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Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 12)

 
Deckel die hübsche Darstellung der Rückkehr des Waldvolkes von der Jagd. 
Die Beute besteht neben Hasen auch in einem Einhorn, welches mit Hilfe 
einer Jungfrau, wohl in der wiederholt genannten Weise, eingefangen wurde 
und nun vollständig gezähmt, mit der triumphierenden Bezwingerin auf dem 
Rücken, an der Halfter mitgeführt werden kann. Hinsichtlich der Stellung 
Straßburgs zur mystischen Jagd des Einhorns möchte ich schließlich darauf 
hinweisen, daß Konrad von Würzburg, der von allen mystischen Dichtern 
den weitesten Gebrauch von den Symbolbeziehungen zwischen Maria und 
dem Einhorn machte, sich zum Vorbild Meister Gottfried von Straßburg 
wählte und bis zu seiner Übersiedlung nach Basel, aus der Stadt Straßburg 
seine mystischen Dichtungen ausgehen ließ. 
Wir haben nun die verrnutlichen Quellen und die Heimat der Darstel- 
lungen der himmlischen Jagd kennen gelernt, als erstere den Physiologus 
der Deutschen und die Bestiaeres der Franzosen; als letztere haben sich die 
Länder am Oberrhein, speziell Elsaß und Lothringen - als engere Heimat 
Straßburg - geäußert. Immerhin wird aber auch eine Anregung vom Westen 
anzunehmen sein, von Frankreich aus, dessen Einfluß im Mittelalter, vor- 
nehmlich im XIII. Jahrhundert, mit unwiderstehlicher Kraft in das Leben 
und die Bildung der Deutschen ein- 
setzte. 
Wenn auch die Sage vom Ein- 
horn ungemein verbreitet war und 
speziell in Deutschland und Frank- 
reich viel Anhänger fand, so dürfte 
man ganz im Süden, bei stärkerem 
Kontakt mit dem afrikanischen Kon- 
tinent, der eigentlichen Heimat des 
Spießbockes, im XV. Jahrhundert 
bereits eines Besseren belehrt ge- 
wesen sein. Hat man auch dort an 
Beziehungen eines gehömten Tieres 
zur seligsten Jungfrau festgehalten, 
so wurde doch die Darstellung eines 
unbekannten Tieres späterhin ver- 
mieden. Ein sehr früher, unter dem 
Einflusse maurischer Keramik ent- 
standener, italienischer Teller der 
Sammlung Graf Wilczek mit der 
Darstellung einer Antilope im Fond 
und mit der Umschrift „Ave Maria 
gratia plena" liefert den Beweis, daß 
an Stelle des Einhorns jenes Tier 
gesetzt wurde, welches uns heute 
Indianerin von Abastema, St. Leger Eberle als (185 der alten Fabel erscheint.
	        
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