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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 111)

Michael Brix 
TRIUMPH UND TOTEN- 
FEIER - BEMERKUNGEN 
ZU EINEM UNBEKANNTEN 
WERK DER GRAZER 
HOFKUNST 
Der Triumph über Tod und Vergänglichkeit 
ist das Leitthema jener mit größtem Aufwand 
begangenen fürstlichen Leichenfeiern (Exe- 
quien), die seit dem beginnenden 16. Jahr- 
hundert eine immer wichtigere Rolle im Hof- 
und Staatsleben spielten. Das Trauergerüst i 
auch Castrum doloris oder Katafalk genannt i 
war Brennpunkt der liturgischen Handlungen 
während der Excquien; zugleich aber hatte es 
die Funktion, den Verstorbenen in seiner 
Macht und Größe zu repräsentieren. Der 
Aspekt der Verherrlichung rückte immer 
stärker in den Mittelpunkt des feierlichen 
Geschehens, und er fand seine sinnfälligste 
Ausprägung im Trauergerüst. Wenn auch in 
vergänglichem Material errichtet, war dieser 
Festapparat keineswegs nur flüchtige Dekora- 
tion des Augenblicks; denn durch die Ver- 
ewigung im Stich erhielt er die Bedeutung 
eines über die Trauerfeier hinausweisenden 
Denkmals. 
Religiöse und machtpolitische Aspekte be- 
stimmten gleichermaßen die besondere inhalt- 
liche und formale Gestaltung dieser Auf- 
bauten, für die sich im Verlauf der Entwick- 
2" Sebastians: (Iarlonc, Eingangsfronl zum Scckaucr Mausoleum 
lung die verschiedensten Typen vom schlich- 
ten Ziborium bis hin zum mehrstöckigen 
Kuppelaufbau herausbildeten. Da das Trauer- 
gerüst als Ganzes oder ein Teil seiner Aus- 
stattung den Verstorbenen repräsentierte, 
wurde das Problem der Präsenz des Leich- 
nams immer unwichtiger. S0 konnten sym- 
bolische Totenfeiern für einen Fürsten an 
mehreren Orten seines Machtbereiches oder 
auch eines anderen, durch verwandtschaftliche 
oder freundschaftliche Beziehungen verbun- 
denen Landes durchgeführt werden. Zu Be- 
ginn des 18. Jahrhunderts waren beispiels- 
weise in Wien derartige symbolische Toten- 
feiern zu einem so festen Bestandteil des Hof- 
lebens geworden, daß zeitweise innerhalb 
Weniger Monate mehrere prunkvolle Fest- 
apparate errichtet wurden, wobei sich die 
ersten Künstler des Hofes gegenseitig mit 
ihren Entwürfen überboten. 
Die Geschichte dieser besonderen Gattung der 
Festarchitektur ist eng verknüpft mit der Ge- 
schichte des Hauses Habsburg. Schon die im 
Jahre 1507 abgehaltene Mechelner Totenfeier 
für König Philipp I. (den Schönen) wies alle 
wesentlichen Merkmale der neuzeitlichen 
„pompa funebris" auf, und nach dem Tode 
Kaiser Karls V. wurden im gesamten habs- 
burgischen Einflußbereich einschließlich Mexi- 
kos Exequien gefeiert, bei denen sich das zere- 
monielle Geschehen jeweils auf ein großes 
Castrum doloris konzentrierte. Besonders gut 
sind wir über die Brüsseler Feiern informiert, 
die in einem umfangreichen, immer wieder 
aufgelegten Stichwerk publiziert worden sind. 
Dieses Werk hat auch im Bereich der Erb- 
lande vorbildhaft gewirkt. Außer dem Trauer- 
gerüst umfaßten die Brüsseler Dekorationen 
ein auf den Stufen der Kathedrale errichtetes 
riesiges Frachtschiff, dessen bildlicher Schmuck 
die Ruhmestaten des Kaisers vergegenvaärtigte. 
Das Triumphschiff geht unmittelbar zurück auf 
jenen Triumphwagen, der 1516 bei den Brüs- 
seler Trauerfeiern für König Ferdinand den 
Katholischen mitgeführt worden war. In dieser 
Angleichung von „pompa funebris" und 
„trionfo" werden Einflüsse der römischen 
Antike faßbar, die sich auch literarisch belegen 
lassen. So zitiert Gerard Geldenhaver in der 
Vorrede zu seiner Beschreibung der Brüsseler 
Exequien König Ferdinands des Katholischen 
die antiken Schriftsteller, die über die feier- 
liche Verbrennung der Kaiser auf kunstvoll 
konstruierten Scheiterhaufen berichten. Um 
von der frommen Sitte seiner Vorfahren nicht 
abzuweichen, so schreibt Geldenhaver, habe 
Kaiser Karl V. mit solchem Aufwand das 
Begräbnis seines Großvaters gefeiert. Die 
Gleichsetzung des Trauergerüstes mit dem 
antiken „rogus", bei dessen Verbrennung sich 
die Apotheose des Kaisers vollzog, klingt bis 
ins 18. Jahrhundert immer wieder an. In der 
berühmten Trauerdekoration, die Heraeus und 
Fischer von Erlach im Jahre 1711 anläßlich 
der Exequien Kaiser Josefs I. in der Wiener 
Augustinerkirche geschaffen haben, wird mit 
dem Bild der antik-römischen Kaiserkonsekra- 
tion die Gottähnlichkeit der Habsburger und 
deren Triumph über alle anderen Herrscher 
verkündet. 
Auftraggeber der Brüsseler Exequien Kaiser 
Karls V. war Philipp II., der Erbe der spani-
	        
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