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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 11)

Bei dem nicht mehr abzuweisenden Raumesbedürlniß, welches die 
anfänglich im Museumsgebäude selbst untergebrachte Kunstgewerbe- 
schule in Anspruch nahm, wurde weiterhin ein eigenes Haus für dieselbe 
nothwendig, mit den erforderlichen Ateliers, Lehrmittelsammlungen, Zeich- 
nungs- und Hörsälen. Ferstel führte diese Dependance des Hauptgebäudes 
durchaus in Ziegelrohbau aus, in einfacher, aber dem Material höchst 
entsprechender Formenhaltung und in jener coloristischen Abstufung von 
Gliederungen und Flächen, die gleichfalls wziegelgemäßu ist. Die Fenster- 
einrahmungen, die Friese und Gesirnse heben sich durch kräftiges Roth 
hervor, gelegentlich mit grünen Zwischentinten im Fries. ln den allge- 
meinen Hauptformen geht ein Nachklang des Museumsgebäudes durch - 
aber es ist ein Bau im Werktagsgewand neben jenem im Festkleid. Der 
Verbindungsgang mit der Balustrade obenan, für welche sich Eitelberger 
als bedeutsamen, monumentalen Wandschmuck die colossale Minerva, das 
schöne Mosaikwerk Salviati's (nach Laufberger's Entwurf) aus der Welt- 
ausstellung herüber zu retten verstand, leitet vortrefflich von einem Ge- 
bäude zum andern herüber; darunter der reizende, im zartesten Quattro- 
cento-Ornamentstil entworfene kleine Wandbrunnen mit seiner schönen 
Muschelschale. So verbunden, bilden die beiden Gebäude eine stattlich 
wirkende Gruppe. 
Noch ehe der Museumsbau an die Reihe kam, erbaute Ferstel das 
Palais des Erzherzogs LudwigVictor an der Ringstraße. Auch dieses 
war ein inaugurirendes Werk für den modernen Palastbau in Wien. Als 
ein mehr bürgerliches, aber noch immer vornehmes Gegenstück trat das 
Werthheim'sche Palais an die andere Seite. Mit der Gegenüberstellung 
dieser beiden Bauten determinirte der Architekt zugleich die Anlage eines 
Platzes, der einen perspectivischen Ausblick bis auf das malerisch so wir- 
kungsvolle Schwarzenberg'sche Palais eröffnen sollte. Die zwei genannten 
Paläste gegen die Ringstraße, iund die zwei entsprechend vertretenden 
gegen die Lothringerstraße hin bilden gleichsam die Risalite der Platz- 
anlage, und die Rücklagen der dazwischen eingestellten Hausfacaden mit 
den wohlgepflegten Vorgärten nehmen das Reitermonument trefflich in 
ihre Mitte. Ferstel bewährte hier bereits jenes architektonische Platz- 
gefühl, das den hervorragenden Architekten, welcher über den Einzelbau 
hinauszuschauen vermag, so entschieden kennzeichnet. 
Der weitere Weg die Ringstraße entlang führt uns endlich zu dem 
Vermächtnissbau des vcrewigten Meisters, auf dem durch Jahre seine 
ganze Seele ruhte, auf dessen immer reifere Durchbildung er alle Kräfte 
seines Schaffens, seines architektonischen Nachsinnens concentrirte. Es ist 
dies die Universität. 
So monumental vornehm sich dieser Bau auch nach außen präsen- 
tirt, so sehen wir doch hier ganz besonders, mit welcher Einsicht Ferstel 
selbst eine so mächtige Bauanlage aus ihrem Kern von innen heraus zu 
organisiren und auszugestalten verstand. Er war kein bloßer Facaden-
	        
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