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wundervollen Schätze der Hofbibliothek, die in München fehlten, werden sicherlich und
holfentlich Karabacek noch öfters Gelegenheit geben, auf diesem Gebiete unser Wissen zu
bereichern und auszudehnen.
Das große Werk nun über die Ausstellung bietet uns, wie sein Titel schon angibt, das
Beste dieser fremdartigen und entzückenden Kunst, deren uralter weitverzweigterZusammen-
hang mit der Entwicklung unserer europäischen Kunst im frühen und späten Mittelalter
immer klarer in unser Auge tritt, es gibt die Meisterwerke, in denen ein hochentwickeltes,
kraftvolles und starkrassiges künstlerisches Kunstvermögen sich mit hervorragender
Bedeutung für die Wissenschaft paart. Diese Meisterwerke bilden gewissermaßen die
Marksteine des neuen geheimnisvoll entzückenden Gebietes der Kunstgeschichte. Sie
repräsentieren aber nur einen numerisch recht bescheidenen Bruchteil des aus aller
Welt eingesandten Materials, dessen Verarbeitung noch jahrelange Arbeit in Anspruch
nehmen wird. Es ist von den Veranstaltern der Ausstellung dafür gesorgt worden, daß auch
die in der großen Publikation nicht abgebildeten zahllosen Werke für die Wissenschaft
durch genaue und umfassende Aufnahmen nutzbar gemacht worden sind.
Den Rechenschaftsbericht über den Wert der Münchner Ausstellung möchte ich
dieses stattliche Werk nennen, und es ist ein glänzender Rechenschaftsbericht geworden
über diesen Wert, den allgemein kulturgeschichtlichen sowohl wie den künstlerisch-
ästhetischen. Ich verweise hier mit Freude auf die temperamentvolle und prächtige Ein-
leitung von Ernst Kühnel zu dem obengenannten Doppelheft dieser Zeitschrift aus dem
Jahre 19:0.
Das Material des monumentalen Werkes, dessen Reproduktionen auf der Höhe
seiner wissenschaftlichen Bedeutung stehen, ist in drei starken Bänden mit neun Ab-
teilungen niedergelegt. Max von Berchem, der neben Karabacek die lnschriften und die
Literatur der islamitischen Völker zur Erklärung der Kunstwerke herangezogen hat,
eröffnet den Reigen mit einem wertvollen epigraphischen Beitrag. Zahlreich zwar sind die
auf und an Kunstwerken angebrachten Inschriften, aber leider sind sie meist für deren
Erklärung und Lokalisierung belanglos, es gibt jedoch auch wertvolle historische,
sogenannte Mobiliarinschriften. Wechselseitige Beziehungen sind es, die sich aus der
Beschäftigung mit diesen Inschriften an Werken der bildenden Kunst ergeben. Einerseits
lernt die orientalistische Epigraphik von ihnen, andrerseits aber vermag ihnen die Kunst-
geschichte wertvolle historische Nachweise für ihre Lokalisierung und Datierung zu
entnehmen. Berchem hat auf diese Weise eine Reihe von Kunstwerken mit solchen
Inschriften ausgewählt, denen er allerlei wichtige Resultate entnimmt. Uns interessiert
dabei hauptsächlich eine Monstranz mit einem geschnittenen ägyptischen Bergkristall
aus der Fatimidenzeit (dem Anfange des XI. Jahrhunderts), die jetzt im Germanischen
Nationalmuseum zu Nürnberg steht.
F. Martin, der weitgereiste, kenntnisreiche und glückliche Sammler und Besitzer
zahlreicher muhammedanischer Kunstwerke, würdigt die Miniaturen und die Buchkunst
überhaupt, F. Sarre die Teppiche, an deren Spitze der kaiserliche Jagdteppich steht, sowie
die Keramik mit besonderer Berücksichtigung der frühen, seit wenigen jahren erst
bekannt gewordenen mesopotamischen Gefäße, die sowohl technisch als kunstgeschicht-
lich von größter Wichtigkeit sind. E. Kühnel hat, wie in dem schon genannten Doppel-
heft von „Kunst und Kunsthandwerk", Metall, Glas und Kristall, endlich Holz und
Elfenbein gewählt. Klar, übersichtlich und mit der sicheren vollen Beherrschung des
Materials schildert Moritz Dreger die Stoffe, Camillo List beschreibt die islamitischen
Waffen. g
So umfangreich und vielseitig nun noch die wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet
der altislamitischen Kunst sein muß, so ist doch das eine als feststehend zu betrachten,
daß die Grundzüge, die leitenden Gedanken, heute schon festgelegt sind, und das ist wohl
das I-Iauptverdienst der Münchner Ausstellung und dieser prächtigen Publikation.
' E. W. Braun-Troppau
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