Michael Brix
TRIUMPH UND TOTEN-
FEIER - BEMERKUNGEN
ZU EINEM UNBEKANNTEN
WERK DER GRAZER
HOFKUNST
Der Triumph über Tod und Vergänglichkeit
ist das Leitthema jener mit größtem Aufwand
begangenen fürstlichen Leichenfeiern (Exe-
quien), die seit dem beginnenden 16. Jahr-
hundert eine immer wichtigere Rolle im Hof-
und Staatsleben spielten. Das Trauergerüst i
auch Castrum doloris oder Katafalk genannt i
war Brennpunkt der liturgischen Handlungen
während der Excquien; zugleich aber hatte es
die Funktion, den Verstorbenen in seiner
Macht und Größe zu repräsentieren. Der
Aspekt der Verherrlichung rückte immer
stärker in den Mittelpunkt des feierlichen
Geschehens, und er fand seine sinnfälligste
Ausprägung im Trauergerüst. Wenn auch in
vergänglichem Material errichtet, war dieser
Festapparat keineswegs nur flüchtige Dekora-
tion des Augenblicks; denn durch die Ver-
ewigung im Stich erhielt er die Bedeutung
eines über die Trauerfeier hinausweisenden
Denkmals.
Religiöse und machtpolitische Aspekte be-
stimmten gleichermaßen die besondere inhalt-
liche und formale Gestaltung dieser Auf-
bauten, für die sich im Verlauf der Entwick-
2" Sebastians: (Iarlonc, Eingangsfronl zum Scckaucr Mausoleum
lung die verschiedensten Typen vom schlich-
ten Ziborium bis hin zum mehrstöckigen
Kuppelaufbau herausbildeten. Da das Trauer-
gerüst als Ganzes oder ein Teil seiner Aus-
stattung den Verstorbenen repräsentierte,
wurde das Problem der Präsenz des Leich-
nams immer unwichtiger. S0 konnten sym-
bolische Totenfeiern für einen Fürsten an
mehreren Orten seines Machtbereiches oder
auch eines anderen, durch verwandtschaftliche
oder freundschaftliche Beziehungen verbun-
denen Landes durchgeführt werden. Zu Be-
ginn des 18. Jahrhunderts waren beispiels-
weise in Wien derartige symbolische Toten-
feiern zu einem so festen Bestandteil des Hof-
lebens geworden, daß zeitweise innerhalb
Weniger Monate mehrere prunkvolle Fest-
apparate errichtet wurden, wobei sich die
ersten Künstler des Hofes gegenseitig mit
ihren Entwürfen überboten.
Die Geschichte dieser besonderen Gattung der
Festarchitektur ist eng verknüpft mit der Ge-
schichte des Hauses Habsburg. Schon die im
Jahre 1507 abgehaltene Mechelner Totenfeier
für König Philipp I. (den Schönen) wies alle
wesentlichen Merkmale der neuzeitlichen
„pompa funebris" auf, und nach dem Tode
Kaiser Karls V. wurden im gesamten habs-
burgischen Einflußbereich einschließlich Mexi-
kos Exequien gefeiert, bei denen sich das zere-
monielle Geschehen jeweils auf ein großes
Castrum doloris konzentrierte. Besonders gut
sind wir über die Brüsseler Feiern informiert,
die in einem umfangreichen, immer wieder
aufgelegten Stichwerk publiziert worden sind.
Dieses Werk hat auch im Bereich der Erb-
lande vorbildhaft gewirkt. Außer dem Trauer-
gerüst umfaßten die Brüsseler Dekorationen
ein auf den Stufen der Kathedrale errichtetes
riesiges Frachtschiff, dessen bildlicher Schmuck
die Ruhmestaten des Kaisers vergegenvaärtigte.
Das Triumphschiff geht unmittelbar zurück auf
jenen Triumphwagen, der 1516 bei den Brüs-
seler Trauerfeiern für König Ferdinand den
Katholischen mitgeführt worden war. In dieser
Angleichung von „pompa funebris" und
„trionfo" werden Einflüsse der römischen
Antike faßbar, die sich auch literarisch belegen
lassen. So zitiert Gerard Geldenhaver in der
Vorrede zu seiner Beschreibung der Brüsseler
Exequien König Ferdinands des Katholischen
die antiken Schriftsteller, die über die feier-
liche Verbrennung der Kaiser auf kunstvoll
konstruierten Scheiterhaufen berichten. Um
von der frommen Sitte seiner Vorfahren nicht
abzuweichen, so schreibt Geldenhaver, habe
Kaiser Karl V. mit solchem Aufwand das
Begräbnis seines Großvaters gefeiert. Die
Gleichsetzung des Trauergerüstes mit dem
antiken „rogus", bei dessen Verbrennung sich
die Apotheose des Kaisers vollzog, klingt bis
ins 18. Jahrhundert immer wieder an. In der
berühmten Trauerdekoration, die Heraeus und
Fischer von Erlach im Jahre 1711 anläßlich
der Exequien Kaiser Josefs I. in der Wiener
Augustinerkirche geschaffen haben, wird mit
dem Bild der antik-römischen Kaiserkonsekra-
tion die Gottähnlichkeit der Habsburger und
deren Triumph über alle anderen Herrscher
verkündet.
Auftraggeber der Brüsseler Exequien Kaiser
Karls V. war Philipp II., der Erbe der spani-