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Volltext: Monatszeitschrift XIII (1910 / Heft 4)

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Interesse für sich in Anspruch nehmen, so enthält die Geistliche Schatzkammer doch auch 
eine ganze Reihe künstlerisch wertvoller Gegenstände, deren Zahl freilich durch Abgabe 
vieler solcher, die weder zum kirchlichen Gebrauch dienen noch Reliquien enthalten, an 
das 1890 eröffnete Kunsthistorische Hofmuseum etwas geschmälert wurde. 
Den ersten Platz unter den kunstgeschichtlich merkwürdigen Dingen, mit denen 
allein sich diese Zeilen selbstverständlich beschäftigen wollen, nehmen unbedingt die 
Gobelins ein, deren schönste im Vorraume untergebracht sind. Unter ihnen wieder sticht 
ein kleiner Wandbehang hervor, der die Taufe Christi darstellt und Ende des XV. Jahr- 
hunderts in Brüssel entstanden ist. Er wirkt wie ein Bild von Dierick Bouts. Aber auch ein 
zweiter, ungefähr gleich großer Arazzo desselben Gegenstandes, doch schon aus dem 
Beginn des XVI. Jahrhunderts stammend und als Brüsseler Arbeit bereits durch den 
Michaelsturm dieser Stadt im Hintergrund der Darstellung kenntlich, verdient als aus- 
gezeichnetes Stück eingehende Betrachtung. Prachtvoll ist ferner ein großer, im Vorsaal 
aufgehängter Wandteppich, der zu einer Serie von Trionii gehört, den Triumph der 
Dreifaltigkeit darstellt, vom Anfang des XVI. Jahrhunderts stammt und sicher eine 
französische (nicht, wie Birk meint, eine Flämische) Arbeit ist. Die übrigen ausgestellten 
Stücke aus der zweiten Hälfte des XVI. und vom Beginn des XVII. Jahrhunderts sind 
nicht minder kostbar, sagen aber, der Manieristenzeit entwachsen, dem modernen 
Geschmack weniger zu. 
Bei dieser Gelegenheit sei es erlaubt, kurz abschweifend, einem in den Kreisen der 
Kunstforscher und Kunstfreunde längst gehegten Wunsche wieder einmal Ausdruck zu 
leihen. Das österreichische Kaiserhaus besitzt - was bei dem stets durch seinen Kunst- 
sinn ausgezeichneten ältesten Herrschergeschlecht auf den europäischen Thronen nicht 
wundernehmen kann - eine der reichhaltigsten und kostbarsten Sammlungen von Gobelins, 
eine Sammlung, die den Vergleich mit Madrid, Paris und Florenz in keiner Hinsicht zu 
scheuen hat. Viele dieser Tapisserien sind natürlich in der Hofburg und auf den kaiser- 
lichen Schlössern in Verwendung, der weitaus größte Teil aber liegt eingerollt oder hängt 
im Schönbrunner Depot. Dem Kunstfreund blutet das Herz, malt er sich aus, welche Welt 
der herrlichsten Bilder, woran sich Tausende und aber Tausende erfreuen könnten, da 
förmlich eingesargt ist. Möge doch endlich dieser köstlichste Schatz in einem eigenen 
Museum der Allgemeinheitdzugänglich gemacht werden! Die Benutzung der Gobelins 
durch den Hof brauchte dadurch keineswegs eingeschränkt oder erschwert zu werden, 
wie gerade das Beispiel der Geistlichen Schatzkammer lehrt, die ja auch fast durch- 
gehends Objekte enthält, die fortwährend zum Gottesdienst gebraucht werden und nun- 
mehr trotzdem der öffentlichen Besichtigung oifenstehen. Die kaiserlichen Gobelins sind 
nicht einmal noch ordentlich publiziert, umfaßt doch Ernst von Birks karg illustriertes 
knappes Inventar in den ersten beiden Bänden des Jahrbuchs nur die niederländischen 
Gewebe. 
Von den Textilien wäre noch eine gestickte Kasel aus dem Besitze Kaiser Maximilians 
von Mexiko zu erwähnen. Sie zeigt in plastischer Applikation aus Seidenstolfen und 
Schnüren den Heiland an ein Baumkreuz genagelt, dessen Fuß Maria Magdalena umfaßt 
hält. Zu dieser deutschen Arbeit des XV. Jahrhunderts bildet die Kasel mit dem Gekreuzig- 
ten und einem Engel im Kunsthistorischen Museum ein interessantes italienisches Seiten- 
stück ungefähr aus der gleichen Zeit. 
Im übrigen machen selbstverständlich die zumeist prachtvoll gestickten Paramente, 
von denen nur wenige unter das XVIII. Jahrhundert hinabreichten, den Hauptbestandteil 
der Sammlung aus. 
Die Kleinplastik ist besonders durch Elfenbeinkruzitixe gut vertreten. Unter dieser; 
sei die Gruppe der drei Kreuze mit dem Erlöser und den beiden Schächern hervorgehoben. 
Der rechte Schächer nämlich erinnert im Kopftypus an den sogenannten heiligen Sebastian 
im Hofmuseum, der samt seinem Pendant, dem heiligen Hieronymus, jüngst von Julius 
von Schlosser in die Nähe Leonhard Kerns gerückt wurde. Die Gruppe scheint ein Werk
	        
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