MAK
Nr. 9 
Seite 137 
Internationale Sammler-Zeitung. 
länder war, der aus der Antwerpener oder Brüsseler 
Schule hervorgegangen ist und später am Hofe Franz I. 
geweilt hat. Und ferner ist man überzeugt, daß es sich 
nicht um einen Künstler handelt, sondern daß man ver 
schiedene Hände unterscheiden muß. 
Der feste Boden, von dem Waagen ausgegangen ist, 
sind die Bilder mit den drei musizierenden Damen in 
Wien und Petersburg. Seien wir noch vorsichtiger: 
Halten wir uns ausschließlich an das Bild in der Galerie 
Harrach in Wien! Das Petersburger Bild hat trotz ge 
wisser Vorzüge bedeutsame Mängel in der Komposition 
und Perspektive aufzuweisen. 
Was nun die Bilder der Sammlung Kohlermann 
betrifft, so schreibt Wurzbach die »Schreibende Dame" 
(siehe Fig. 5) und die »Goldwägerin« dem Meister selbst 
zu. Ich bin ebenfalls der Ansicht, daß der Meister des 
Wiener Conzerts Kohlermanns »Goldwägerin« gemalt 
hat. Dafür sprechen das Zierliche des Typus, die Kom 
position und die Qualität der Malerei sowie Gründe, die 
das Kostüm und Beiwerk betreffen. Ich bin auch ge 
neigt, das Bildnis der Lady Jane Grey, ferner die »An 
betung der heiligen drei Könige« in der alten Pinakothek 
in München, die »Lesende Dame« im Louvre und die 
»Spincttspielerin« der Kollektion Raszynski in Berlin 
diesem Künstler zuzuweisen. 
Dagegen erscheint es mir zweifelhaft, ob Köhler- j 
manns »Schreibende Dame« von derselben Hand her- J 
rührt. Ich glaube vielmehr, daß als Urheber ein anderer ! 
Künstler in Frage kommt. Das Bildnis der musizierenden j 
Dame im Bojmans-Museum zu Rotterdam steht 
jedenfalls dem Meister, der diese »Schreibende Dame« 
gemalt hat, nahe. Die Schöne von Rotterdam hat die 
selben breiten Schultern, dieselbe Frisur, dasselbe 
Kostüm wie Kohlermanns Dame, und sie ist ebenso 
breit in den Raum komponiert. Der Maler dieser beiden 
Bilder ist dem Meister des Wiener Conzerts verwandt ! 
und ebenbürtig. Nennen wir ihn bis auf weiteres den j 
»Meister der Lautenspielerin von Rotterdam«. Der j 
Schule dieses Meisters darf vielleicht die Kohlermann- j 
sehe »Lukrezia« zugeteilt werden. 
Die »musizierenden Damen« im Schloß zu i 
Meiningen stehen qualitativ nicht auf derselben ! 
Stufe wie die bis jetzt genannten Bilder. Sie sind als j 
die Arbeit eines Schülers des Harrachschen Meisters zu 
bezeichnen. Diesem Schüler dürfte auch die 
»musizierende Dame« der ehemaligen Sammlung Eduard j 
Webe r in Hamburg zuzuweisen sein. 
Wieder einem anderen Künstler begegnen wir in 
der ehemaligen Galerie Goldschmidt in Frankfurt. 
Es handelt sich um eine »Magdalena«. Eine spätere 
Wiederholung dieses Bildes befindet sich im Besitze des j 
Herrn Adolphe S c h 1 o ß in Paris. Wickhoff schreibt diese | 
»Magdalena« dem Antoine Caro n zu, und er glaubt 
auch, daß die Kohlermannsche »Allegorie auf die 
lugend« von der Hand dieses Meisters stammt. Be 
ziehungen zu Antoine Caron oder einem anderen fran 
zösischen Meister mögen voriiegen. Ich schließe aber 
aus verschiedenen Gründen, daß sowohl die »Allegorie 
auf die Tugend« wie die »Vanitas«, die sich ebenfalls 
bei Kohlermann befindet, Wiederholungen nach einem 
uns unbekannten Original sind. Die »Vanitas« ist wohl 
die ältere Arbeit, aber die »Allegorie« ist qualitativ be 
deutend besser. Ucbrigens war die »Allegorie auf die 
Tugend« ursprünglich auch eine »Vanitas«. Der Alte hat 
früher ebenfalls einen Totenkopf gehalten, Spuren da 
von sind jetzt noch zu bemerken. Andere Bilder dieses 
Typus finden sich nach Frimmel in Utrecht und 
Karlsruhe. 
Die beiden Magdalenen der Sammlung Kohlermann 
sind Schulbilder aus dem Kreise der Halbfiguren- 
Meister, die ebenfalls nach einem uns unbekannten 
Original gemalt worden sind. Die zweite »Magdalena« 
ist wohl deutschen Ursprungs. 
Meine Zuschreibungen sind Versuche, den Sammel 
begriff des »Meisters der weiblichen Halbfiguren« zu 
zerspalten, aber sie erstrecken sich nur auf einige 
Gruppen und sind zum Teil nur Vermutungen und An 
regungen. Ich glaube, daß die verschiedenen Künstler, 
die hier Zusammentreffen, allmählich zu deutlicheren 
Physiognomien werden. 
Vorläufig kann mit hinreichender Bestimmtheit nur 
so viel gesagt werden, daß der Meister des Wiener 
Conzerts und einige Künstler, die sich an ihn an 
schlossen, im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts 
blühten. Sie sind aus der niederländischen Schule her 
vorgegangen und waren wahrscheinlich in den südlichen 
Fig. 5. Meister der Lautenspielerin von Rotterdam: Schreibende 
Dame. 
Niederlanden, Nordfrankreich, am Niederrhein und in 
England tätig. Daß mehrere, vielleicht die meisten 
Bilder in Frankreich entstanden sind, hat schon Wickhoff 
vermutet. Jenes Bild mit elf Figuren, das sich in der 
ehemaligen Sammlung Gustav v. Gerhardt in Buda 
pest befand, bestätigt diese Vermutung. Auf dem Hinter 
grund des Gemäldes erblickt man Paris mit Notredame. 
(Das Bild ist übrigens eine spätere Kopie, die von einem 
wasserechten Niederländer in ziemlich derber Manier 
ausgeführt worden ist.) Sind manche dieser Bilder wirk 
lich in Frankreich entstanden, dann können wir uns 
nach ihnen eine Vorstellung machen von den Damen, die 
zur »petitc bande« am Hofe Franz 1. gehörten. Es sind 
das nebenbei dieselben Damen, von denen Schiller in 
seinem »Handschuh« erzählt. »Und rings auf hohem 
Baikone die Damen in schönem Kranz.« 
Die Meister der weiblichen Halbfiguren nehmen in 
der Kunstgeschichte insofern eine besondere Stellung 
ein, als ihre Bilder zu den frühesten profanen Genre 
bildern gehören. Auch den Kulturhistoriker inter 
essieren diese Gemälde. Sie schildern das intime Leben
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.