Über die italienischen Arbeiten werden wir noch später zu sprechen
haben. Wir wollen hier zunächst nur diejenigen orientalischen Gruppen kurz
erwähnen, die sich auch auf der Ausstellung selbst als solche herausheben.
Hier wären vor allem die Stoffe zu nennen, die wohl mit Recht als Werke des
mamelukischen Gebietes und des XIII. und XIV. Jahrhunderts angesehen
werden. Die besten Stücke entstammen der Marienkirche zu Danzig, wovon
ein Beispiel auf Seite 443 abgebildet ist.
Da in der Mamelukenzeit Ägypten und Syrien in engster Verbindung
standen, ist eine nähere örtliche Zuschreibung sehr schwierig; doch scheint
neben dem alten Seidenlande Syrien auch Ägypten in dieser Zeit nicht nur in
der Erzeugung der Goldfäden, sondern auch in der Erzeugung von Gold-
seidenstoffen sehr wichtig zu sein.
Karabacek, ein Begründer unserer Kenntnis der orientalischen Stoffe,
hat neuerdings (in den Schriften der kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften in Wien) eine eingehende Untersuchung über die Schriftbänder,
Thiraz, die wir auch auf dem abgebildeten Stück in reicher Entwicklung
sehen, veröffentlicht.
Im übrigen können wir schon bei diesem Stoffe ganz deutlich ost-
asiatische Einflüsse, die dann immer stärker und stärker werden, bemerken.
Wenn wir zum Beispiel den dunkleren wagrechten Streifen betrachten,
der von der Kapuze überschnitten wird, so bemerken wir darin zweierlei
Palmettenformen miteinander abwechseln. In der Mitte der einen befindet
- sich eine mondförmige Gestalt mit einer kleinen Rundscheibe darin. Es ist
dies nichts anderes als die vereinfachte Wiedergabe der in den buddhistischen
Ländern, besonders auch in Ostasien, üblichen religiös-sinnbildlichen Dar-
stellungen von Kristallkugeln mit Glanzlicht und Reflex. Diese Kugeln
erscheinen entweder in Flammen oder in lotosartiger Umfassung. Die
Mondform mit der kleinen Scheibe, welch letztere ursprünglich eben das
Glanzlicht der Kugel darstellt, wiederholt sich hier auch in den schmäleren
Rändern und ist überhaupt eines der beliebtesten Motive der vorderasia-
tischen Kunst geworden, insbesondere seit Timur es zu seinem Wappen-
bild erkoren hat.
Auch drei Kugeln vereinigt, dem buddhistischen Dreieinigkeitssinnbilde
entsprechend, kommen sehr häufig vor, nicht selten mit chinesischen Wolken
vereinigt.
Wie so oft, wird einem aus der Ferne übernommenen Motive, dessen
ursprüngliche Absicht man gar nicht inne wird, ein neuer Sinn unterlegt und
so werden denn aus diesem Motive - besonders in türkischer Zeit - wirk-
liche Monde; aber auch schon vorher wurde es ähnlich mißverstanden."
Vereinzelte ostasiatische Einflüsse lassen sich wohl schon seit dem frühen
Mittelalter in der vorderasiatischen Kunst feststellen; aber durchgreifende
Bedeutung für Vorderasien gewann Ostasien wohl erst seit der Vereinigung
" Natürlich gab es auch vorher und anderswo schon Muster mit exzentrischen Kreisen, die dann zufällig
Mondformen bilden; doch wohnt solchen mehr zufälligen Erscheinungen eben keine typenbildende Kraft inne.