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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 11)

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Der gute Hirt ist bekanntlich die altchristliche Weiterbildung des an- 
tiken Orpheus unter den Tieren. Die Anordnung lebt noch heute fort in 
den zur Weihnachtszeit üblichen Krippen mit ihren auf Felsen um das 
Christkind aufgestellten Herden von Tieren; die Ähnlichkeit mit solchen 
wird noch durch die grottenartigen Umrahmungen einzelner Figuren der 
Schale, wie des Kentauren, des Nashorns, des Hirsches verstärkt. 
Zur Herstellung des Reliefs konnten weder eine Gesarntform noch 
Einzelstempel verwendet werden. Seine Technik ist vielmehr dieselbe, wie 
die der Skelettbecher des Museums von Orleans und der Sigillatabecher und 
Flaschen mit Medaillonbesatz. Das Relief wurde mit einer Negativform auf 
einen flachen Kuchen von Sigillataton aufgepreßt, in die Höhlung der bereits 
vorgearbeiteten Schale gelegt und dieser durch Drehung auf der Töpfer- 
scheibe angepaßt. An den Rändern, wo die Zentrifugalkraft am stärksten 
wirkte und wohl auch der Töpfer mit dem Stäbchen nachdrückte, sind die 
Formen etwas ineinander getrieben, teilweise ganz verßacht. Der Rand der 
Schale war ursprünglich leicht über den Grund erhaben; nach Einsetzung 
des Reliefs wurden die Stoßkanten verstrichen, wobei die Perlenschnur, 
welche das Relief umrahmt, zum Teile verloren ging. An den Bruchstellen 
ist die doppelte Schichtung wahrzunehmen; die untere, den Körper der 
Schale bildend, ist heller und glanzlos, die obere dunkler, fein poliert und an 
den nicht relieiierten Teilen äußerst dünn. Im XVI. Jahrhundert wurde die 
gleiche Manier wieder zur Dekoration des Siegburger Steinzeugs ange- 
wendet. 
Die Höhe des Reliefs wechselt in drei Stufen. Die größte erreicht es 
in der Figur des Orpheus, kaum ein Drittel davon in den Tierfiguren, noch 
flacher wird es in den Terrainstreifen, Bäumen und Blättern. Die Behand- 
lung des Felsens, auf welchem der I-Ieros sitzt, erinnert an die der Brunnen- 
reliefs im Palazzo Grimani und an andere Marmorarbeiten hellenistisch- 
römischen Stils, nur tritt an Stelle der „umrahmenden Höhle" der Baum 
mit seinen Ästen und Blättern. Auch seine Bildung ist jenen Reliefs verwandt, 
der Stamm ist knorrig und gewunden, das Laub spärlich und zerteilt. 
Die Tiere sind naturalistisch aufgefaßt, gut gezeichnet und reich detail- 
liert, obgleich das Relief nicht sehr scharf ausgeprägt ist. In Gegensatz zu 
jenen steht die steife, an altägyptische Muster erinnernde Stilisierung der 
Palmen. In Rom herrschte schon in der frühen Kaiserzeit, durch die Zirkus- 
hetzen hervorgerufen, eine große Vorliebe für Tierdarstellungen, welcher 
die hellenistische Kunst entgegenkam; sie steigerte sich im Laufe der Zeit 
immer mehr und verbreitete sich in alle Provinzen. Unter den Tierfiguren 
der Schale fallen am meisten die durch alexandrinische Arbeiten importierten 
Typen auf, der Affe, der Elefant, das Nashorn, das Nilpferd, das Kamel, der 
Ichneumon. Alexandrinische Künstler, welche von den alten Ägyptern die 
Vorliebe für Tierdarstellungen übernommen hatten, zogen zuerst, und zwar 
bei Münzen und geschnittenen Steinen die Szene der Tierbändigung durch 
Orpheus in ihren Darstellungskreis. Seine höchste Volkstümlichkeit erlangte
	        
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