ist, war es für einen Philologen (Professor Marx-Karlsruhe) nicht schwer,
mir die einschlägigen Stellen aufzuschlagen. Die Anekdote steht in den Mo-
ralien des Plutarch und das Distichon in den Epigrammen des Auson. Jetzt
läßt sich die Inschrift nicht nur übersetzen: „Man erzählt, König Agathokles
habe aus irdenem Geschirr zu speisen gepflegt und oftmals auf seiner Kredenz
Gefäße aus samischer Erde aufgestellt", sondern auch verstehen. Sie hat
einen moralischen Hintergrund. Agathokles wies gern darauf hin, daß man
auch als König noch bescheiden sein soll. In verwandtem Sinne mag Fronius
den Vers angewandt haben; er wollte vielleicht seinem Sohne sagen: „Du
trinkst aus Silber, vergiß nicht, daß Du auch vielleicht einmal aus Ton wirst
trinken müssen".
Die Inschrift schließt mit der Jahreszahl 1640, und der auf dem Boden
eingeschlagene Stempel zeigt außer dem Monogramm des Verfertigers, das
man wohl in P R zerlegen muß, Ziffern, die bisher meist 1657 gelesen worden
sind. Aber die dritte Stelle ist undeutlich und muß als eine 3 erkannt werden;
es ergäbe sich 1637, was zur Jahreszahl der Inschrift gut paßt.
Die Marke hat alle Kennzeichen der siebenbürgischen Goldschmiede-
stempel. Dazu gehört, daß sie allein, ohne Beschauzeichen eingeschlagen
ist; dazu gehört auch, daß sie die Jahreszahl der Aufnahme des Meisters in
die Gilde trägt. Theoretisch freilich sollte an vielen Orten der Meister in
jedem Jahr die Zahl wechseln, aber in praxi wird die zuerst geführte Jahres-
zahl beibehalten, bis das Stempeleisen bricht, und bei den großen sieben-
bürgischen Stempeln hat es damit seine Weile.
Die Jahreszahl 1637 des Stempels steht also in keinem Widerspruch,
sondern in vollem Einklang mit der Jahreszahl 1640 der Inschrift.
Im Widerspruch aber mit beiden Zahlen steht die ausgesprochene
Renaissanceornamentik, nach der man die Kanne etwa um roo Jahre früher
ansetzen müßte. Aber die Entstehung in Siebenbürgen erklärt auch dies,
denn in keinem andern Lande der Welt hat die Renaissance so lange fort-
gelebt wie hier. In Klausenburg zum Beispiel haben die Goldschmiede bis an
die Schwelle des XIX. Jahrhunderts ein Renaissanceornament alsMeisterstück
zeichnen müssen, und über diesen Anforderungen haben sie nicht nur das
Barock übersehen, sondern auch das Rokoko.
Wer hätte aber gedacht, daß ein Land unter dem Zepter Maria There-
sias ohne „kunstverdruckte" Formen, „so außer Zirkul gehen", auskommen
könnte? Ein strenges Zunftgesetz hat es zuwege gebracht! Unter diesen
Umständen können wir an einer Siebenbürger Kanne ein gutes Renaissance-
ornament noch in der Mitte des XVII. Jahrhunderts antreffen.
Es steht um die Deckelfiguren ähnlich wie um das siebenbürgische
Renaissanceornament - sie leben beide länger als ihr Stil. Kleingebilde der
Plastik, werden sie von einem Meister geschaffen, von einem Goldschmied
nachgebildet, in zahlreichen Exemplaren verkauft und schließlich von einem
Nachgeborenen mechanisch nachgegossen und kaum nachziseliert. So hat
jede Figur, die irgendwelche Qualitäten besitzt, ein Leben von 50 und ein