Bei dem nicht mehr abzuweisenden Raumesbedürlniß, welches die
anfänglich im Museumsgebäude selbst untergebrachte Kunstgewerbe-
schule in Anspruch nahm, wurde weiterhin ein eigenes Haus für dieselbe
nothwendig, mit den erforderlichen Ateliers, Lehrmittelsammlungen, Zeich-
nungs- und Hörsälen. Ferstel führte diese Dependance des Hauptgebäudes
durchaus in Ziegelrohbau aus, in einfacher, aber dem Material höchst
entsprechender Formenhaltung und in jener coloristischen Abstufung von
Gliederungen und Flächen, die gleichfalls wziegelgemäßu ist. Die Fenster-
einrahmungen, die Friese und Gesirnse heben sich durch kräftiges Roth
hervor, gelegentlich mit grünen Zwischentinten im Fries. ln den allge-
meinen Hauptformen geht ein Nachklang des Museumsgebäudes durch -
aber es ist ein Bau im Werktagsgewand neben jenem im Festkleid. Der
Verbindungsgang mit der Balustrade obenan, für welche sich Eitelberger
als bedeutsamen, monumentalen Wandschmuck die colossale Minerva, das
schöne Mosaikwerk Salviati's (nach Laufberger's Entwurf) aus der Welt-
ausstellung herüber zu retten verstand, leitet vortrefflich von einem Ge-
bäude zum andern herüber; darunter der reizende, im zartesten Quattro-
cento-Ornamentstil entworfene kleine Wandbrunnen mit seiner schönen
Muschelschale. So verbunden, bilden die beiden Gebäude eine stattlich
wirkende Gruppe.
Noch ehe der Museumsbau an die Reihe kam, erbaute Ferstel das
Palais des Erzherzogs LudwigVictor an der Ringstraße. Auch dieses
war ein inaugurirendes Werk für den modernen Palastbau in Wien. Als
ein mehr bürgerliches, aber noch immer vornehmes Gegenstück trat das
Werthheim'sche Palais an die andere Seite. Mit der Gegenüberstellung
dieser beiden Bauten determinirte der Architekt zugleich die Anlage eines
Platzes, der einen perspectivischen Ausblick bis auf das malerisch so wir-
kungsvolle Schwarzenberg'sche Palais eröffnen sollte. Die zwei genannten
Paläste gegen die Ringstraße, iund die zwei entsprechend vertretenden
gegen die Lothringerstraße hin bilden gleichsam die Risalite der Platz-
anlage, und die Rücklagen der dazwischen eingestellten Hausfacaden mit
den wohlgepflegten Vorgärten nehmen das Reitermonument trefflich in
ihre Mitte. Ferstel bewährte hier bereits jenes architektonische Platz-
gefühl, das den hervorragenden Architekten, welcher über den Einzelbau
hinauszuschauen vermag, so entschieden kennzeichnet.
Der weitere Weg die Ringstraße entlang führt uns endlich zu dem
Vermächtnissbau des vcrewigten Meisters, auf dem durch Jahre seine
ganze Seele ruhte, auf dessen immer reifere Durchbildung er alle Kräfte
seines Schaffens, seines architektonischen Nachsinnens concentrirte. Es ist
dies die Universität.
So monumental vornehm sich dieser Bau auch nach außen präsen-
tirt, so sehen wir doch hier ganz besonders, mit welcher Einsicht Ferstel
selbst eine so mächtige Bauanlage aus ihrem Kern von innen heraus zu
organisiren und auszugestalten verstand. Er war kein bloßer Facaden-