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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 162)

bis 1430 begründen. Gemeint ist eine hi. Barbara 
um 1420 in der Sammlung Bührle, die in der Form- 
gebung des lnntales und des Chiemgaues die 
Maßgeblichkeit der Nachbarschaft Salzburgs 
zeigt". Wenn man bei einer Abbildung von ihr25 
die Seiten vertauscht, können besonders die For- 
men der Schultern, die über die Unterarme herab 
hängenden Stoifbahnen und die Neigung des 
Kopfes Gemeinsamkeiten zeigen. Mit den beiden 
Statuen ließe sich der Vorschlag für eine neue 
zeitliche Festlegung des Pienzenauersteines bele 
gen. Es steht fest, daß er vor 1435 bestellt wurde. 
Von der Barbarastatue ist er stilistisch nicht so 
weit entfernt wie von der Severinmadonna. Gegen 
1430 wird er entstanden sein. 
Bei der letzten Renovierung der ehem. Klosterkir- 
che von Ebersberg wurde ein Grabsteinfragment 
gefunden, das mit seiner Unterseite als Treppen- 
stufe gedient hatte. Die Erweiterung der Vorhalle 
der Kirche durch eine vierläufige Treppenanlage 
im Jahre 1666 könnte der Anlaß zur Zerstörung 
des Grabsteines gewesen sein. Andernfalls wäre 
er wahrscheinlich völlig vernichtet worden, denn 
die Grabiege für die Pienzenauer und für die Äbte, 
die 1452 an der rechten Seite des Chores erbaut 
worden war, ist 1781 einem Brand zum Opfer ge- 
fallen. Es ist ein glücklicher Umstand, daß sich ge 
rade das mittlere Drittel des Steines erhalten hat, 
auf dem sich die Figur des Geistlichen, ein Teil 
des Löwen zu seinen Füßen, ein Teil des Kissens 
und ein kurzer Abschnitt der Randschräge befin- 
den. Das künstlerisch außerordentlich hochste 
hende Werk stellt eine wichtige Bereicherung des 
Bestandes an Rotmarmorgrabmälern der ersten 
Hälfte des 15. Jh.s dar. 
Der einzig erhaltene Abschnitt der Inschrift gibt 
die Zahlen CCCC X ll und ein gerade noch erkenn- 
bares o ( : obiit) an. 1412 starb der 32. Abt des Be 
nediktinerklosters, Philipp Höhenberger. Er regier- 
te von 1385 bis 1412. Die Klosterkirche verdankte 
ihm ein großes, mit Email und Edelsteinen besetz- 
tes Silberkreuzzß. Als Abt von Ebersberg war ihm 
die Andechser Kapelle unterstellt. Als 1388 ein 
Teil des alten Schatzes der Andechser Grafen in 
der Andechser Kirche wiederentdeckt wurde, re 
klamierte Höhenberger sofort den Schatz und hol- 
te ihn nach Ebersberg. Doch bereits 1389 mußte er 
die Reliquien vor allem auf Fürsprache der Katha- 
rina von Görz, Gemahlin Herzog Johanns ll. von 
Bayern, herausgeben und sie nach München zie 
hen lassen27. Höhenberger starb am 11. Oktober 
1412. nSein Leichnam wurde in der Frauenkapelle 
begraben, wo früher zur rechlen Seite an der 
Wand eine steinerne Tumba als sein Grabmal zu 
sehen warßh Die erhaltene Inschrift weist nach 
außen. Dieser Umstand spricht auch dafür, daß es 
sich ursprünglich um eine Tumba gehandelt hat. 
Das Grabmal ist ein hervorragendes Beispiel für 
die Darstellung eines Toten in der Weise, wie 
Halm sie untersucht hat29. Er spricht bei Pien- 
zenauer von der Schwierigkeit, die der Bildhauer 
damit hatte, den noch Lebenden als Toten darzu- 
stellen. Er prägte dem Gesicht die nur im Geister- 
schauten Züge des Todes ein. Es scheint, als habe 
der Bildhauer bei Höhenberger nicht so sehr den 
stehenden, sondern den liegenden Abt darstellen 
wollen, und der Tod sollte in der ganzen Gestalt 
und nicht allein im Gesicht zum Ausdruck kom- 
men. Deutlich erkennbare Reste zeigen, daß der 
Abt das Missale in seiner rechten Hand gehalten 
hatte und daß sich links neben seinem Körper das 
Pedum befunden haben muß. Der Stimulus des Bi- 
schofsstabes ist über dem linken Hinterbein des 
Löwen auf dessen Rücken zu sehen. Der Stab 
steigt schräg nach außen in die Höhe. Die Vertau- 
schung von rechter und linker Seite für Missaie 
und Pedum kommt auf den Rotmarmorgrabstei- 
nen dieser Zeit selten vor. 
Der Kopf Philipp Höhenbergers ist mit einer leich- 
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ten Neigung nach rechts schwer in das Kissen ge- 
sunken. Das Gesicht mit den geschlossenen Au- 
gen zeigt tiefe Falten an den Mundwinkeln und an 
den Augenwinkeln. Von der glatten, runden Stirn 
setzt sich die Mitra ab. Die sorgfältige Wiederga- 
be der lnfui iäßt nicht nur die aufgenähten Roset- 
ten und die Edelsteine erkennen, auch die beiden 
Cornua sind präzis in ihrer schmiegsamen Zusam- 
menkiappbarkeit gezeigt. An der Spitze tragen sie 
eine Eichel, die - die hohlkehlenartige Vertiefung 
zwischen Kissen und Rand überspielend - an 
das Profil des Rahmens stößt. Mit der gleichen be- 
wunderswerten Genauigkeit und bildhauerischen 
Meisterschaft sind die Amikt mit der Aufschrift 
AVE MARIA und das Pektorale wiedergegeben. 
Die Kette, an der das Pektorale hängt, ist so fein 
gearbeitet und liegt so weich auf dem Stoff des 
Ornates, wie dies nur noch bei dem Pienzenauer- 
stein in Berchtesgaden der Fall ist. Die Vermu- 
tung, daß es sich um den gleichen Meister han- 
deln könnte, hat hierin und in der Gesichtsausprä- 
gung ihre stärksten Argumente. Das Wenige, was 
von dem Löwen noch erhalten ist, kann in der Aus- 
bildung der Haarlocken ebenfalls auf ein und den- 
selben Meister bei Höhenberger und Pienzenauer 
schließen lassen. Dazu kommt noch der Familien- 
zusammenhang der Pienzenauer. Sie hatten in 
Ebersberg ihre Grablege. Man könnte annehmen, 
Petrus Pienzenauer sei in Ebersberg auf den da- 
mals noch jungen Bildhauer durch den Grabstein 
für Philipp Höhenberger aufmerksam geworden 
und habe ihm später den Auftrag für seine eigene 
Grabplatte in Berchtesgaden erteilt. 
Mit dem letzten zu besprechenden Rotmarmor- 
grabstein wird das Gebiet, in dem sich Salzburger 
Sepulkraipiastik findet, nach Norden ausgedehnt. 
Die Untersuchung der Regensburger Rotmarmor- 
sepuikralplastik hat erbracht, daß ein einziger dor- 
tiger Grabstein zum Salzburger Kreis gehört. Die 
Grabmalplastik der Stadt Regensburg hatte ihre 
große Zeit vom Erminoldmeister bis zum Aurelia- 
meister. in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts 
wurden zwar Rotmarmorgrabsteine hergestellt, 
aber "die künstlerische Bedeutung der figürlichen 
Grabsteine, welche bereits am Ausgang des 
14. Jahrhunderts zurückgegangen war, sinkt in der 
nachfolgenden Zeit noch tiefer30. Die in St. Emme 
ram befindlichen Rotmarmorgrabsteine zeigen 
stehende Geistliche mit grob dargestellten Ge 
sichtern, in eintönig sich wiederholenden Stand- 
motiven. Ihrer Körperlichkeit wird unter beianglo 
sen Faltenbahnen nicht Rechnung getragen. Der 
Bedarf an Grabsteinen wurde immerhin in Rotmar- 
mor ausgeführt, doch die Fähigkeit, dieses Male 
rial künstlerisch durchzuformen, fehlt allen Stei- 
nen. Schon durch dieses Merkmal lassen sie sich 
als Regensburger Erzeugnisse zusammenfassen. 
Der außerordentlich schlechte Erhaltungszustand 
eines Grabsteines, der sich heute im Domkreuz- 
gang befindet, mag dazu geführt haben, daß er zu 
den Regensburger Steinen gezählt wurde. Deswe 
gen werden ihn auch Leonhardt und Halm überse 
hen haben. 
Er gehört aber eindeutig der Gruppe um den 
Berchtesgadener Pienzenauerstein an und ist, so- 
weit sich sehen laßt, der einzige Rotmarmorgrab 
stein in Regensburg, der sich mit den großen Lei- 
stungen der Rotmarmorplastik in Verbindung brin- 
gen läßt. 
Der Stein wurde für den Kanoniker Wolfgang Eb- 
ner gesetzt. Er hat ihn selbst in Auftrag gegeben. 
Die Trennung von den Regensburger Steinen und 
die Zuordnung zu einem bedeutenden Meister hat 
bereits F. Mader vorgenommen, wenn er glaubte, 
die Arbeit sei von dem Meister des Kastenmayr- 
grabsteines in Straubingßl. Er erschütterte aber 
seine Behauptung durch die Angabe "um 1410i- 
bei der Bildunterschrift, indem er aus der Datie 
rung millesimo quadringentesimc x - - - den
	        
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