läge ein Arbeitsgebiet vor, das besonders geeignet zur Entfaltung künstlerischerIndividualität
und feinen Sinnes für Material und Handwerk wäre. Talente und anregende Versuche sind
auch reichlich vorhanden. Nur die Unterstützung der Frauenwelt, die mutige Werbearbeit
größerer Unternehmungen verhalten sich noch allzu zögernd.
Mit den graphischen Arbeiten, den Zeichnungen, Holzschnitten von V. Petter, G. Bartl
greift die kleine Schaustellung schon in höher liegende Arbeitsgebiete über; zugleich
erkennen wir, daß Künstlerinnen, denen die Nadelarbeit, die Textilkunst so nahe liegen,
auch bei den kraftvollen graphischen Arbeiten die Konkurrenz der Künstler nicht
zu scheuen haben. Die Kunstgewerbler haben schon manche erfolgreiche Leistung auf den
Gebieten der freien Künste zu verzeichnen, denen die stilistische Schulung nützlich war.
Die Wertschätzung der persönlichen künstlerischen Leistung innerhalb des Kunst-
gewerbes ist eine Sache von feinerem Empfinden. Gutes spricht für sich selbst aber oft
nicht laut genug, um die Stimmen der geringwertigen Mehrheit zu übertönen. Wenn so
wie hier eine gute Auswahl in beschränktem Umfange geboten wird, ist das Wählen leicht
und erfreulich.
Eine zweite Schaustellung kunstgewerblicher Objekte von größerem Umfange bietet
der Wiener Kunstgewerbeverein, der einen großen Kreis von Betrieben und Kräften
umfaßt, viele bereits im Besitze ihres großen Rufes auftretende Unternehmungen neben
den Einzelleistungen tüchtiger kleiner Werkstätten zeigt.
Nachdem eine möglichst vielseitige Auswahl in diesem Jahre besonders naheliegend
war, ist die Ungleichrnäßigkeit des Gebotenen leicht erklärlich. Immerhin ist es sehr
erfreulich, konstatieren zu können, daß doch manche Vitrine weit über den gewohnten
Durchschnitt hinausragt. So ist namentlich auf dem Gebiete der Glasarbeiten viel Gutes
zu finden, und die Kollektion, welche J. Lötz' Witwe aus den Objekten der Kölner Werk-
bundausstellung zusammenstellte, ist wirklich hochstehend. Hier ist ein Niveau erreicht,
das keine Konkurrenz zu scheuen braucht. Trefflich ist auch manche textile Leistung,
und wenn der beschränkte Raum nur wenig Entfaltungsmöglichkeit bot, so zeigen doch die
vorgeführten Handarbeiten, wie viel bei günstigerem Anlaß geboten werden könnte. Die
Metallarbeiten, besonders die Treibarbeiten Pfaffenmeiers, die keramischen Kollektionen,
besonders jene von Wahliss und Böck, sind gleichfalls sehr beachtenswert. Die so reizvolle
moderne figurale Keramik, die übrigens durch hübsche Porträtfiguren auch der Stimmung
des Augenblicks entgegenzukommen verstand, ist hier besonders hervorzuheben.
Eine ganze Reihe von Finnen, deren treHliche Arbeiten aus den inhaltsreichen
Schaustellungen des Österreichischen Museums bekannt sind, haben hier nicht viel mehr
als eine Besuchskarte abgeben können. Dem aufmerksamen Beobachter genügen aber solche
kleine Hinweise, um zu erkennen, wo Gutes zu finden ist.
Von den Interieurs kann weniger Gutes berichtet werden, weil hier gerade das hervor-
tritt, was schon oft beklagt wurde: die Nachahmung fremdländischer und alter Leistungen
und derMangel an Fühlungnahme mit den reichlich vorhandenen guten einheimischen künst-
lerischen Kräften. Die Gestaltung eines ganzen Innenraumes ist eben eine Angelegenheit,
die ohne maßgebende Einfiußnahrne einer reifen selbstschaffenden Persönlichkeit nicht zu
lösen ist, und über solche verfügen leider unsere Betriebe in der Regel selten, die sich mit
der Herstellung von Einrichtungen befassen. Sie greifen noch immer lieber zu Publikationen
alter Kunst und fertigem Vorrat, bevor sie neuen Ideen und Anschauungen zielbewußt Raum
geben wollen; darum ragen die Resultate auch so selten über ein mäßiges Niveau hinaus,
das mehr von der Verkaufsabsicht als von der schöpferischen Absicht Zeugnis gibt. Aber
man braucht nur unsere neuesten Kaffeehäuser und Restaurants oder die modernen Kunst-
zeitschriften durchzusehen, um zu wissen, daß doch schon eine ganz beträchtliche Anzahl
von Personen bei uns vorhanden ist, die mit Erfolg und Verständnis den leistungsfähigen
und selbstschöpferischen Kräften des Reiches Spielraum zur Betätigung geben.
Nur wenn diese zu Wort kommen, sind wir in der Lage, nach außen wirksam aufzu-
treten. Und nur durch häufigen Kontakt mit den heimischen Kreisen und seinen Lebens-