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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 54 und 55)

andererseits in dem durch diesen Umstand geförderten mächtigen Einfluss, 
den die moderne Richtung der Pariser Juweliere, insbesondere durch ihre 
grossartigen Darbietungen auf der Weltausstellung des Jahres 1900, auf 
die Juwelierkunst Italiens ausgeübt hat. R. Mario und G. Ceragioli, die die 
Erzeugnisse des Hauses Musy entwerfen, haben viel von Lalique gelernt, 
ohne dass sie irgend der gefährlichen Versuchung unterlegen wären, ihn zu 
kopieren. Wohl schon durch geschäftsmännische Erwägungen gezwungen, 
der Freude Rechnung zu tragen, die das italienische Publikum am Edelstein 
an sich Findet, haben sie es umgangen, ihn zu einem blossen Accessorium 
des Geschmeides zu degradieren und haben ihm sein altangestammtes und 
wohlbegründetes Vorrecht belassen, im Schmuck die Hauptsache zu sein. So 
erinnern ihre Arbeiten mehr an den generellen modernen Schmuck der 
grossen Juweliere der rue de la Paix, der Boucheron, Vever und anderer, als 
an die so eminent individuellen Werke Laliques; damit soll keineswegs 
gesagt sein, dass sie zu ersteren in einem künstlerischen Abhängigkeitsver- 
hältnis stehen: im Gegenteile scheinen sie mir namentlich da, wo die Linie 
den Horealen Omamentationsmotiven vorherrscht, origineller, einfacher und 
graziöser zu sein als jene. 
Der gute billige Schmuck Luigi Ferris in Turin, die bei aller Schlichtheit 
der Mittel ganz reizend abwechslungsvollen, feinen Ringe und Anhänger des 
gegenwärtig in Paris etablierten B. L. Zorra, die guten Ansätze zur Moderni- 
sierung des venezianischen Mosaikschmuckes, die man bei Salviati, jesurum 
8c C0. konstatieren kann, und manche andere erfreuliche Arbeiten ähnlicher 
Richtung berechtigen, glaube ich, zur Hoffnung, dass in den Vitrinen der 
italienischen juweliere die derben, hässlichen Aufeinanderhäufungen von 
Steinen und Perlen, die dem primitivsten Kunstempfinden Hohn sprechen, 
die schlechte, billige Fabriksware, die man heute noch vielfach aus Deutsch- 
land importiert, immer mehr modernem künstlerischem Schmucke weichen 
werden. 
Die Keramiken der Florentiner „Arte della Ceramica" hatten schon in 
der im übrigen hinsichtlich des modernen Kunstgewerbes gar nicht in 
Betracht kommenden italienischen Abteilung der letzten Pariser Weltaus- 
stellung Aufsehen erregt. Dank dem genialen jungen Maler G. Chini, von dem 
alle Entwürfe herrühren, und dank vorzüglichen Chemikern, die durch rast- 
lose Ausbildung der technischen Seite der Produktion immer neue koloristische 
Effekte ermöglichen, hat sich die Manufaktur seitdem zu einem allerersten 
Platz in der gesammten europäischen Keramik emporgeschwungen. Chini 
beherrscht in seiner Omamentik die Pflanzenwelt und die Tierwelt in gleichem 
Masse; unter der Hand, wie absichtslos, stilisieren sich ihm all die Blätter 
und Blüten, mit denen er in hunderterlei Varianten die Grand-feu-Majoliken 
bemalt; immer sind es neue Linienrythmen, mit denen er den milchigen Grund 
der vornehm silhouettierten Gefässe belebt, und doch ist es immer die näm- 
liche Naturtreue, die ihm bei seinen Blumenornamenten den Pinsel führt. 
Am liebsten freilich scheinen ihm Fische zu sein, die in perlendem Gewässer
	        
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