zu denken, in welchem diese Vasen nicht mit ihrem blassen Rosa die Harmonie zerstören
würden. Alle Kunst und Geschicklichkeit kann hier decorativ - und das ist der allein
richtige Standpunkt - das nicht erreichen, was die italienischen Majoliken mit ihrem
satten Colorit trotz der handwerksmässigen Malerei leisten.
Schlimmer noch steht es mit jenen bemalten Gefiissen, bei denen durch stumpfe,
deckende und noch dazu grell zusammengestellte Farben das Durchsichtige und Durch-
scheinende des Glases vollständig getödtet ist, das Glas hat künstlerisch aufgehört zu sein,
was es ist, um schnöden Putzes willen. Auch jene zweifarbigen Geßsse aus Ueberfang-
glas, bei denen die Ornamentation durch Herausscbleifen der oberen Schichte entsteht,
sind tadelnswiirdig, weil die Farben zu hart aufeinander stossen und der Blick, anstatt
der Hauptform zu folgen, nur die Linien des Ornamentes beachtet, welche die Form
zerschneiden. Was sollen wir aber von dem sogenannten Eisglas sagen, das sich absicht-
lich bemüht alle eigenthümlichen Reize des Glases geradezu zunichte zu machen, oder
dem marmorartigen Glase, das eine falsche Imitation verfolgt! Solche Decorationsweisen
haben kein Recht mitznsprechen, wo von Kunst in der Industrie die Rede ist. Mehr Recht
zur Existenz haben die grünen bemalten Gläser in Art der deutschen Hurnpen der Re-
naissanceperiude. Wir verwerfen dies Genre nicht, weil es sich in den Grenzen der De-
coration hält, aber es muss einerseits den antiquarischen Standpunkt der Nachahmung
verlassen, andererseits mit feinerem Gefühl behandelt werden, denn die modernen Nach-
bildungen sind alle zu grell und zumal das Grün nicht milde und gebrochen genug.
Alle diese Ornamentationsweisen sehen aber stark nach der kanzösischsn Novitäten-
hascherei aus. Am wichtigsten ohne Zweifel ist das gefärbte Krystallglas, das auch der
österreichisch-böhmischen Ausstellung in Paris den Hauptcharakterzug gibt. Aber gerade
hierin tritt leider auch der roheste Geschmack zu Tage und macht den Anblick des östere
reichischen Glases auf der Weltausstellung zum grössten Theil fast unerträglich. Soll dieser
Industriezweig Bedeutung erhalten, ja will er nur das Leben fristen, so ist es ganz selbst-
verständlich, dass er im Sinne der englischen Reform, was die Ornamente und die For-
men betriEt, umgewandelt werden muss. Wir wollen hoEen, dass sich rechtzeitig diese
Einsicht Bahn bricht.
Man sieht, die österreichische Glasfabrication hat noch viel zu bedenken und zu
thun, um sich mit den vermehrten und verfeinerten Anforderungen der Gegenwart abzu-
iinden, Noch ist sie in der einigermassen günstigen Lage, dass das vulgus profanum auf
dem gleichen Standpunkt des Geschmackes steht wie sie selber. Aber der Geschmack ist
in der Wandlung befindlich und wird auch die Menge der Cousumenten ergreifen. und es
ist daher geboten, diesem Umstande rechtzeitig Rechnung zu tragen. Freilich wissen wir
wohl, es gibt eine Anzahl Fabrikanten, denen Geschmack und Schönheitssinn überhaupt
gleichgiltig ist. Sie lassen sich aus den Gegenden ihres Absatzes die gangbaren Muster
schicken und arbeiten danach. Auf diesem Wegs mag das Geschäh einigsrmassen im
Gange bleiben, Ruhm aber und Ehre sind dabei nicht zu erwerben, und auch hier kann es
kommen, dass diejenigen, welche die Mode dictiren und die Formen angeben, endlich auch
das Geschäft völlig au sich reissen. Während die Zusendung der neuesten Muster erwar-
tet wird, dürüe sich das „zu spät" verhllnguissvell erweisen.
Die Kunstindustrie von Belgien und Holland.
J. F. Wenn man sich die Rolle Yergegenwlirtigt, welche die Niederlande einst in
der Geschichte der Kunst und der Kunstindustrie gespielt haben, so bedeutet ihr gegen-
wärtiger Zustand, wie ihn die Pariser Ausstellung erkennen lässt, damit verglichen, einen
bedeutenden Abstand, mag er immerhin im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit einen
groesen Fortschritt enthalten. Die Niederlande heben der Kunst eine neue Epoche ge-
geben, sie haben zwei Mal einen eigenthümlichen Stil in der Malerei geschaffen und in
beiden Stilen Leistungen hervorgebracht, die den ersten Werken der Kunst überhaupt sich
nnreihen; es gnh aber auch eine Zeit für sie, wo sie in der Kunst-industrie kaum minder
gross waren. Die Wollteppiehe der Niederlande waren das ganze Mittelalter hindurch die
ersten der Welt; die (lnndrischen „Anna? waren es, in denen die Rnphnefschen Cnrtons
ßllsgefiihrt werden konnten. Brnbßnter Seidenstoie mit jenen prachtvnllan Mustern, wie
sie uns die Bilder der alten niederländischen Schule znhlreich sehen lnssen, ausgeführt in
italienischer Seide, liefen im 16. Jahrhundert denen Italiens den Rang nb und wetteiferten
lange siegreich mit denen von Tours und Lyon; von der Schönheit der Stickerei und Ps-
rementenfnhrication legen uns noch heute erhaltene Beispiele glänzendes Zeugniss ab;
alte Grsbplstten und andere eherne Werke der Kunst reden von ehemaliger Blüthe des