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Volltext: Monatszeitschrift VIII (1905 / Heft 2)

europäische Form allmählich ausbil- 
dete, so werden wir auch an derselben 
Quelle viele Einflüsse suchen müssen, 
die auf dem viel direkteren Wege 
über China nach Japan drangen und 
durch sehr wenig Zwischenglieder 
verändert werden konnten. Das cha- 
rakteristische Merkmal chinesischer 
Baukunst, das Hereinragen ältester 
Zustände bis in die Gegenwart, gilt 
auch fürjapan, wo die Veränderungen 
der lokalen Sonderbestrebungen den 
uralten Kern nicht berührten. Über 
dieses Gemisch von Raffiniertheit und 
ursprünglicher Naivetät äußert sich 
Semper (Der Stil, I) wie folgt: 
„Wenn auch in vielen Teilen 
durch Späteres und Spätestes getrübt 
und gefälscht, hat sich in China (und, 
wie wir hinzufügen, auch in Japan) ein 
uraltes Prinzip des Bauens bis auf den 
heutigen Tag gleichsam lebendig er- 
halten, das über den materiellen Ur- 
sprung mancher Eigentümlichkeiten 
selbst der hellenischen Architektur Aufschluß gibt und sie erklärt. So tritt 
uns hier zum Beispiel eine Technik der Wandbereitung noch tätig funk- 
tionierend entgegen, die an den Überresten der westasiatischen, ägyptischen 
und gräkoitalischen monumentalen Kunst nur als längst Erstorbenes 
erscheint, nur fragmentarisch und außerdem schon in nicht primitiver 
Weise, sondern transformiert und mit anderen Elementen zu Neuem vereint 
sich erhielt. 
Die äußere Oberfläche der Mauer ist hier noch materiell ganz 
geschieden von der Mauer selbst und in der Tat meistens beweglich. Die 
Mauer als solche, nämlich als Steinkonstruktion und tragendes, senkrecht 
stützendes, statisch fungierendes Element, tritt nur an den oft sehr mächtigen 
und wesentliche Bestandteile der chinesischen Baukunst bildenden Terrassen 
und Unterbauten auf, zu denen auch die Treppenanlagen und Balustraden 
gehören, welche letztere jedoch gleichsam Übergangsformen zwischen dem 
Steinbau der Terrassen und den aus der Tektonik und der Textrin abgeleteiten 
Bestandteilen der von den Terrassen getragenen oberen Anlagen bilden. 
In letzterem trägt die Mauer nur ihre eigene Last und dient als zwischen- 
gespannte Wand zwischen der Holzkonstruktion, welche letztere den 
technischen Zweck hat, das Dach und den horizontalen oberen Decken- 
abschluß des Raumes zu stützen. 
 
John Singer Sargent, Francis C. Penrose
	            		
Die Mauer ist genau genommen nur eine in Ziegeln ausgeführte spanische Wand, ein Tapetengerüst, sie ist so wenig tragendes oder stützendes Glied, soll es so wenig sein, daß sie vielmehr als seitwärts Ein- gespanntes und vor dem Umfallen gesichertes Mobiles und von der Last des Daches vollkommen Unabhängiges überall sorgfältigst symbolisiert wird. Das Gerüst selbst, welches die vertikalen und horizontalen deckenden Raumabschlüsse hält, ist ein Gemisch von Formen, das eben so sehr der Holzkonstruktion (Tektonik) wie dem Flechtwerk (Textrin) angehört. Das Bekleidungsprinzip macht sich außerdem an diesen struktiven Teilen des Baues noch auf andere Weise, nämlich durch deckende Über- züge des hölzernen Kernes, geltend. Die inneren Abteilungen der häuslichen Einrichtung sind beweglich, meistens wirkliche an der tWand herabhängende Teppiche oder durchaus Gitterwerk, oder hölzerne mit Scharnieren aneinander befestigte Tafeln, die beliebig aufgestellt werden können, oder endlich feste Scherwände, die aber den Charakter dieser Teppiche und spanischen Wände kundgeben. Die gemalten und skulptierten Ornamente sind durchgängig aus den- selben struktiven Elementen hervorgegangen, die sich so klar an dem bau- lichen Ganzen scheiden. Nachahmung von Stoffen, lackierte Täfelung,
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