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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 8 und 9)

Altare S. Andreae, quod hodie a B. Vitale nomen habet, est Tumba S. Vi- 
talis quadrangularis, muro meridionali, qui Ecclesiam majorem et Capellam 
S. Catharinae discernit, uno latere cohaerens alta a pavimento 3 pedibus 
circiter, supra Tumbam et murario opere factam impositus jacet Lapis ille 
S. Vitalis Efligiem referens, g pedes longus, 5 latus, unius pedis profundi- 
tatem habens cui secundum marginem versus populum incisus est antiquo 
charactere ille versus: „Praesul Vitalis cubat hic aegrisq' medetur O. 646. 
XIII. Cal. Novemb." Posteriori parte versus murum templi lapis est elevatior, 
versus populum declivis, ut a populo lapis tanto facilius videri possitfk Der 
Stich, den Abt Amandus beifügt, läßt deutlich unsere Grabplatte erkennen, 
der denn auch die genannten Maße entsprechen. Danach möchte es 
fraglich erscheinen, ob überhaupt noch eine weitere Grabplatte vor- 
handen war. Hätte ein Werk von der schwächlichen Güte des Steines des 
Abtes Rupertus Keutzl, der ja gleichfalls von dem scissor et lapicida 
Johannes stammen soll, ein so wuchtiges und stattliches Werk wie das 
erhaltene Grabmal verdrängen können? 
Die älteren Nachrichten gewähren keine sicheren Anhaltspunkte über 
den ursprünglichen Bestand des Grabes. In einer Beschreibung desselben 
von 1604, die aller Nebensächlichkeiten, wie der geopferten Kerzen und 
Votive und des umgebenden „Gätters" gedenkt, geschieht des Steines nicht 
Erwähnung. Abt Amandus vermutet, „daß diser Stain werde under der 
ebnen und glatten Maur gelegen sein, welche über das Grab gleich wie 
ein Sarch gebauet war". Ich möchte annehmen, daß die uns erhaltene 
Platte ursprünglich in dem Paviment oder als ein „erhebter Stein" in einem 
niederen gemauerten Aufbau lag, vielleicht über der älteren, bei der ÖiTnung 
des Grabes gefundenen und damals zerstörten Platte, welche die Inschrift 
trug: „T. SCS. Vitalis Episcopus et alii tres." Dafür sprechen auch die glatt 
zubehauenen Seiten. Als dann im Laufe des XV. Jahrhunderts die Verehrung 
für den Heiligen immer größere Verbreitung fand, wollte man seine Grab- 
stätte auch entsprechend reicher ausstatten und so errichtete man, wie 
man etwa fünfzig Jahre vorher den prunkvollen Stein hatte meißeln lassen, 
im Jahre 1496 zur achthundertundfünfzigjährigen Wiederkehr seines Todes- 
tages, mit eben diesem Stein als Deckplatte, eine säulengetragene mensa- 
aztige Tumba in der Gestalt, wie sie Stainhauser beschreibt und Sadeler im 
Aufbau wenigstens ähnlich abbildet. Diese Aufbahrung der Platte dürfte nun 
das eigentliche Werk des Meisters Johannes gewesen sein. Das Wort „lapis" 
der Rechnungsnotiz wäre dann eben nicht als Grabstein, sondern als Grab- 
mal im weiteren Sinne zu deuten. Erst bei dieser Aufrichtung in Mensafgrm 
scheint man die Inschrift der rechten Langseite eingemeißelt zu haben. 
Die Grabplatte des heiligen Vitalis nimmt in dem heutigen Sepu}- 
kralen Denkmälerschatz Salzburgs hinsichtlich ihrer künstlerischen Voll- 
endung eine hervorragende, eine Sonderstellung ein, die sich, wie schon 
oben berührt, nur durch die Abhängigkeit von der Chiemgau-Gruppe erklären 
" Amandus Pächler, Disquisitiones etc. S. 8x.
	            		
Abb. 30. Grabplatte des heiligen Rupertus zu St. Peter in Salzburg läßt. Über den Meister selbst fehlt jede Nachricht, aus stilistischen Gründen aber wird man ohne weiteres annehmen dürfen, daß, wenn er nicht ein un- mittelbarer Schüler oder ein erheblich jüngerer Geselle Hans Heiders war, er doch im Banne seiner Kunst stand und seine Werke gekannt hat. Was er vor allem bei ihm lernen konnte und gelernt hat, war der kräftige Relief- stil und die routinierte Technik. Daß er aber nicht in einem gewöhnlichen Kopisten- und Nachbeterverhältnis zu dem Seeoner Meister stand, sondern mit seiner Zeit fortschritt, freilich ohne seine Kunst zu jenem formalen und seelischen Reichtum Simon Heiders zu steigern, bedarf nicht weiterer Be- lege. Die Holzplastik Salzburgs weist für diese Zeit einige Figuren von ent- schieden innerlicher Vertiefung auf, so unter anderem einen Christus und die zwölf Apostel in Schellenberg und eine anmutige Madonna aus Hallein in der Sammlung Zwerger-Schwankel in Salzburg. Für die Beziehungen der Chiemgau-Gruppe, insonderheit des Meisters Hans Heider zu Salzburg scheint mir noch das prächtigste heraldische Werk Salzburgs zu sprechen, der Grabstein des Bürgermeisters Martin Räutter, gestorben 1416, an der St. Margaretenkapelle des St. Petersfried- hofes (Abb. 29). Der Reiz des Werkes liegt neben der eleganten Zeichnung, mit der das I-Iauptwappen in den langgezogenen unregelmäßigen Mehrpaß- rahmen gestellt ist, in dem kräftigen Hochrelief und dem reichen Wechsel von tiefen Schatten und flimmemden Lichtern, namentlich aber in der origi- nellen Helmdecke und dem Wurzelgewirr des Baumstammes. Das sind die- selben Mittel, mit denen Heider das Bahrtuch Aribos umsäumte, und unmittelbar an ihn erinnert auch die exakte Durchbildung der beiden Hände des Kleinods mit den scharf abgesetzten Fingergelenken, den feinen Nagel- bettungen und der schmalen I-Iandfessel. Rührt, wozu ich stark hinneige, der Grabstein, dem Salzburg nichts Ähnliches an künstlerischer Vollendung und routinierter Technik an die Seite stellen kann, nicht von Heider selbst her, so entstammt er zum mindesten seinem Werkstattbetrieb." Auch ' Der veränderte Schnitt der I-lelmdecke dürfte kaum gegen Hans Heiders eigene Hand sprechen. Heider verharrt ja nie, wie die meisten der späteren handwerksniäßigen Heraldiker-Steinrnetzen es tun, bei einem einmal erprobten Rezept, sondern liebt die Abwechslung. Ihm sagt jeder Deckenschnizt zu, der seinen künstlerischen Absichten entgegenkomrnt. Übrigens zeigt auch das Einhorn des einen kleineren Wappenbildes dieselbe Mähne wie der Drachenkopf des Trenbecksteins in Haslach.
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