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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1876 / 125)

führung einer complicirten Zeichnung. Diese Gegenstände sind mit styl- 
vollem Ornament meist durchbrochen gehalten, in verschiedenfarbigem 
Golde ausgeführt und die farbige Wirkung durch Steine und Perlen erhöht. 
Selbst kleine Figürchen - eine höchst seltene Erscheinung in der modernen 
Bijouterie - sind in zierlichern Relief glücklich hinzugefügt. Wir sehen 
in diesen Arbeiten einen ganz entschiedenen Fortschritt auf dem Wege 
des Guten, dem wir nur ein entgegenkommendes Verständniss von Seite 
des Publicums wünschen. 
Aehnliches gilt von den reichen Juwelierarbeiten, mit welchen Moriz 
Hendle auf der Weihnachts-Ausstellung erschienen ist. Mit Entschiedenheit! 
ist hier der Weg betreten, auch den Diamantschmuck, d. h. denjenigen, 
bei welchem der Stein nicht eine zufällige Nebengabe, sondern Ein und 
Alles bildet, einer stylvollen Zeichnung zu unterwerfen. Diesen Weg hatte 
schon A. Köchert im Gegensatze gegen die ganze bisherige moderne Art 
auf unserer Weltausstellung mit grossem Beifalle eingeschlagen. Die bis- 
herige Art ging dahin, die Steine möglichst zu häufenfwobei das Wie 
eigentlich ziemlich gleichgültig war. Damit aber doch so etwas wie eine 
Idee oder Zeichnung dabei sei, legte man irgend ein Motiv der Natur, 
wie eine Rose oder eine Blumendolde, oder eine Feder, zu Grunde und 
suchte sie in möglichst natürlicher Form zur Darstellung zu bringen. 
Selbstverständlich ein vergebliches Bemühen, denn wenn irgend ein Material 
für getreue Copirung von PHanzen oder sonst natürlichen Formen unge- 
eignet ist, so ist es der Brillant, mit seinem Blitze schiessenden Licht- und _ 
Farbengefunkel, mit seiner regelmässigen Krystallform. 'Diese unterwirft 
sich nicht deninatürlichen Linien und jenes macht es unmöglich, dass 
man die Naturbildungen deutlich erkennt. Solche Diamantrosen z. B. sehen 
daher auch nur wie gehäufte Steinklumpen aus, bei denen ein Stein den 
anderen in seiner Wirkung vielmehr beeinträchtigt als hebt. Die franzö- 
sischen Juweliere waren auf unserer Weltausstellung diesem Fehler keines- 
wegs entgangen; ihre Motive waren fast durchwegs solcher naturalistischen 
Art. Jedoch hatte ihr guter Tact und ihr gutes Auge sie dennoch zu- 
weilen auf die richtige Fährte geleitet, indem sie häufig solche Blumen- 
oder Pfianzenformen zum Vorbilde genommen hatten, welche an sich regel- 
mässig sind. Selbst das unbefangene Laienauge konnte wahrnehmen, dass 
klare, einfache, sternförmige Motive bei weitem glücklichere Eifecte auf- 
wiesen als z. B. der Kelch mit den gehäuften und unregelmässigen Blättern 
der Centifolie. 
Diese Beobachtung führte leicht dahin, das wahre künstlerische 
Princip des Juwelenschmuckes, seien es nun Diamanten oder farbige Steine, 
in klarer, präciser, durchsichtiger Zeichnung zu suchen. Wir können uns 
dabei allerdings nicht auf die Vorbilder der Vergangenheit, nicht auf die 
Muster einer guten Kunstepoche berufen, da in den Zeiten der edlen 
Renaissance der Steinschliff noch nicht zu seiner vollen Ausbildung ge- 
kommen war. Er gehört wesentlich der Neuzeit an und ihre Aufgabe
	            		
ist es daher, auch das Kunstprincip für ihn zu suchen. Was das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert im eigentlichen Brillantschmuck schufen, ist meist wiederholt urngefasst worden. Aber was davon unverändert geblieben, lässt im Vereine mit den nicht seltenen in Kupfer gestochenen Juwelier- zeichnungen erkennen, dass die früheren Juweliere, zumal auch die der Rococozeit, die Steine selbstständiger, isolirter behandelten, mehr von ein- ander trennten als die heutigen, die sie, in vermeintlicher Absicht, die Wirkung zu verstärken, in Klumpen zu häufen trachten. Sind diese Zeich- nungen der Rococozeit auch nicht eigentlich schön zu nennen, so sind sie doch viel glücklicher gedacht, um das Feuer des Steines in volle Wirkung zu setzen, als es die heutigen in der Regel sind. Bei der ausserordentlichen Collection von M. Hendle lässt sich diese Beobachtung sehr gut wiederholen. Es giebt auch naturalistisch gehaltene Arbeiten von der getadelten Art darunter, z. B. eine Rose mit einem grün emaillirten Blatte daran, auf welchem ein Thautropfen in Gestalt eines Diamanten sitzt. Das Stück behagt dem Geschmacke des profanum vulgus, das solche tiefsinnige nldeenu leicht versteht und in diesem Ver- ständniss Befriedigung fühlt, wenn es künstlerische Form und künstlerische Wirkung nicht zu beurtheilen weiss. In der That aber ist gerade dieses Stück verfehlt; die Rose ist wirkungslos, die Form unklar und das trans- parent emaillirte grüne Blatt dem Effect eher schädlich als nützlich. Welche feine und gelungene, selbst strahlende Wirkung machen dagegen andere der Schmuckarbeiten Hendle's, denen eine klare, bestimmte, regelrnässige Zeichnung zu Grunde liegt. Wir nennen hier in erster Linie das Diamanten-Halsband mit dem eben so einfachen wie stylvollen Farren- krautmotiv. Wie schön und zweckmässig ist es geschaffen, den antiken Colliers gleich, sich an Hals und Büste anzulegen! Eine ganze Reihe reizender medaillonartiger Gehänge machten die XVahl schwer, wenn man sie hätte. In sehr entsprechender Weise sind bei ihnen die vollen Glieder durch andere getrennt, welche ornamental durchbrochen gehalten sind. Dadurch kommen Ruhe und Gesetz in das seiner Natur nach so unruhige Material. Mit vielem Glück sind auch Perlen von seltener Grösse und Schönheit mitten unter den Brillanten verwendet, eine Aufgabe von nicht geringer Schwierigkeit, wenn sie wirklich künstlerisch befriedigend gelöst werden soll. Aehnliches gilt von der Anwendung anderer farbigen Steine, z. B. von Smaragden und Saphiren, die man gewöhnlich überwältigt und in ihrer eigenen Schönheit getödtet sieht von dem umgebenden Gefunkel der Diamanten. Unter den Ohrgehängen haben wir mit Vergnügen auch etwas "gesehen, was nicht da ist": wir bemerken ausdrücklich die Abwe- senheit von Beispielen jener unsäglich hässlichen Mode, welche einen Stein oder eine Perle direct in das Ohrläppchen setzt, als ob sie ein Auswuchs in demselben seien. Noch andere Aussteller vertreten den Schmuck, allerdings in minder kostbarer und auch minder künstlerischer Weise. Die Herren: Augustin
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