jüdischen
Gesetzestafeln ähnliches Diptychon mit gekritzelten Zeichen, die hebräische
Buchstaben nachahmen.
Aus der grossen Zahl französischer Bilderhandschriften der Wiener
Hofbibliothek, die ausser den bereits gewürdigten sich der Besprechung
besonders empfehlen, heben wir noch zwei Stücke heraus, welche die
illustrative Arbeit der französischen Malschule nach zwei stark divergierenden
Richtungen veranschaulichen.
Der künstlerische Wert des I-Iauptbildes, das den „Livre de l'ordre de
tres crestien Roy de France Loys XIe a l'onneur de Saint Michel" (Ende des
XV. Jahrhunderts, cod. 2637) schmückt, ist verschieden beurteilt worden;
Waagen (a. a. O. II, 79) meint, er sei sehr untergeordnet; im Gegensatz
hiezu hat Durrieu (Bibliotheque de l'Ecole des Chartes 1892, S. 118 f., und
in seinem Buche: Jacques de Besancon, 83 ff.) diese Arbeit für eine der
besten Jacques de Besancons bezeichnet, dem er, wie man sich erinnert, auch
die überwiegende Mehrzahl der Bilder des früher ausführlich besprochenen
Gebetbuches (cod. 1540) zuweist. Jedenfalls ist das Bild ein beachtenswertes
Gegenstück zu der schönen, ein Pariser Exemplar der Statuten (Bibliotheque
Nationale F. Fr. 19819) schmückenden Miniatur, die Durrieu Jean Foucquet
zuweist. (Vergl. Gazette Archeologique XIV, 1889, 61 ff. u. Pl. 14.)
Ludwig XI. erscheint im königlichen Ornat und mit der Krone auf
dem Haupte, von einer grösseren Zahl von St. Michael-Ordensrittern
umgeben. Auf dem Tische rechts sieht man die Insignien des Ordens, zu
denen auch der weisse Mantel gehört. Ganz vorn kniet vor dem Könige ein
Sekretär, der bereit ist, das Protokoll der Zeremonie aufzunehmen. Den
Abschluss des Zimmers nach vorn bilden rechts und links zwei, spätgotische
Motive zeigende Kolumnen; jede trägt einen Engel, welcher einen Schild
umfasst, auf dem die Lilien sichtbar sind. Als Verbindung der beiden Engel
und als gleichzeitiger Abschluss des Rahmens nach oben dient ein gotischer
Bogen.
In einen völlig verschiedenen Kreis führt uns das aus der Hand-
schrift 2625 reproduzierte Bild, eine Illustration zu dem „Changement de
fortune en toute prosperite faicte pour madame Merguerite, Archeducesse
d'Austriche", verfasst von dem Neapolitaner Michele Ricci, der die
Stelle eines Rates des Königs von Frankreich bekleidete. Das vorgeführte
Bild wird durch den Titel des Werkes erklärt. Links sehen wir die geflügelte
"f Die in der Ambrosiana zu Mailand befindliche Handschrift J. 69. Sup. aus dem XVJahrhundert ent-
hält eine italienische Prosaübersetzung der Heroiden mit leicht kolorierten Federzeichnungen. Diese füllen ohne
Feldereinteilung den unteren Rand der beschriebenen Blätter. Penelope erscheint schreibend links im
Vordergrund, Telemach ihr zur Seite; rechts ein grosser Webstuhl. Der Phyllisbrief hat kein Bild.