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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXX (1985 / Heft 201 und 202)

12 Betttruhe aus der Ateliereinrichtung für Ernst Stbhr - 
WeichhoizkorpuszweiseitlichabklappbareAblageflachen. 
Höhe 39.5 cm - Länge 124,5 bzw. 183 cm(offen) - Breite 
48.5 crn. EnlwuifvonJosef Hoffmann. um 1898. Österreichi- 
sches Museum für angewandte Kunst. lnv. Nr. H 2709 
 
Entwürfe für Innenräume und Einzelmöbel von Josef 
Hoffmann. Durch einfache Konturzeichnungen schafft 
Hoffmann eine Einheit von Wänden, Decke und Möbel- 
siücken. Die Möbelstücke weisen einen einfachen 
nBrettlstilu auf, der durch gekurvte EinzeldurchbiIdun- 
gen belebt ist. In einerZeichnung entdecken wir, neben 
einer Sitzbank und einem Kasten, einen Sessel. der in 
Form und Gedanken dem ausgeführten Stöhr-Sessel 
entspricht (Abb. 3 und 4). Die Rückenlehne weist das 
gleiche Laubsägemuster auf; nur die zwei gedrechsel- 
ten Stäbe zwischen den vorderen Beinen des Sessels 
fehlen am ausgeführten Werk. im ganzen wirkt aberder 
gezeichnete Sessel leichter als derausgeführte. Fürdie 
Kanzlei desAdvokaten Dr. Walter Brix verwendete Hoff- 
mann diesen Sesseltyp in leicht abgeänderter Form 
wieder." Diese, 1899 datierte Einrichtung wurde auch 
in grün gebeiztem Holz ausgeführt, Die hohen, schma- 
len Kasten zeigen eine ausgesagte Halbkreis-Bekrä- 
nung, die an einige ausgeschweifte Details der Stöhr- 
Möbelstücke (z. B. Toilette-Tisch), erinnern (Abb. 5). 
Als Hilfsmittel zur Datierung und Stilbestimmung der 
Stühr-Einrichtung dienen Josef Hoffmanns graphische 
Beiträge zu der Zeitschrift Ver Sacrum. Verschiedene 
Hefte des Jahrganges 1900 sind mit Vignetten und 
Buchschmuck Hoffmanns verziert. Das Motiv, linear- 
stilisierte Blumen. findet man sowohl als Ftandzeich- 
nung im VerSacrum als auch im Laubsägeschmuck am 
Stöhr-Kasten (Abb. 7 -10). An einem zweiten Kasten 
Stöhrs kommt eine andere linearisierie Pfianzenform 
aus Ver Sacrum vor. Wie Sekler vermutet, sind diese 
Entwürfe in der Zeit von 1898l99 entstandenf" Man fin- 
det sie am MetaIl-Glas-Portalbogen der Geschäftsnie- 
derlage nApoilo-r (1899) und am Wandverbau im Wohn- 
raum des Landhauses irBergerhöhe-i (1899). 
Die letztgenannte Einrichtung ivBergerhöher weist 
einige stilistische Parallelitäten zur Stöhr-Einrichtung 
auf. Die Türen wurden mit vhornartigenu Ausformungen 
abgeschlossen, die Vertafelung grünlich gebeizt, die 
Möbelstücke einfach und funktionell gehalten und die 
Räumlichkeiten zweckmäßig aufgeteilt. Obwohl die 
genaue Aufteilung der Möbelstücke im Raum nicht 
dokumentarisch belegt ist, ist anzunehmen, daß sie in 
ähnlicher Weise wie in der "Bergerhöherr gelost wurde. 
Der Maler Ernst Stohr brauchte eine multifunkticnelle 
lnnenraumeinteilung für seine Zwecke. Josef Hoff- 
manns Möbelideen, wie die Bett-Truhe(Abb. 12) mit auf- 
klappbaren Seitenteilen, erfülltendiese Bedingungen in 
hohem Maße. 
In diesem Zusammenhang sind einige Skizzen, die 
Ernst Stöhr angefertigt hat, von großem Interesse." 
Ein Blatt zeigtvierVersionen eines Spiegelaufsatzesfür 
einen Waschtisch. Es sindbloße Ideen, die durch flüch- 
tige Konturzeichnungen hingeworfen sind, so, als ob 
Stöhr zum Bleistift griff um seine Vorstellungen im 
Gedankenaustausch zu verbildlichen. Es ist anzuneh- 
12 
men, daß sein Gesprächspartner der Architekt und 
FreundJosefHofimannwar(Abb. 13). DadieseSkizzen 
beim Nachlaß Ernst Stöhrs entdeckt worden sind, stellt 
sich die interessante Frage, inwiefern Ernst Stohr mit 
Josef Hoffmann bei der Gestaltung seines Lebensrau- 
meszusammengearbeitethat.Weildiese Frage keines- 
wegs leicht zu beantworten ist, möchte ich diese Skiz- 
zen detailliert besprechen. 
Dadie Skizzen im Charakter nicht einheitlich sind, kann 
man sie mindestens in zwei Gruppen einteilen: eine 
Gruppe von Vorstudien und eine zweite von unausge- 
führten Ideen (Abb. 14 und 15). Besonders aufschluß- 
reich ist eine kolorierte Zeichnung Stöhrs von einem 
Waschtisch mit Spiegelaufsatz. Der Waschtisch ohne 
Aufsatzist im Besitz des Österreichischen Museumsfür 
angewandte Kunst in Wien und ist eine Meisterleistung 
des idealistischen Funktionalismus derfrühsecessioni- 
stischen Phase. Der wBrettIstilw findet hier seine volle 
Entfaltung: das Vorderteil miteiner Lade und zweiTüren 
wird von zwei Fichtenbrettern umrahmt. Diese Bretter 
sind die Tischfüße und gleichzeitig Seitennischen, in 
denen Handtücher aufgehängt werden können. Stöhrs 
kolorierte Zeichnung gibt uns Auskunft nicht nur über 
die ursprüngliche Farbigkeit des Mobelstückes, son- 
dern auch über die ursprüngliche (7) überschwingende 
Bekronung mit Spiegel. Sogar der Maßstab des Gegen- 
standes und das Verhältnis von Hohe zu Breite sind 
angegeben. Hier haben wir es höchstwahrscheinlich 
mit einer fertigen Idee zu tun. 
Die Zeichnung von einem zweitürigen Kasten auf Qua- 
dratrasterpapier ist von anderer Natur (Abb. 16). Die 
Türen des Kastens sind mit einem flammenartigen 
Muster verziert, die Seitenteile verjüngen sich nach 
oben. wo eine schwere Bekrönung das Ganze 
abschließt. im Gegensatz dazu sind die drei Kasten, die 
aufuns gekommen sind, ausgewogen und streng gehal- 
ten (Abb. 10). Die Türen und Seitenteile der Kasten sind 
nur teilweise mit Laubsägeintarsien ausgeschmückt. 
Für ein solches Laubsägemotivtand sich die Schablone 
unter den Werken von Ernst Stöhr (Abb. 11). lhrCharak- 
ter ist ebenso in den Vignetten Hoffmanns im Ver 
Sacrum zu sehen. Zusätzlich zu diesen Laubsageintar- 
sien sind dieTüren mit Kannelierung verziert. Umrahmt 
von zwei Brettermdievom unteren Fußzuroberen kanti- 
gen Bekrönung durchlaufen, wirkt der Kasten in der 
Gesamtform klar umrissen. Die Kastenzeichnungen 
von Ernst Stöhr dagegen wirken verspielter: Hoffmanns 
Kästen sind mit äußerster Ökonomie der Form geschaf- 
fen worden. Dieser Vergleich gibt Auskunft über den 
wahren CharakterderZusammenarbeitzwischen Stöhr 
und Hoffmann. Stöhrs leicht manierierte Exzesse wer- 
den durch Hoffmanns innere Logik der Form gebandigt. 
Diese Kasten zeigen eine Klarheit und Strenge, die für 
Hoffmanns spätere Entwicklung maßgebend war." 
Man erkennt die Zusammenfügung der verschieden- 
Anmerkungen 9 - 12 
' Sekler. Eduard F., Josef Hoffmann. Residenl-Varlag, Salzburg und 
Wien. 1982, Werksvarzeichnis Nl. 3D. 
" Sekler. ibld.. WV 68. 
H Emst-Swnr-Arcniv. sn. Pbllsn. Slammuseurn, abgebildet mn neunaw 
cnev Genehmigung von Prof. m. Karl Gutkas. 
" Sskler. w. m. Werksvovzelchnls Nr. 54. 
 
27
	        
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