den Fürsten mit der Morgenzigarre im Bette fixiert, Typen aus dem Gerichtssaal und vom
Gefangenentransport festhält. Staffagenbilder sind das, die Äußerlichkeiten kommen zur
Anschauung, nichts von dem Geist und dem großen Zorn des Werkes. Allzu gemütlich,
behaglich ist das alles aufgenommen. Ein unbeteiligter Illustrator, kein Mitempiinder
spricht hier. Man braucht sich nur die Radierungen der Käte Kollwitz zu Hauptmanns
Webern vorzustellen, um das Leere der Pasternackschen Figuren zu merken. Kein Atem,
kein Herzschlag, kein Aufschrei, nur echt die Kleider und der Rassetypus. _
Dann aber überrascht nach diesem ersten Enttäuschungseindruck im nächsten
Saal manch farbiges Porträt. Vor allem Kinderbilder von frühreifen, sorgend-fragenden
Zügen fesseln und die malerische Stimmung, die Tonatmosphäre ist voll Können und
Geschmack.
Stofflich interessieren auch die Erinnerungsblätter aus der Tolstoi-Welt, der Patriarch
unter den Seinen im Zimmer und auf der Dorfstraße, mit Kindern und Bauern, und biblisch
angeschaut, mit der PHugschar den Acker bestellend.
Der finnische Maler ist Axel Galleen. Wir sind ihm schon oft begegnet und er war
immer ein starkes Beispiel einer blutechten nationalen Kunst. Er fühlt sich als Verkündiger
der Größe seiner Heimat, und ihre Riesensagen in Riesenmaßen vor den I-Ieutigen auf-
steigen zulassen, ist ihm Berufung. Immer neue großzügige Bildvariationen aus den Finnen-
Epos Kalevala lernt man von ihm kennen.
Alle diese Darstellungen von Helden, Schlachten, wilden Abenteuern, werden aber
nicht illustrativ, nicht als Fabel und Begebnis gegeben. Sie werden durchtränkt und erfüllt
mit der Landschaftsatmosphäre.
Die Natur, die diese Mythen bilden half, sie ist die Hauptheldin, und das „Klima der
Begebenheit", nicht die Begebenheit allein ist das künstlerische Ziel. Dazu kommt eine
ornamentale Behandlung in der Art des Anschneidens und Umrahmens der Szene, so daß
diese Bilder an die Wand einer nationalen Kulturstätte gehörten. Ihre wuchtige, großzügig
aufbauende Darstellung stimmt auch vollkommen in die machtvolle steineschichtende
Architektur Finnlands, die höchst eigenartig darin ist, zyklopische Massen geistig regsam
zu bewegen und zu gliedern.
Besonders liebt Galleen die Stimmung der blauen arktischen Eisnacht, die bleiche
Phantastik der Schneelandschaft voll blendender Weiße.
Und solche Motive hat er auch ohne den Sagatext in Bildern klingen lassen.
Seltener sah man Porträts von Galleen. Hier trifft man Gorki und Edvard Munch
von ihm.
Gorki frappiert. Das Knochige, Eckige des Kopfes ist herausgemeißelt. Das Gesicht
glüht, es dampft vor Erregung, der ganze Mensch wirkt wie geladen, die Augen drängen,
der Kopf bohrt sich vor - aber diese Erregung, das fühlt man, Findet keinen rechten Aus-
weg, die Lippen scheinen zu stammeln und um den Mund zuckts wie von Qual und Angst
und Suchen.
Es ist merkwürdig, wie diese menschliche Studie an die russischen Temperamente
erinnert, die Gorki selbst und vor allem Tschechow im Onkel Wanja und in den drei
Schwestern gezeigt hat und die so überzeugungsecht vom Moskauer künstlerischen Theater
uns vor Augen geführt wurden. Das sind diese übervollen fragen- und klagenüberladenen
Menschen, die an ihrem Gram würgen, fast ersticken, die in der Verworrenheit und Dumpf-
heit ihrer Beklemmung nur keuchen und stöhnen. In einem jähen Anfall schreit es wohl
einmal aus ihnen auf, aber dann sinken sie wieder in sich zurück und wälzen ihre innere Be-
drückung weiter.
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Die Dresdener Kunstgewerbeausstellung gab durch ihr großes Aufgebot günstige
Gelegenheit zu einer Heerschau und Musterung des Lebensfähigen und Zukunftstauglichen.
Unter der Fülle der Gesichte fiel wieder durch seine Besonnenheit, seine ehrliche Material-
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