Da Schaffer gerne bereit war, mitzukommen, aber noch ein
paar Geschäfte abzumachen hatte, wartete ich dies ab; so
fuhren wir denn erst am 21, Januar früh aus, kamen Mittags
nach Vuchin, wo wir, da ich mit Schaffer war, im Wirthshause
einsteliten, den Gutsherrn besuchten und nach 4 Uhr wieder
weiter trabten, was bis halben Weg gut ging. Dann war die
Straße so vereist, daß - ich ging da selbst bei schönem Wetter
lieber zu Fuß - wir ausgestiegen waren und in der bereits ein
gefallenen Dunkelheit vorsichtigst hinter dem Wagen einher
schritten, denn einerseits der Berg, andererseits der tiefe Gra
ben mit dem Wiidbache war an und für sich eine bedenkliche
Sache. Aber-es [Da] kamen uns ein paar Ochsengespanne
entgegen und war es nun eine schwierige Aufgabe, so an die
Bergseite heranzukommen, daß jene vorbeigelangen konn
ten. Unsere schlechtbeschlagenen Pferde konnten kaum wei
terkommen, endlich nach 8 Uhr fuhren wir in Zvecevo ein, wo
uns Niemand erwartete. Unser Häuschen wurde geöffnet, ge
heizt, Alles zurecht gemacht. Der Wirth versorgte uns mit
Speise und Trank und dann suchten wir unser Lager auf, um
einen wohlthuenden Schlaf zu finden [thun].
Hondi machte, eigentlich mehr nur um seine Stellung zu kenn
zeichnen, mir etwas Schwierigkeit wegen Schaffer, doch als
ich ihm eine vom Vater unterfertigte Vollmacht ausstollte [vor
wies/, iieß er uns unbehindert schalten, wie wir wollten. Wir be
suchten die Fabrik, die Werkstätten, entliehen uns die Ge
schäftsbücher und gingen daran, unsere Ueberprüfung fortzu
setzen, wobei ich mit Schaffer manche Schwierigkeit hatte. Es
war ihm gewiß sonderbar vorgekommen, daß Möller und ich
nicht noch viei größere Unrichtigkeiten in der Buchung gefun
den hatten; er, der nicht Rechnungskundige meinte, - und
deshalb eigentlich war er mitgekommen, - nur Einblick neh
men zu dürfen, um sogleich [unverweilt] Alles aufklären zu
können. Nachdem dies aber nicht gleich glückte, machte er
die sonderbarsten Kombinationen; er quälte sich damit auch
die Nacht durch, so daß er kaum schlafen konnte. Schließlich
sagte er, ich möge nur den Buchhalter beauftragen, eine Re
kapitulation und Kompensation des Journals zu machen, dann
werde sich Alies zeigen. Vergeblich trug ich ihn, was er meine,
er konnte es nicht aufklären; er blieb bei seiner Ansicht, ich
schwieg.
Hier will ich doch einen mich allerdings nicht betreffenden,
aber etwas merkwürdigen Vorfall verzeichnen. Am letzten
Neusonntag sammelte ein Vuchiner Bauer, ein bekannter
Hauptraubschütze, einige Genossen, um beim Morgengrauen
in den Waid zu ziehen. Einem Aberglauben folgend schoß er
beim Aufgang der Sonne nach derselben; denn wenn es an
solchem Sonntag geschieht, hat man im ganzen Monat Jagd
glück. Aber das erste Reh brachte ein anderer Bauer zur
Strecke, was den Führer in so heile Wuth versetzte, daß er
entsetzlich fluchte - die Illyrier haben gar abscheuliche
Flüche, wie z. B. sogar: ich schände die Todten! - und schwor,
er müsse heute noch Blut sehen, gehe es wie es wolle, was
die anderen [wenngleich] auch rohen Burschen [wohi] etwas
in Angst versetzte. Das entflammte seinen Zorn noch mehr, er
wiederholte [brüllend] seine Drohung, stieß sein Gewehr mit
Macht zur Erde, der Hahn schlug ein, der Schuß krachte, die
Kugel zerriß dem Wüthenden den Backenknochen, ja das
ganze Gesicht, so daß er selbst kaum mehr etwas vom Blute
sah, da er besinnungslos zusammenstürzte und nach drei Ta
gen starb. Sein Begehr war der Hauptsache nach nur zu rasch
in Erfüllung gegangen!
Weit und breit gab es kein Gotteshaus, die sonntägige An
dacht verrichteten die Fabriksleute in der Glashütte selbst; es
war ein Vorbeter da, der u. A. auch die Litaneien vorsagte, so
die an Maria als: du ungeschwächte Mutter, du Thurm Davids,
du elfenbeinerner Thurm, du goldenes Haus, du Sitz der Weis
heit u. s. w. Die Leute sagten alle im Chor dazu: Bitt’ für uns,
waren erbaut und befriedigt, denn sie dachten nichts dabei.
Ich wohnte selbstverständlich den Andachtsübungen regel
mäßig bei.
Der Aufenthalt in Zvecevo war mir gar nicht angenehm, denn
vieles von dem, was wir arbeiteten, war zwecklos. Schaffer
war so verbohrt in seine falschen Anschauungen über die Art,
wie man die Rechnung klarstellen müsse, daß meine Vorstel
lungen dagegen nichts halfen. Er sagte, er müsse auf seiner
Ansicht beharren, was immer dagegen eingewendet werden
möge; er wurde immer gereizter, ich mußte des lieben Frie
dens willen mich fügen und an unnützen Zusammenstellun
gen fortarbeiten. Dazu hatte ich seit Wochen keinen Brief von
zu Hause, das Wetter machte es unmöglich, zur Auffrischung
zeitweise spazieren zu gehen und meine Drüsengeschwulst
wollte nicht [völlig] schwinden, was mir - sie hielt schon bei
drei Monaten an - allmälig bedenklich schien.
Endlich am 9. Februar erhielten wir Beide Briefe, ich gute
Nachricht, welche mir umso werthvoller war, als meine Be
sorgnis, es könnten Briefe von mir oder an mich unterschlagen
worden sein, welche bei der mir doch nicht zugethanen Umge
bung begreiflich war; sich nun behob. Schaffer dagegen be
kam eine anscheinend amtliche Verständigung, er habe seine
Wohnung am 8. Februar, also Tags zuvor, zu räumen, da sie
als Kaserne für die Gendarmerie bestimmt sei, welch’ letztere
aber [eben] erst allüberall oingofüM [eingeführt] wurde. Der
sonst harte, zähe Schaffer wurde kleinmüthig wie ein Kind, er
ward überdrüssig seines Ungemachs, seines Lebens, es fie
len selbst Bemerkungen, als thäte es ihm leid, was er für uns
bisher geleistet. Nun, ich nahm das nicht zu schwer, suchte ihn
zu beruhigen; der Brief hatte kein amtliches Siegel, war vom
30. Januar datirt, schien schon lange herumgetragen worden
zu sein, denn er war außen schmutzig genug, endlich hatte
Schaffer einjährigen Wohnungskontrakt, man konnte ihn doch
unmöglich hinauswerfen, auch nicht der Gendarmerie zu
Liebe, aber allerdings seiner Frau Unannehmlichkeiten berei
ten; also gleich fort nach Orawitza! Ich entschloß mich, mitzu
fahren, um vielleicht Schaffer abzuhalten, eine Thorheit zu be
gehen. Bei Morgengrauen fuhren wir am nächsten Tage fort,
abscheulich war der Weg, Sonnenblicke, Schneegestöber
und Wind hielten Wechseireigen, im Speisezimmer des
Wirthshauses in Ceralic(?), wo wir die Pferde Mittagsrast hal
ten lassen mußten, lag ein krankes Schwein beim Ofen, der
Wein war trüb, das Essen elend, das Kukuruzbrod steinhart;
ich nahm nur ein paar Bissen, um den Magen zu beruhigen;
langsam ging’s weiter, schon stand der Mond hoch am Him
mel, als wir bei Schaffer’s Heim vorfuhren. Das ganze Haus
lag im Stillen, von Mutter und Töchtern war keines wach, doch
einiges Poltern genügte, uns Einlaß zu verschaffen; bald auch
war der Tisch gedeckt, wir erquickten uns an der Labe und
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