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Die Kistoire du Travail auf der Pariser Ausstellung ').
Von Friedr. ftippvnann.
III. m." Niederlande.
Nicht eigentlich hervorstechend durch Pracht und Kostbarkeit, aber anziehend, gut
gewählt, und vor Allem treu dem aufgestellten Programme, nur Einheimisches zur An-
schauung zu bringen, war die Geschichte der Arbeit der Niederlande repräsentirt. Gegen-
stände des häuslichen Gebrauches bildeten den grössten Theil des Ausgestelllen, und zu-
meist aus jener Zeit stammende, die uns durch die Werke der Bliihteepoche der hollän-
dischen Malerei so nahe gebracht ist - aus dem _17. Jahrhundert. Wie früher schon
angedeutet, trug diese kleine Abtheilung einen wohlthuend einheitlichen Charakter, und
gestattete so recht den Einblick in das bürgerlich-luxuriöse und behäbige Wesen jenes
Landes und Volkes, dessen treue Schilderungen seiner Maler so auheimelnd zu uns
sprechen.
Die Verschiedenartigkeit und Menge des zur Schau Gebrachten war aber auch hier
gross genug, und dreine nur annähernd vollständige Aufzählung völlig unthunlicb, eine
historische Aneinanderreihung uns über den Raum dieser Blätter weit hinausfiihren würde,
so wird es angemessener sein, einiges Wichtige herauszuheben und den hier folgenden
kurzrän Ueberblick nach dem Materials und der Bestimmung des zu Besprechenden an-
lllD Den.
Beachtung verdiente eine Reihe von Werken der kleineren Sculptur, unter ihnen
vor Allem zehn etwa anderthalb Schuh hohe Bronzestatuetten, Portraits vornehnier Per-
sönlichkeiten aus dem 15. Jahrhunderte. Da erscheint Marie von Burgund, Isabella von
Portugal, Philipp I., Johann von Avernes. die Gräfin Ada und Andere mehr, natürlich im
Coetiime der Zeit, in Sendelhinde und langen spitzen Schnabelsehuhen, die Damen im
hohen ,Bennin", einem Kopfpntze, von dem die gleichzeitigen Schriftsteller schreiben, dass
die Frauen mit dieser Bürde auf dem Haupte beim Durchgehen durch eine Thiire sich
bücken mussten „wie die Hirsche im Walde". Erscheint diese Tracht phantastisch und
sonderbar genug, wenn wir sie in Miniaturen und alten Holzschnitten sehen, um so mehr
ist dies der Fall in der Realität des runden plasüschen iVerkes wie hier. Als seltene
Costiimüguren haben sie einen nicht zu unterschätzenden Werth. Ihre ursprüngliche Bs-
stimmung ist die Ausschmückung des Kranzgesimses eines Kalninmantels, die Ausführung
ist gut, nicht vorzüglich. Heutzutage werden sie im Rathhause von Amsterdam aufbewahrt.
Um einen g-rossen Theil des Jahrhunderts jünger nls die ehen genannten Biidwerke ist
eine Holzschnitzerci aus der Sammlung „Hermannrt in Amsterdam, eine Gruppe von zwei
einander umunnenden Figuren, Mann und Frau. Die runden Falten, die noch wenige
Spuren der im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts immer allgemeiner werdenden Knickung
und Brechung zeigen, lassen die Entstehung dieses Werkes in die Zeit etwa vor 1444)
setzen, und die wahrhaft imponirende Künstlerscbaft, die in den Köpfen, Binden und
überhaupt der ganzen Anordnung und Behandlung sich kundgibt, zeigt, dass die Brüder
Van E yck in dem unbekannten Meister dieses auf den ersten Blick des einfachen Mate-
riales halber vielleicht unscheinbar aber köstlichen Werkes einen, wenn auch nicht völlig
an sie heranreicbenden, doch mitstrehenden und im hohen Grade würdigen Zeitgenossen
hatten. Ob der Darstellung - die etwa 10 Zoll hohen Figuren halten sich mit den Armen
leicht umfnngen - eine symbolische Bedeutung zu Grunde liegt oder oh sie nur genre-
artig gemeint ist, wage ich nicht zu entscheiden. Etwa aus dem Ende des 15. Jahrhun-
derts war ein reich geschnitzter Kamm aus Elfenbein, der noch ldeutlich die alte polychrome
Bemalung zeigte. Ein interessantes Specimen von Mikrosculptur war ein etwa 4 Zoll hohes
Kreuz von Buchsbaumholz, auf dessen Stamm und Armen die Leidensgeschichte Christi in
ausaerordentlicher Kleinheit höchst dgurenreich vorgestellt ist; es mag um 1520 verfertigt
worden sein, ähnlich noch ein Dyptichon aus einer Nuss von gleicher Arbeit und Ent-
stebungszeit. Sculpturen aus der zweiten Hälfte des 16. und aus dem 17. Jahrhunderte
waren in Menge und in verschiedenartigen Materialien vorhanden. Wie aber Gegenstände
dieser Art gut und ziemlich hiiuüg anderweitig an sehen sind, hier aber nicht durch be-
sonders hervorragende Beispiels verh-eten waren, kann ich es bei ihrer einfachen Erwäh-
nung genügen lassen.
Geräthschatlen und Kunstarheiten aus unedlen Metallen, aus Bronce, Eisen und
Zinn, beinahe durchweg der schönen Privatsammlung des Chefs der niederländischen
Abtheilung der Histoire du Travail, des bekannten Archäologen Daniel van der
Kellen, entnommen, füllten zwei Schränke. Anderwlrts waren auf der Ausstellung solche
Dinge etwas vernachlässigt, aber gerade dadurch, dass sie mehr alltäglichen Gebrauchel
e) Fortsetzung aus in. so.