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Volltext: Monatszeitschrift XXI (1918 / Heft 3 und 4)

die nach unserem Empfinden wenigstens von „Pose" weit entfernt ist, kommt 
überall zum Ausdruck. Unter den Engeln namentlich interessieren einige 
durch ihre Ähnlichkeit mit antiken Genien oder Viktorien (vgl. Abb. I8). 
Die Gewandung ist manchmal wie von einer momentanen Bewegung 
aufgebauscht und so malerisch drapiert, daß unwillkürlich die Erinnerung 
an spätere Barockplastik lebendig wird. Stellt man dann aber den bronzenen 
St. Michael in die Reihe ein, so tritt deutlich vor Augen, wie, abgesehen 
von der Gleichheit der Körper- und Gesichtsbildung, der Übereinstimmung 
der Tracht und des Faltenschwunges, bei allen diesen Engeln derselbe 
malerisch empfindende Plastiker zu Wort kommt. In der Wahl der 
Bewegungsmotive und in der Charakterisierung herrscht auch bei den 
Heiligen eine große Abwechslung?" Während zum Beispiel der Apostel 
Johannes wie ein Prediger mit dem Kelch in der Hand melancholisch da- 
steht (Abb. 2x), spricht aus den Bewegungen des cholerisch aufgefaßten 
Bartholomäus eine innere Erregung, die sich bis in die Gewandbehandlung 
hinein äußert (Abb. 22). Im übrigen finden sich gerade bei den Aposteln 
manche Berührungspunkte mit den Figuren der Bronzereliefs. Gemeinsam 
ist fast allen Stuckfiguren Gerhards das Vorstrecken des einen Armes, eine 
Eigentümlichkeit, die schon bei den Herrschern und Frauen des Kirchheimer 
Saales auffällt und die wohl mit seiner Vorliebe für die weitausgreifende 
Gliederung erlaubende Bronzetechnik zusammenhängt, aber auch bereits 
die spätere Barockentwicklung ahnen läßt. 
Welch schöne Blüten die Stucktechnik damals auch sonst noch in der 
Michaelskirche hervorgebracht hat, möge ein kleines Relief illustrieren 
(Abb. 23), das vollkommen unbeachtet im Oratorium hängt," wiederum 
ein „Vesperbild", dessen Ernst aber durch die vielen graziösen Engelknäblein 
gemildert wird. In der Zeichnung und der zarten Modellierung von einer 
außerordentlichen Feinheit, dürfte dieses bemerkenswerte Werk Hubert 
Gerhard oder doch seinem nächsten Kreise angehören. 
Im Juli 1597 konnte endlich die Einweihung der Michaelskirche und 
ihre Übergabe an die Jesuiten stattfinden. Bald nach der Erfüllung dieses 
seines Herzenswunsches zog sich Herzog Wilhelm V., überdrüssig des 
Kampfes mit seinen Ständen, die ihm Verschwendung vorwarfen, in die 
Einsamkeit von Schleißheim zurück und überließ die Regierung seinem 
sparsameren Sohn Maximilian. Das allzukühne Projekt des Wilhelms- 
Mausoleums, dessen Vollendung auch Gerhards Ruhm weithin verbreitet 
haben würde, war damit zu Grabe getragen, und für den Bildhauer ergab 
sich daher die Notwendigkeit, einen anderen Wirkungskreis zu suchen. In 
dem Deutschmeister Erzherzog Maximilian, dem Bruder Kaiser Rudolfs II., 
der nach Ferdinands Tod das Land Tirol verwaltete, sollte er einen neuen 
Gönner und I-Ierrn finden. Im Jahre I 598 muß Gerhard in dessen Dienste 
getreten sein. Aus einer Urkunde, die Maximilian am 24. August 1613 in 
1' Die geringwenigeren heiligen Figuren des Querschiifes können nicht von Gerhard sein. 
N Hoch 56, breit 4012 Zentimeter. Holzrahmen im Stile der Sustris-Zeir.
	        
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