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Volltext: Officieller General-Catalog Welt-Ausstellung 1873 in Wien

Da Schaffer gerne bereit war, mitzukommen, aber noch ein 
paar Geschäfte abzumachen hatte, wartete ich dies ab; so 
fuhren wir denn erst am 21, Januar früh aus, kamen Mittags 
nach Vuchin, wo wir, da ich mit Schaffer war, im Wirthshause 
einsteliten, den Gutsherrn besuchten und nach 4 Uhr wieder 
weiter trabten, was bis halben Weg gut ging. Dann war die 
Straße so vereist, daß - ich ging da selbst bei schönem Wetter 
lieber zu Fuß - wir ausgestiegen waren und in der bereits ein 
gefallenen Dunkelheit vorsichtigst hinter dem Wagen einher 
schritten, denn einerseits der Berg, andererseits der tiefe Gra 
ben mit dem Wiidbache war an und für sich eine bedenkliche 
Sache. Aber-es [Da] kamen uns ein paar Ochsengespanne 
entgegen und war es nun eine schwierige Aufgabe, so an die 
Bergseite heranzukommen, daß jene vorbeigelangen konn 
ten. Unsere schlechtbeschlagenen Pferde konnten kaum wei 
terkommen, endlich nach 8 Uhr fuhren wir in Zvecevo ein, wo 
uns Niemand erwartete. Unser Häuschen wurde geöffnet, ge 
heizt, Alles zurecht gemacht. Der Wirth versorgte uns mit 
Speise und Trank und dann suchten wir unser Lager auf, um 
einen wohlthuenden Schlaf zu finden [thun]. 
Hondi machte, eigentlich mehr nur um seine Stellung zu kenn 
zeichnen, mir etwas Schwierigkeit wegen Schaffer, doch als 
ich ihm eine vom Vater unterfertigte Vollmacht ausstollte [vor 
wies/, iieß er uns unbehindert schalten, wie wir wollten. Wir be 
suchten die Fabrik, die Werkstätten, entliehen uns die Ge 
schäftsbücher und gingen daran, unsere Ueberprüfung fortzu 
setzen, wobei ich mit Schaffer manche Schwierigkeit hatte. Es 
war ihm gewiß sonderbar vorgekommen, daß Möller und ich 
nicht noch viei größere Unrichtigkeiten in der Buchung gefun 
den hatten; er, der nicht Rechnungskundige meinte, - und 
deshalb eigentlich war er mitgekommen, - nur Einblick neh 
men zu dürfen, um sogleich [unverweilt] Alles aufklären zu 
können. Nachdem dies aber nicht gleich glückte, machte er 
die sonderbarsten Kombinationen; er quälte sich damit auch 
die Nacht durch, so daß er kaum schlafen konnte. Schließlich 
sagte er, ich möge nur den Buchhalter beauftragen, eine Re 
kapitulation und Kompensation des Journals zu machen, dann 
werde sich Alies zeigen. Vergeblich trug ich ihn, was er meine, 
er konnte es nicht aufklären; er blieb bei seiner Ansicht, ich 
schwieg. 
Hier will ich doch einen mich allerdings nicht betreffenden, 
aber etwas merkwürdigen Vorfall verzeichnen. Am letzten 
Neusonntag sammelte ein Vuchiner Bauer, ein bekannter 
Hauptraubschütze, einige Genossen, um beim Morgengrauen 
in den Waid zu ziehen. Einem Aberglauben folgend schoß er 
beim Aufgang der Sonne nach derselben; denn wenn es an 
solchem Sonntag geschieht, hat man im ganzen Monat Jagd 
glück. Aber das erste Reh brachte ein anderer Bauer zur 
Strecke, was den Führer in so heile Wuth versetzte, daß er 
entsetzlich fluchte - die Illyrier haben gar abscheuliche 
Flüche, wie z. B. sogar: ich schände die Todten! - und schwor, 
er müsse heute noch Blut sehen, gehe es wie es wolle, was 
die anderen [wenngleich] auch rohen Burschen [wohi] etwas 
in Angst versetzte. Das entflammte seinen Zorn noch mehr, er 
wiederholte [brüllend] seine Drohung, stieß sein Gewehr mit 
Macht zur Erde, der Hahn schlug ein, der Schuß krachte, die 
Kugel zerriß dem Wüthenden den Backenknochen, ja das 
ganze Gesicht, so daß er selbst kaum mehr etwas vom Blute 
sah, da er besinnungslos zusammenstürzte und nach drei Ta 
gen starb. Sein Begehr war der Hauptsache nach nur zu rasch 
in Erfüllung gegangen! 
Weit und breit gab es kein Gotteshaus, die sonntägige An 
dacht verrichteten die Fabriksleute in der Glashütte selbst; es 
war ein Vorbeter da, der u. A. auch die Litaneien vorsagte, so 
die an Maria als: du ungeschwächte Mutter, du Thurm Davids, 
du elfenbeinerner Thurm, du goldenes Haus, du Sitz der Weis 
heit u. s. w. Die Leute sagten alle im Chor dazu: Bitt’ für uns, 
waren erbaut und befriedigt, denn sie dachten nichts dabei. 
Ich wohnte selbstverständlich den Andachtsübungen regel 
mäßig bei. 
Der Aufenthalt in Zvecevo war mir gar nicht angenehm, denn 
vieles von dem, was wir arbeiteten, war zwecklos. Schaffer 
war so verbohrt in seine falschen Anschauungen über die Art, 
wie man die Rechnung klarstellen müsse, daß meine Vorstel 
lungen dagegen nichts halfen. Er sagte, er müsse auf seiner 
Ansicht beharren, was immer dagegen eingewendet werden 
möge; er wurde immer gereizter, ich mußte des lieben Frie 
dens willen mich fügen und an unnützen Zusammenstellun 
gen fortarbeiten. Dazu hatte ich seit Wochen keinen Brief von 
zu Hause, das Wetter machte es unmöglich, zur Auffrischung 
zeitweise spazieren zu gehen und meine Drüsengeschwulst 
wollte nicht [völlig] schwinden, was mir - sie hielt schon bei 
drei Monaten an - allmälig bedenklich schien. 
Endlich am 9. Februar erhielten wir Beide Briefe, ich gute 
Nachricht, welche mir umso werthvoller war, als meine Be 
sorgnis, es könnten Briefe von mir oder an mich unterschlagen 
worden sein, welche bei der mir doch nicht zugethanen Umge 
bung begreiflich war; sich nun behob. Schaffer dagegen be 
kam eine anscheinend amtliche Verständigung, er habe seine 
Wohnung am 8. Februar, also Tags zuvor, zu räumen, da sie 
als Kaserne für die Gendarmerie bestimmt sei, welch’ letztere 
aber [eben] erst allüberall oingofüM [eingeführt] wurde. Der 
sonst harte, zähe Schaffer wurde kleinmüthig wie ein Kind, er 
ward überdrüssig seines Ungemachs, seines Lebens, es fie 
len selbst Bemerkungen, als thäte es ihm leid, was er für uns 
bisher geleistet. Nun, ich nahm das nicht zu schwer, suchte ihn 
zu beruhigen; der Brief hatte kein amtliches Siegel, war vom 
30. Januar datirt, schien schon lange herumgetragen worden 
zu sein, denn er war außen schmutzig genug, endlich hatte 
Schaffer einjährigen Wohnungskontrakt, man konnte ihn doch 
unmöglich hinauswerfen, auch nicht der Gendarmerie zu 
Liebe, aber allerdings seiner Frau Unannehmlichkeiten berei 
ten; also gleich fort nach Orawitza! Ich entschloß mich, mitzu 
fahren, um vielleicht Schaffer abzuhalten, eine Thorheit zu be 
gehen. Bei Morgengrauen fuhren wir am nächsten Tage fort, 
abscheulich war der Weg, Sonnenblicke, Schneegestöber 
und Wind hielten Wechseireigen, im Speisezimmer des 
Wirthshauses in Ceralic(?), wo wir die Pferde Mittagsrast hal 
ten lassen mußten, lag ein krankes Schwein beim Ofen, der 
Wein war trüb, das Essen elend, das Kukuruzbrod steinhart; 
ich nahm nur ein paar Bissen, um den Magen zu beruhigen; 
langsam ging’s weiter, schon stand der Mond hoch am Him 
mel, als wir bei Schaffer’s Heim vorfuhren. Das ganze Haus 
lag im Stillen, von Mutter und Töchtern war keines wach, doch 
einiges Poltern genügte, uns Einlaß zu verschaffen; bald auch 
war der Tisch gedeckt, wir erquickten uns an der Labe und 
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