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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 1 und 2)

läge ein Arbeitsgebiet vor, das besonders geeignet zur Entfaltung künstlerischerIndividualität 
und feinen Sinnes für Material und Handwerk wäre. Talente und anregende Versuche sind 
auch reichlich vorhanden. Nur die Unterstützung der Frauenwelt, die mutige Werbearbeit 
größerer Unternehmungen verhalten sich noch allzu zögernd. 
Mit den graphischen Arbeiten, den Zeichnungen, Holzschnitten von V. Petter, G. Bartl 
greift die kleine Schaustellung schon in höher liegende Arbeitsgebiete über; zugleich 
erkennen wir, daß Künstlerinnen, denen die Nadelarbeit, die Textilkunst so nahe liegen, 
auch bei den kraftvollen graphischen Arbeiten die Konkurrenz der Künstler nicht 
zu scheuen haben. Die Kunstgewerbler haben schon manche erfolgreiche Leistung auf den 
Gebieten der freien Künste zu verzeichnen, denen die stilistische Schulung nützlich war. 
Die Wertschätzung der persönlichen künstlerischen Leistung innerhalb des Kunst- 
gewerbes ist eine Sache von feinerem Empfinden. Gutes spricht für sich selbst aber oft 
nicht laut genug, um die Stimmen der geringwertigen Mehrheit zu übertönen. Wenn so 
wie hier eine gute Auswahl in beschränktem Umfange geboten wird, ist das Wählen leicht 
und erfreulich. 
Eine zweite Schaustellung kunstgewerblicher Objekte von größerem Umfange bietet 
der Wiener Kunstgewerbeverein, der einen großen Kreis von Betrieben und Kräften 
umfaßt, viele bereits im Besitze ihres großen Rufes auftretende Unternehmungen neben 
den Einzelleistungen tüchtiger kleiner Werkstätten zeigt. 
Nachdem eine möglichst vielseitige Auswahl in diesem Jahre besonders naheliegend 
war, ist die Ungleichrnäßigkeit des Gebotenen leicht erklärlich. Immerhin ist es sehr 
erfreulich, konstatieren zu können, daß doch manche Vitrine weit über den gewohnten 
Durchschnitt hinausragt. So ist namentlich auf dem Gebiete der Glasarbeiten viel Gutes 
zu finden, und die Kollektion, welche J. Lötz' Witwe aus den Objekten der Kölner Werk- 
bundausstellung zusammenstellte, ist wirklich hochstehend. Hier ist ein Niveau erreicht, 
das keine Konkurrenz zu scheuen braucht. Trefflich ist auch manche textile Leistung, 
und wenn der beschränkte Raum nur wenig Entfaltungsmöglichkeit bot, so zeigen doch die 
vorgeführten Handarbeiten, wie viel bei günstigerem Anlaß geboten werden könnte. Die 
Metallarbeiten, besonders die Treibarbeiten Pfaffenmeiers, die keramischen Kollektionen, 
besonders jene von Wahliss und Böck, sind gleichfalls sehr beachtenswert. Die so reizvolle 
moderne figurale Keramik, die übrigens durch hübsche Porträtfiguren auch der Stimmung 
des Augenblicks entgegenzukommen verstand, ist hier besonders hervorzuheben. 
Eine ganze Reihe von Finnen, deren treHliche Arbeiten aus den inhaltsreichen 
Schaustellungen des Österreichischen Museums bekannt sind, haben hier nicht viel mehr 
als eine Besuchskarte abgeben können. Dem aufmerksamen Beobachter genügen aber solche 
kleine Hinweise, um zu erkennen, wo Gutes zu finden ist. 
Von den Interieurs kann weniger Gutes berichtet werden, weil hier gerade das hervor- 
tritt, was schon oft beklagt wurde: die Nachahmung fremdländischer und alter Leistungen 
und derMangel an Fühlungnahme mit den reichlich vorhandenen guten einheimischen künst- 
lerischen Kräften. Die Gestaltung eines ganzen Innenraumes ist eben eine Angelegenheit, 
die ohne maßgebende Einfiußnahrne einer reifen selbstschaffenden Persönlichkeit nicht zu 
lösen ist, und über solche verfügen leider unsere Betriebe in der Regel selten, die sich mit 
der Herstellung von Einrichtungen befassen. Sie greifen noch immer lieber zu Publikationen 
alter Kunst und fertigem Vorrat, bevor sie neuen Ideen und Anschauungen zielbewußt Raum 
geben wollen; darum ragen die Resultate auch so selten über ein mäßiges Niveau hinaus, 
das mehr von der Verkaufsabsicht als von der schöpferischen Absicht Zeugnis gibt. Aber 
man braucht nur unsere neuesten Kaffeehäuser und Restaurants oder die modernen Kunst- 
zeitschriften durchzusehen, um zu wissen, daß doch schon eine ganz beträchtliche Anzahl 
von Personen bei uns vorhanden ist, die mit Erfolg und Verständnis den leistungsfähigen 
und selbstschöpferischen Kräften des Reiches Spielraum zur Betätigung geben. 
Nur wenn diese zu Wort kommen, sind wir in der Lage, nach außen wirksam aufzu- 
treten. Und nur durch häufigen Kontakt mit den heimischen Kreisen und seinen Lebens-
	        
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