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Ebenso wie wir die früher
oft so verächtlich von oben
herab angesehene kleine Pro-
vinzstadt in künstlerischen
Dingen immer mehr mit Re-
spekt behandeln lernen, ver-
dienen die alten Vororte und
Vorstädte Wiens eine ganz
andere Wertschätzung als
ihnen bisher zu teil wurde.
Auf zweien von den vielen
zur Residenz führenden Ver-
kehrslinien läßt sich die Er-
haltung alter Bautypen und
Stadtbilder bis in das Weich-
bild Wiens besonders deutlich
verfolgen. Die oberösterrei-
chische Tradition zeigt sich
auch längs der Donau leben-
dig, an deren Ufern im Wein-
lande der Wachau sich be-
sonders reizvolle und indivi-
duell belebte Städtchen und
Ortschaften in dichter Folge
Meßnerhaus am Körnermarkt in Krems entwickelt haben- von Linz
bis Krems ist eine Fülle an-
regender malerisch reizvoller aber auch konstruktiv interessanter Hausbauten,
Platz- und Straßenbilder zu linden; sie setzen sich, wenn auch nicht
immer ganz unberührt, über Klosterneuburg bis Nußdorf fort, wo die boden-
ständigen Zeugen heimischen Hausbaues gerade jetzt von den Vorposten
hauptstädtischer Bauspekulation verdrängt werden.
Nicht selten sind an den alten Bauten mittelalterliche Anklänge zu
finden, besonders wo sich eine konstruktive Behandlung des Steines vorfin-
det; das Vorkragen von Stockwerken, das zur Schonung der Straßenbreite
oft geübt wird, der steile Giebel mit bäuerlich einfacher Holzverkleidung
bleiben überall eingebürgert. Daneben zeigen Höfe mit Lauben, Dielen mit
gut eingebauten Stiegenanlagen das Bestreben, einer Abgeschlossenheit
nach außen - Gemütlichkeit im Innern entgegenzusetzen.
Die Weinlauben, die offenen Treppen und Gänge geben den Anlagen
nicht selten ein südliches Gepräge, das in den sonnigen Jahreszeiten die
heiterste Stimmung hervorruft.
Hat sich doch auch in Wien noch das Recht des Ausschankes von
Wein den Besitzern von Grundstücken erhalten, die im ererbten alten Hause
in gemütlichen, von den Vorfahren mit Geschmack und Geschick angelegten