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Nr. 1
Internationale Sammler - Zeitung
Der Mann, dem man die Leitung der Fabrik anvertrauet
und der die Seele des Ganzen wurde, war ein Deutscher,
A. Lyncker, der schon seit mehreren Jahren mit deutschem,
speziell sächsischem Porzellan im Haag Handel trieb und auf
den Haager Kirmessen einen flotten Stand hatte. Dieser
Lyncker hatte wahrscheinlich auch mehrere deutsche Arbeits
kräfte, die in der Herstellung und Bemalung von Porzellan
Erfahrung besaßen, aus seinem Vaterlande mitgebracht oder
hergerulen. Denn in dem Jahre vor der Eröffnung der Fabrik,
1778/79, ließen sich verschiedene Por'zellanarbeiter im Haag
nieder, die vorher in Frankenthal und in Höchst tätig ge
wesen waren. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn auf eini
gen Erzeugnissen der Haager Manufaktur die Bemalung und
die Farbengebung an deutsche Vorbilder erinnern. Doch ent
wickelt im allgemeinen die Haager Fabrik in der Bemalung
die meiste Eigenart und ihren Hauptreiz, während gerade
die Formen oft der Fremde entlehnt oder sogar in der Fremde
hergestellt waren. So gibt es Haager Stücke, die offenbar
in Ansbach fabriziert und im Haag nur bemalt worden sind,
bei denen das A der Ansbacher Fabriksmarke in den Storch
des Haager Merkzeichens verändert worden ist. Tn anderen
Fällen findet sich die Haager Marke, ebenso wie der Dekor, mei
stens unter-der zweiten Glasur. Ebenso ist man mit aus
Tournai (Doornik) stammenden Produkten verfahren. Doch
sind die Haager Arbeiten nichts weniger als Plagiate, sie haben
im Gegenteil ihren ganz eigenen Charakter, und die fremden
Stücke, die ihnen als Vorbild oder als Rohmaterial dienten,
sind mit feinem Gefühl in etwas ganz Neues umgewandelt
worden, so daß man hier von einem „Veredelungsverkehr"
sprechen kann.
Bis 1778/79 beschränkte sich die Tätigkeit der Haager
Fabrik auf das Dekorieren des von auswärts gelieferten weißen.
Porzellans; erst von da ab wurde das Porzellan in der Fabrik
selbst hergestellt; vom Jahre 1784 an verlegte man sich wieder
ausschließlich auf das Bemalen.
In finanzieller Hinsicht hielt die Fabrik nicht, was man sich-
von ihr. erhoffte. Ob der junge Johann Franz Lyncker, der
1781 seinem Vater in der Leitung der Fabrik folgte, und der
ein echter Industrieritter gewesen zu sein scheint, seiner Auf
gabe nicht gewachsen war oder ob die Konkurrenz zu groß
war, bleibe dahingestellt. Sicher ist, daß der junge Lyncker
in immer größere Zahlungskalamitäten geriet, so daß er sich
1789 sogar genötigt sah, den Haag zu verlassen. Er kehrte
dann aber bald zurück, um noch einmal sein Heil mit der Fabrik
zu versuchen. Doch vergeblich! Von den Gläubigern bedrängt,
ging er schon im nächsten Jahre zum zweitenmal davon,
Diesmal auf Nimmerwiedersehen! Damit hatte die Haager
Manufaktur ein Ende.
Lyncker, der sich nach seiner Verheiratung mit der belgi
schen Baronesse de Colyn de Beusdaal den Adelstitel bei
gelegt hatte und der als Herr v. Lyncker den Titel Landgräflich-
Hessischer Legationsrat erhalten hatte, kommt als solcher
bis 1812 in Darmstadt vor. Das Haager Porzellan, das natür
lich hauptsächlich im Haag und in Holland seine Abnehmer
fand, wurde, wie man aus notariellen Akten jener Zeit ersieht,,
auch vielfach nach der Türkei exportiert.
Die bedeutendsten Sammlungen Haager Porzellans befinden,
sich imHaag: im Städtischen Museum, das in den letzten Jahren
unter seinem neuen Direktor zahlreiche schöne Stücke erwerben
konnte und beim Baron JUDr. J. A. N. van Zuylen van
N ycveld.
Amulette.
Man schreibt uns aus Berlin:
Eine der Wirkungen des Krieges ist, daß er die
Gemüter willig macht, sich zum Übermenschlichen,
Allgewaltigen und Rätselvollen hinzuneigen. Sinn
fälliger Ausdruck dieses Gemütsbedürfnisses sind auch
die Amulette, die nach altem Glauben ihren Träger
Vor Verwundung schützen und, für unsere Krieger be
stimmt, jetzt in den Läden zu sehen sind.
Uralt und in allen Läden heimisch sind die
„Svastika-Kreuze“; sie veranschaulichen zwei
kreuzweis übereinandergelegte Reibehölzer, führen
also auf die dem Menschen der Frühzeit heilige
Macht des Feuers zurück. Die hübschen Svastika-
Kreuze sind aus farbigen Steinen geschnitten, in
Silber oder Email gearbeitet, Anhänger, besonders
aber Broschen, so daß sie wohl auch von den Krie
gern Frauen zum Andenken gegeben werden.
Auf den Glauben des Nil'ardes gehen die kleinen
Skarabäen, Abbildurgen des den Ägyptern heiligen
Pillendreher.den Käfers, zurück. Weniger zierlich als
diese der Fremde entnommenen Amulette wirkt ein
aus der deutschen Vergärgenheit geholtes, der Ham
mer Thors. Der Sohn Odins gebraucht ihn, den
Donner zu erzeugen, aber auch, die Unholde zu be
kämpfen und die Kultur zu schützen; er scheint also
recht eigentlich gegen unsere Feinde gemünzt. Die
Runenzeichen für „Minne“, das ja zunächst „Ge
denken“, „Erinnerung“ bedeutet, sind ihm einge-
prägt.
Daß alles, was das Volk gemeinhin als glück
bringend ansieht, unter den Schutzbildern gut ver
treten ist, nimmt nicht wunder. Weiße Elefanten,
Schweinchen, Marienschäfchen gibt das Tierreich her,
Pilze und Vierklee die sprießende Welt. Neben allerlei
kabalistischcn Zeichen scheint die aus einem Rund
stück geschnittene Zahl „13“ gegen den Aberglauben
scherzhaft Widerspruch zu erheben.
In der Gesellschaft der überlieferten Formen
wirken mit neuem Reiz jene Münzamulette, die
rein aus dem Geschmack unserer Tage fließen. Der
heilige Christopherus, der den Christusk naben auf der
Schulter durch die Flut trägt, schmückt eine Münze,
die als Amulett für Autofahrer gedacht ist. Einem
länglichrunden Kiicgstalisman ist auf der einen Seite
der Erzengel Michael, der Hüter des Reiches, auf der
andern ein „Gott schütze dich“ aufgeprägt. Den
Spendern dieser widerstandsfähigen Amulette mag.
wohl, in der Erinnerung an manche Berichte von
Kugeln, die von Geldstücken, Uhren und ähnlichen
kleinen Hindernissen abprallten, etwas wie eine körper
liche Talismanwirkung vorschweben.